Teil 3)
Unsere Wurzeln liegen nicht in "Deutschland".
Unsere Wurzeln liegen nicht in "Deutschland".
Sie liegen in unserer Verwobenheit in unser jeweiliges Volk
Auch das sollten wir also endlich von anderer Warte zu sehen versuchen. Als Antwort auf die Frage, was es sein könnte, das in diesen und jetzigen Generationen die Ablehnung des Eigenen so massiv gemacht hat. Die meisten Erklärungsversuche, bis hin zur "Gehirnwäsche" nach 1945, reichen viel zu kurz, und sind unzulänglich, um das Phänomen wirklich zu verstehen. Ja, sie sind meist nichts anderes als ein sturköpfiges Festhalten an einem Irrtum. Als der falsche Versuch zu prolongieren, was versagt hat, fundamentales Versagen somit zu rechtfertigen, weil auf andere, aber irrtümlich als solche identifizierte Ursachen zurückzuführen.
Vielleicht kommt also dieser so lange Irrweg unserer Gesellschaften, exemplarisch in dieser Frau sichtbar, eben genau daraus. Aus dem Verleugnen und Ignorieren einer Wurzelkultur, die bei Menschen dieser Generation zumindest noch im Fleisch, sonst nur noch in den Ruinen und Museumslandschaften, die unsere Orte bestenfalls geworden sind, in Erinnerungen und Erzählungen somit noch vorhanden ist.
In jenen Generationen, die bald gehen weil sterben werden. Die aber noch ein Hessisch- oder Fränkisch- oder Rheinländisch- öder Kölnisch- oder Düsseldorfer-sein erfahren haben, das heute schon so verblaßt ist, daß man meinen könnte, es gäbe das gar nicht mehr.
Als wäre alles Wurzelhafte bereits der globalen Amerikanismus-Konsum-Unkultur zum Opfer gefallen, die nach 1945 so endgültig alles überlagert hat. Die damit aber ein Zerstörungswerk vollendet hat, das 1870/71 mit dem Ausrufen eines neuen "Deutsch-seins" begonnen hat. Das in Wahrheit die Verdinglichung eines bloßen Begriffs, keiner ontologischen Wirklichkeit war, die für sich selbst Realität werden könnte. (Wir sind umso mehr deutsch, aber auch erst dann deutsch, wenn wir Kölner, Wiener, Münchner oder Dingelfurther sind. Ja, erst dann sind wir sogar ... Menschen.)
Dieser neue Deutschland-Begriff (übrigens: Das hier Gesagte gilt, bitte, sinngemäß genauso für das, was wir heute Österreich nennen!) hat die realen Verwurzelungen bereits im 19. Jahrhundert aufzulösen begonnen. Hellsichtige Personen wie König Ludwig II. von Bayern, nicht zuletzt, haben das sofort erkannt, und sich deshalb so gut sie es vermochten (und das war nicht viel) dagegen gewehrt.
Ohne Erfolg. Der Wunsch nach liberalistischem Leben und kapitalistisch-gierigen Wohlstand war zu verführerisch, zu phantastisch und vielversprechend, zu mächtig. Es mußte ein Deutschland werden, um diese Gier so vieler in einer Zeit des sich überschlagenden Liberalismus (et) Kapitalismus, zu befriedigen.
Identität "Deutsch" - Bildquelle |
Sodaß die Bereitschaft der jungen Generationen der Gegenwart, sich widerstandslos und sogar bereitwillig Massen an Menschen anderer, fremder Kulturkreise ins Land zu wünschen, auf diese Enttäuschung und Leere, die das Unerfüllbare, diese Karotte vor der Nase, hinterlassen hat, zurückzuführen ist. Daß sich dieses Deutsch-sein als "Kultur", das heißt als reale, gestalthafte Identität der Lebensführung, gar nicht erfüllen läßt. Daß es sogar ein und dasselbe wie der amerikanistische, liberalistische Konsumkult ist.
