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Samstag, 29. Dezember 2018

Aufsparen von Risiken durch deren Vermeidung (2)

Teil 2)




Der vierte große schwarze Schwan

Damit meint Krall die großen Unternehmen. Zur Illustration einige Zahlen: Von den 500 Unternehmen, die 1955 noch als die größten Unternehmen bezeichnet wurden, stehen heute nur noch 60 auf dieser Liste. Das heißt, daß sich immer Umbrüche abgespielt haben, die nicht vorhersehbar waren. Wer hätte 1975 Steven Jobs ernstgenommen, wenn der den Generaldirektor von General Electrics (dem damals größten Elektrikkonzern der USA) angerufen hätte um ihm zu sagen, er werde ihn platt machen? Niemand. Heute hat Apple eine Börsenkapitalisierung von 1 Billion Dollar, während es General Electric gerade noch gibt. 440 Unternehmen sind also neueren Gründungsdatums. Die Top 10 Unternehmen haben sämtlich vor 50 Jahren noch nicht existiert. 

Wir tun aber heute so, als wären Großunternehmen nicht mehr Teil der Marktwirtschaft. Wir tun vielmehr so, als wären sie Größen für sich. Marktwirtschaft aber baut zuerst einmal auf Eigentum auf. Eigentum bedeutet wiederum, über etwas Kontrolle zu haben. Nun stellen wir aber fest, daß der Besitz einer Aktie noch lange nicht heißt, daß man Kontrolle über dieses Unternehmen hat. Aktiennotierte Unternehmen leben deshalb in einer Art "administrativen Blase", wo Eigentum (Aktionär) und Kontrolle (Managerkaste) voneinander getrennt sind. Ja, die Managerkaste kann vom Eigentümer gar nicht kontrolliert werden, sie hat sich sogar über Kontrollsystemkreisläufe abgekoppelt. 

Manager aber sind keine Unternehmer. Sie sind Bürokraten, Administratoren. Die in diese Position gekommen sind, weil sie eben bürokratische und administrative Fähigkeiten unter Beweis gestellt haben. Die unter dem Druck stehen, daß wenn sie Fehler machen auch ihre Karriere zu Ende ist. In großen Unternehmen findet also das eigentliche Unternehmerische gar nicht mehr statt. Was in der produzierenden Industrie durch ein noch unmittelbareres Rückwirkungssystem (Markt, Verbraucher, Verkauf) noch halbwegs funktionieren kann, stellt sich im Finanzbereich als wahres Desaster heraus. Denn hier kann es das Management einrichten, daß es Risiken eingeht, die bei Mißlingen über einen Zeitraum kaschiert werden können, der zeitlich nach dem Karriereziel liegt, es also seine Schäfchen bereits im Trockenen hat. Dem Betrug, der Täuschung sind Tür und Tor geöffnet.

Das gibt es nicht, wenn Manager und Eigentümer zusammenfallen. Denn sich selber zu betrügen hat wenig Sinn. Was immer ein Eigentümer macht, es kommt immer auf ihn zurück. Im Guten wie im Versagen. "Eigentum ist ökonomisches Karma," hält Krall den Sachverhalt fest. Das gilt sogar für den Aktionär, der die Kontrolle abgibt. 

Dieses heutige Konstrukt der Aktiengesellschaften wird in nächster Zeit schwarze Schwäne in Serie hervorbringen. Denkt man jetzt nämlich noch die bevorstehende exzessive Temposteigerung dazu wird sich herausstellen, daß nur echt unternehmerisch denkende Menschen auch entsprechend rasch reagieren werden können. Damit wird sich die Ausfallsrate bei großen Unternehmen enorm steigern. Geht man derzeit von einer jährlichen Ausfallsquote bei Unternehmen von 2 Prozent aus, so wird sich das bald auf 5 oder 10 Prozent steigern. 

