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Mittwoch, 6. Mai 2020

Unsere Länder sind Einwanderungsländer

Der VdZ kann sich nicht erinnern über jenen Zusammenhang gelesen* oder auch nur gehört zu haben, der ihm doch als das wesentlichste Argument erscheint, diskutiert man die vorgebliche Problematik, daß unsere Bevölkerungen so "gehorsam" gegenüber der Obrigkeit sind. Nämlich jenen Zusammenhang, der über die Verwurzelung des Rechts geht, und daraus ableitet, wie sehr Menschen das unveräußerliche Recht sehen, gegen faktische Anordnungen der Regierung zu opponieren. 

Und hier haben wir in unseren Ländern - und nicht zufällig, weil aus derselben Argumentation begründet, die Schweiz ist hier die klarste Ausnahme! - den Umstand, daß Gesetz immer ausschließlicher "auf das Land" geht, und NICHT auf das Volk. Was heißt das? Was das heißt, läßt sich am Beispiel Österreichs am schönsten zeigen. 

In der Gründung der Mark im Jahre 996, die ein rein legislativer Akt von Kaiser Otto III. war, und sich im Wesentlichen auf die heutigen Bundesländer Ober-, Niederösterreich und Wien erstreckte, war erst ein Land OHNE BEVÖLKERUNG, über dem ein Gesetz verhängt wurde. DARAUFHIN kam eine Bevölkerung, aus allen möglichen Teilen der deutschen Länder, jeweils aus einer bestimmten Motivationsgruppe heraus: In ihren eigenen Völkern ohne Platz, ohne Aufgabe, oder so verschuldet, daß ein Neuanfang nötig und sinnvoll war. 

Alle diese Neuankömmlinge trafen auf ein System, das salopp formuliert sagte: Wer will, kann zwar kommen, aber nur, wenn er die von oben verhängten Gesetze akzeptiert. Wer das nicht tut, kann sich vertschüssen.

Unsere eigene Gesellschaftscharakteristik entspricht also in weiten Teilen der Charakteristik, wie sie jedes Einwanderungsland aufweist. Wo also zuerst das Land war, und dann erst ein - austauschbares - Volk folgt.

Überall dort, wo erst ein Volk (!), und DANN ein - volatiles, durchaus auch wechselndes - Land war beziehungsweise dazukam, Land also in Persönlichkeit und Mensch verankert war, und nicht als "Nutzobjekt" dazukam, zu dem anfänglich kaum mehr Beziehung bestanden hat als ein Verhältnis der Vernutzung, weist ein völlig anderes Verhältnis zu Regierung und Gesetz auf.  Hier besteht eine eindeutige Verwurzelung des öffentlichen Rechts in Person, Familie und nächster bis weiterer Umgebung, also erweiterter Persönlichkeit. 

Als Sichtweise, die von Charakter und Haltung getragen wird. Tirol, Bayern, die Schweiz (und hier noch einmal in sämtlichen Kantonen, dabei wieder mit derselben Unterscheidbarkeit) sind keine abstrakten "Ideen", sondern sogar heute noch (wenn auch bereits rudimentär) fleischliche Körper der dort lebenden Menschen.

Wo es diese Verwurzelung in der Familie und Herkunft nicht gibt, fehlt dem nunmehr Vereinzelten jede Schutzschicht, jede Beheimatung, die als Naturgegebenheit existiert und damit schützens- und erstrebenswert ist. Und zwar als so große Selbstverständlichkeit, daß sogar ein diskursives Argumentieren kaum möglich ist, denn das Natürlichste ist auch das, was man gar nicht sieht.**

Diese Menschen aber sind gleichzeitig auf den Schutz der Obrigkeit, der sie mehr oder weniger direkt gegenüberstehen, weil es keine natürlichen Zwischenschichten gibt (wie Nerven, denen die formtragende Eiweißschichte an ihren Enden fehlt), diese Menschen also wollen weil brauchen eine übergeordnete Obrigkeit als eigentlichen Träger jener Kräfte, die sonst der kulturell-soziale, hierarchische Zwischenbau trägt, der die Beziehungen zu Personen, dem Land, den Dingen definiert und in Grenzen setzt, überhaupt erst schafft.

