Es gibt keine Kulturstufe, schreibt Wilhelm Schmidt in seiner Analyse der Zusammenhänge des "Eigentums", die eigentlich eine Kulturgeschichte ist, bei der sich Lebensgüter und Kulturgüter trennen lassen. Selbst primitivste Kulturen lassen sich nicht auf Lebensgüter (also Güter wie Nahrung, Trinken etc.) von Kulturgütern, darunter vor allem die Religion, trennen. Kaum besser ist es bei Luxusgütern, die sich von der Kultur nicht trennen lassen, wie Kultgegenstände, Kunst oder Schmuck oder Güter, die soziale Stellung ausdrücken.
Vielmehr hängen alle eng zusammen, und es ist zu beobachten, daß eine Kultur, die die eine Ebene verliert, parallel auch in den anderen zu schwächeln beginnt, bis sie erlischt. Und es läßt sich sogar sagen, daß je höher eine Kultur stand, ein Abstieg ohne Verzicht auf die übrigen Güter nicht ohne Gesamtverlust der Lebenskraft möglich ist. Sodaß sich die Frage erhebt, ob sich nicht der Abstieg einer Kultur mit der Unverhältnismäßigkeit einer der drei Stufen alleine beschreiben, zumindest vorhersagen läßt, wo das Gleichgewicht verloren geht, und die anderen beiden Säulen menschlichen Lebens abnehmen.
Wenn es also einen Beweis für die Primitivität der Gegenwart gibt, dann ist es der, daß sowohl Kultur (Kult, letztlich immer eine Form von Theater und Erzählung), als auch - nein, vor allem - Religion von der Politik nicht mehr als "notwendig" eingestuft und letztlich als verzichtbar angesehen werden, als in dieser Corona-Krise.
*040520*