Die letzten Sequenzen des Films zeigen deshalb etwas, das bedeutend ist. Die Frau ist ruhig geworden. Mit einem deutschen Partner (was im Film aber nicht ausgesprochen wird), der in diesem Alter mehr Freund ist als jener "Partner", wie er heute meist verstanden wird, sitzt sie bei einer Art Volksfest, mit bodenständiger Musik im Hintergrund (die man noch als "hiesig" erkennen kann, warum kann man gar nicht wirklich sagen), und spricht über ihre Vergangenheit aus einer inneren Distanz, als wäre sie endlich endlich zur Ruhe gekommen, die sie so lange gesucht hat.
Und dieser Friede lag vor ihrer Haustür. Sie ist aber jetzt erst, in so hohem Alter, nach langer Suche, draufgekommen. Jetzt erst ist sie heimgekommen. Aber sie ist heimgekommen. Nicht nur sie. Auch nämlich ihr afrikanischer Partner. Was hieß ... sie trennten sich.
O ja, wir können viel aus dem Film lernen. Denn wir sollten nüchtern werden, und endlich aufhören, uns dumme Illusionen zu machen, wie und ob eine "Integration" fremder Kulturen möglich wäre. Das ist nicht der Fall! Worein sollte es integriert werden? In etwas, das es gar nicht gibt?
Die Welt ist stattdessen voll von Wurzellosen, die auf der Suche nach einer Heimat sind, die sie vor Jahrhunderten und Jahrtausenden verlasen haben.Wir sollten aber auch keine Illusionen haben, was und wie noch "zu retten" wäre. Dafür - und auch das vermittelt der Film! - dürfen wir vertrauen weil hoffen, daß da tief in uns allen etwas liegt, das wie Dornröschen darauf wartet, wieder wachgeküßt zu werden. Wir sollten aber aufhören zu glauben, der Prinz wäre ein wie auch immer geartetes "Deutschland", das selbst bereits eine finalisierte Entwurzelung war, die uns unserer Identität beraubt hat. Nein. Der Prinz kommt aus dem Unbekannten, wir kennen ihn noch nicht. Aber er kann das Dickicht, das uns umgibt, durchbrechen und uns wachküssen, wenn wir dazu bereit sind, es zuzulassen. Zuzulassen, daß es so ganz anders aussieht, als wir meinten.
Das wird nicht "Deutschland" sein. Jenes magische Bild der Versuchung von Macht, Geld und Geltung, geschaffen von selbst Entwurzelten, die aus ihrer existentiellen Verzweiflung, ohne Aussicht auf Boden und Ort, ein willkürliches, phantastisches Ziel aufgerichtet haben, das im Wahn einer Weltschöpfung unverwirklichbar und unerreichbar so viel Schaden angerichtet hat. (Es ist somit kein Wunder, daß der kategorische Imperativ als angeblicher Weltethik in ... Preußen geboren wurde.) Weil es eine Pseudo-Geschichte schuf, die angeblich "unsere" wäre. Das ist sie nicht.
Die Geschichte Deutschlands seit 1871, die angeblich seither unsere Identitätsgeschichte ist, hat in Wahrheit zwar mit uns und unserer Identität zu tun, aber sie IST es nicht. Sie ist vielmehr die Geschichte eines Irrtums, der unsere Gehirne hundertfünfzig Jahre vernebelt hat, und der sich nun auflöst. Gegen welches Auflösen aber sich die einen so, die anderen so wehren.
Wenn wir heimkommen wollen, dann müssen wir deshalb jeden Freimut aufbringen zu jener Ehrlichkeit durchzustoßen, in der wir all unseren Gefühlen und Ahnungen Raum geben, und die uns deshalb erst wahrlich befreit. Dann erst erhalten wir die Antwort, wo das liegt und läge, was uns jenen Frieden des Daheimseins zu geben vermöchte, den wir so verzweifelt suchen. Dieser Ort liegt nicht in einer inneren oder geographischen Ferne. Er liegt in jeder Hinsicht vor unseren Füßen. Dort liegt unser Zuhause.
*060520*