Und diese wurzellosen Menschen - und unsere Länder sind über weite Teile bereits reine "Landgebiete" geworden, die keine gewissermaßen indigene Bevölkerung mehr tragen - sind es, die die autoritative Bedeutung von staatlich verordnetem Gesetz und staatlicher oder sogar überstaatlicher Rechtsordnung kennzeichnen. Sie kennen keine Verankerung des Rechts in den Personen selbst.  Ihr Rechtsbegriff ist voluntaristisch und positivistisch, und deshalb auch auf substantielle Weise veränderbar.

Während der Rechtsbegriff verwurzelter Menschen wie sie selbst, wie jede Legitimität des Daseins selbst, nur in Gott verankerbar ist. Und damit ebenfalls in einer persönlichen Beziehung. Jenem Du, das dem Menschen als Erstes gegenübersteht, wo es zuerst einmal in den Eltern und der näheren und schließlich weiteren (bis zum Unendlichen, also wieder Gott, aber diesmal in einem geläuterten Geist und Verständnis) Umgebung irdisch-fleischlich anwesend ist.

Weil aber eben Recht und Legitimität nur in persönlicher Beziehung existiert, ersetzt der Nicht-Verwurzelte diese fehlende soziale Erfahrung durch einen lebendigen Ersatz - in den Personen der Führung eines Landes und Staates. Selbst wenn es als rationalisierte Ebene so aussieht, als wäre dies in jeweiligen Ideen repräsentiert.

Aber jede Idee ist letztlich und primär in einer Gestalt, also in einer Person repräsentiert, sonst gäbe es keine Möglichkeit, sie zu denken. Denn das Denken ist eine Grammatik der in der Person existierenden Gestalten.

Deshalb tendieren Einwanderungsländer immer zu einem Rückgriff auf frühere Generationen und den darin erinnerten Personen. Weil aber die je historische Gesellschaft eine Gemengelage verschiedenster (entwurzelter) Personengruppen ist, kann ein darauf gegründeter Staat nie zu einer Einheit finden. Und ist das nicht das Bild, das unsere Länder derzeit bereits bieten?

Solchen Ländern aber fehlt, was eine Verfaßtheit der Mitbestimmung der eigenen Lebensumstände grundlegt (worin vergessen wird, daß die Monarchie auf einem solchen Sockel, auf einem Sockel solcher Mitbestimmung als Gesellschaft von Freien aufbaut und historisch immer aufgebaut hat!) und erst möglich macht: Und das ist die Einheit eines (Staats-)Volks in wesentlichen Fragen! Ohne eine solche Einheit, übrigens, ist auch Demokratie nicht möglich. Diese Einheit herzustellen ist auch NICHT im Diskurs MÖGLICH. Deshalb sind solche Verfaßtheiten nur noch durch Diktatur und Gewaltherrschaft überhaupt möglich.

Das sollten wir somit nicht vergessen, wenn wir über unsere Zeit und unsere Lebensumstände nachdenken. Sie entsprechen der Natur unserer Länder, die selbst dort, wo sie das ursprünglich nicht waren, weil das Recht auf Personen beruhte, mittlerweile zu einer Charakteristik geworden sind, die Einwanderungsländern als Ensembles entwurzelter, genuin ortloser Existenzen entspricht.


*Erst in allerjüngster Zeit ist der VdZ auf den - genuin marxistisch orientierten! - Soziologen Henning Eichberg gestoßen, der solche Gedanken bereits vor fünfzig Jahren entwickelt hat. Und sich dafür gefallen lassen mußte, daß er heute als "rechter" oder sogar "rechtsextremer" Denker verleumdet wird, was wirklich grotesk ist.

**Ins Bewußtsein steigt, was fehlt.




*170420*