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Sonntag, 31. Mai 2020

Vielleicht wollten alle nur noch lachen (2)

Teil 2) Man kann es natürlich auch ganz simpel sagen: 
Stell Dir vor, ein ganzes Volk, ja die halbe Erde 
lebt in einer riesigen Komödie. 
Und warum tut sie das? Weil es niemand merkt!
Dabei ist es so offensichtlich!


Eines hatten aber Aristophanes und Menander sicher sowieso gemeinsam, und alle Komödiendichter seither: Beiden haben mache Zeitgenossen so manche ihrer Komos-odeion, dieser Gesänge der Zecher, nicht verziehen. Weil sie Ernst als Stimmung verlangten, aber etwas völlig anderes ernteten: Weil alle die Jahrhunderte und Jahrtausende später die Menschen herzlich über diesen "Ernst" lachten. 
Deshalb ist die Komödie immer eine Erscheinung, die der Philosophie folgt. Diese wiederum ist eine Folgeerscheinung auf den Zerfall einer Gesellschaft hin. Weil Philosophie immer der Versuch ist, eine heile, vollkommene Welt zu rekonstruieren. 
RE-konstruieren. Sie sucht also nach dem Anfang, nach dem Früher. Der Philosoph ist seiner Natur nach streng reaktionär, sozusagen, rückwärtsgewandt, von Sehnsucht nach dem Anfang zerfressen, daß er nichts tut als ihn in Gedanken suchen. Nicht arbeiten. Nicht nutzangewandt leben. Denken. Und das ist ein Suchen nach dem Anfang.
Ist der Philosoph (diese Vorstufe zum Dichter, den er nicht erreicht, denn der Dichter HAT den Anfang, aber das ist eine andere Geschichte) das nicht, also reaktionär, sehnsüchtig nach dem Früher, ist er Ideologe. 
So ist die Philosophie gleich der Frage, warum etwas nicht mehr so wie früher funktioniert, so einfach so selbstverständlich wie früher. Sondern warum es nun konstruiert werden muß. Was die Ideologie auf den Plan ruft. Die Philosophie ist die Antwort auf die Ideologie, sozusagen, die zeitgleich auftritt. 
Dieser (eigentlich sehr ernste, existentielle, als Notruf zu verstehende) Ernst wird aus der Natur der Philosophie, die im Unausschöpfbaren endet, in der Dauer überzogen. (Was die Ideologie als direktes Beispiel sogar vor Augen stellt: Die Ideologie ist immer lächerlich.) 
Deshalb folgt der Philosophie die Komödie. Wie gesagt: Lachen, weil der Ernst zu lange dauert und diese Dauer mit unerträglicher Intensität zu tun hat. Dazu ein andermal sicher noch mehr.
Herrschaften, so sehr lachten sie damals, so sehr lachen wir auch diesmal, daß wir allzu gerne vergessen, daß alles das, worüber wir lachen, an irgendeinem Punkt der Geschichte eben einmal ERNST genommen worden war. Und daß das, was wir heute ernst nehmen, von dem einen oder anderen schon jetzt, von der Geschichte aber auf jeden Fall, irgendwann, als das erkannt wird, was es ist: EIN WITZ.
Den Komödiendichter unterscheidet von seinen Zeitgenossen nämlich nur eines: Sie sind Schelme. Weil sie den wahren Charakter ihrer Zeit erkennen, während andere das nicht tun. Ohne deren Ernst gäbe es keine Komödie! Das müssen wir wissen, wollen wir noch lachen können und nicht selbst am Ernst, der gar keiner ist weil er diese Etikettierung nicht verdient, ersticken. 
Während also ihre Zeitgenossen Ernst zu sehen meinten wußten diese wenigen, daß das so gar nicht stimmte. Solche Schelme waren dieser Aristophanes und dieser Menander, wobei über die Wirkung des einen auf den anderen streiten Philologen bis heute, streiten also darüber, wer von beiden wirklich ernst zu nehmen ist, und wer ein Witz ist.

Aber über einen gibt es nichts zu streiten, nämlich über den wahren Helden wie wahren Schelm der Welt und der Geschichte. Von dem auch Aristophanes und Menander abgekupfert haben. Denn der steckt in den Dingen selbst, weil er sie überhaupt erst Dinge sein läßt: Der steckt im LOGOS.
Sinn in den Dingen, weil deren innerster, Sinn aus und über den Dingen, weil zugleich deren äußerster, äußerlichster Charakter - ihr Sein als Seiende. Der durchwirkt von diesem logos ist, diesem Sinn von und in allem. Kompliziert? Vielleicht. Aber nur ein bißchen. Dem Heiteren, lieber Leser, und das vergesse er nicht, dem Heiteren ist alles leicht! Also lache er. Dann wird es sich ihm erschließen.
Jedenfalls ... dieser logos nutzte wie Aristophanes und Menander die Realität der Entscheidung einer Mehrheit der Bevölkerung Österreichs. (Zu welcher Entscheidung ihr die übrigen deutschen Völker herzlichst und berauscht gratulierten, immerhin war Wien seit einem Jahrtausend fast der Kopf dieser Völker, sodaß sie schon aus nicht erlahmender Gewohnheit hinblickten.)

Im Blick auf eine Bevölkerung ihren geheimen Willen zum Witz und zur Lächerlichkeit, diesen Vater so großer Dichter wie Johann Nestroy oder Karl Kraus (beide Seher des Wirklichen als Witz ihrer Zeit weil in völligem Gegensatz zu der geläufigen Erzählung) umsetzte. Einer Bevölkerung. Denn von Volk läßt sich hier nur bedingt sprechen. Das ist der Grund, warum der Österreicher lieber eine Komödie lebt, weil immer so tut, als sei das, was er tut, nicht ernstzunehmen. Zumindest distanziert er sich in jedem Fall davon. Außer es hat Erfolg und wird von den deutschen Völkern angesehen.

Diese Bevölkerung tat diesen Willen kund, indem sie eine an sich schon lächerliche Gruppierung aus lauter Etikettenschwindlern (Österreicher eben), mit einem lächerlichen Kanzlerjungen an der Spitze, zu Regierenden wählte. Und dann etwas erlebte, mit dem sie nicht gerechnet, das sie aber so gewünscht hatten. Was sich schon in der kurz zuvor getroffenen, seltsamerweise nahezu kontradiktischen Wahl zum Ausdruck gebracht hatte. Sodaß also ÖVP-FPÖ flugs ins Gegenteil, in ÖVP-Grüne rutschte.

Welch Beweis, daß Geschichte die Geschichte eines Seins ist, WEIL es dauert, und in der Dauer, die eine Aufeinanderfolge von Erkenntnissen ("Dingen") ist, seinen logos zeigt, seinen wahren Sinn.


Morgen Teil 3) Und stelle Dir vor, wir leben in einer Komödie. 
Und tun so, wie Kinder beim Spiel, als sei das tief ernst. 
Stelle, werter Leser, Dir das nur vor - mußt Du da nicht lachen?
Und ist das nicht auffallend leicht? Was hat uns das zu sagen?



*140520*