Der fünfte große schwarze Schwan

Hier spricht Krall die Geopolitik an. Angesichts einer Politik, die kein Zukunftskonzept hat und in einem Totalversagen steht. Sie verortet Risiken, wo keine sind, und so welche sind, erkennt sie sie nicht oder verleugnet sie. Nicht in Rußland sieht Krall die große Bedrohung für den Westen, im Gegenteil: Wir würden Rußland als Verbündeten brauchen, wenn wir weiter so große Fehler wie im Moment machen. Auch China ist nicht ein Problem für uns. Das wirkliche Problem für Europa wird die Kombination aus der Erdogan-Türkei und der Muslimbruderschaft sein. Die Türkei hat als außenpolitisches Ziel, das osmanische Imperium wieder zu errichten. Syrien war nur der erste Zwischenschritt auf dem größeren Schritt - zum Öl. Das Öl würde nämlich Erdogan mit den Mitteln ausstatten, die er zur Verfolgung seiner Pläne braucht.

Gleichzeitig hat die Muslimbruderschaft die Migration in Gang gesetzt, die Europa nun trifft. Was bei uns niemand so sieht, wird von Israel etwa ganz klar erkannt. Und auch von den Muslimbrüdern offen ausgesprochen: Es soll zur Restauration des ottomanischen Reiches kommen, und der Balkan soll ebenso wieder unter türkisch-muslimische Herrschaft kommen wie ganz Europa. Selbst wenn man das als utopisch ansieht muß man doch sagen, daß unser sicherheitspolitisches Konzept dieser Bedrohung gegenüber falsch ist. Das führt in aller Regel zu Krisen. 

Alle diese fünf schwarzen Schwäne werden einer nach dem anderen auftreten, und sich gegenseitig auslösen wie verstärken, meint Krall. Wir fahren unser Finanzsystem an die Wand, dann die Unternehmen, dann das politische System, wir vergeuden planwirtschaftlich gigantische Summen - woher soll das Geld kommen, damit wir uns verteidigen können? Wer soll unser System da noch halten, wer stabilisiert es? Oder will man etwas anderes? 

Krall hat diesen Verdacht, und führt als ideologische Wurzel die Frankfurter Schule an, wie sie in den 1920er-Jahren entstand. Deren Kernaussage war, daß die Österreichische Schule der Volkswirtschaft recht hat. Das ist für die Sozialisten blöd, denn dann stimmen die Untergangsvorhersagen nicht mehr, der Kapitalismus steht fest und stabil. Damit werden die Massen nicht für eine sozialistische Gesellschaftstransformation durch Revolution bereit sein, weil sie wissen, daß sie in der Marktwirtschaft ein gutes Leben haben können. Also beschloß man, das System von innen heraus anzugreifen, es von innen her zu schwächen. Dazu muß man seine Grundpfeiler beseitigen: Das Wertesystem, die Marktwirtschaft, das Eigentum, die Familie, die Aufklärung, die christlich-abendländische Identität, und dann natürlich seine Institutionen. Und hier vor allem die Geldwirtschaft. Diese Vorgänge sind voll im Gang. 

Und Krall äußert Zweifel, ob alle Teile der politischen Klasse überhaupt interessiert sind, die krisenhaften Erscheinungen der Gegenwart zu lösen. Es sieht vieles nämlich so aus, als wollten manche Kreise die Krisen auf die Spitze treiben, um die Freiheit abzuschaffen. Wenn es zum Auftreten der schwarzen Schwäne kommt, wird deshalb ein Kampf um die Freiheit entbrennen. Aber wird unsere hedonistische Gesellschaft die Freiheit dann verteidigen? Denn Freiheit ist kein dauernder Zustand, der einmal da, immer bleibt. Vielmehr muß sie ständig neu errungen werden. Und Krall zitiert Jefferson, der gesagt habe, daß die Freiheit deshalb ab und zu mit dem Blut der Tyrannen und Patrioten gegossen werden müsse, sonst versinke sie. Denn der größte Feind der Freiheit ist ein Sozialismus, der den Hedonismus nützt, um die Abwehrkräfte einer Gesellschaft zu schwächen. Und dazu zu verführen, um des Genießens willen Dinge zu akzeptieren, die mit der Freiheit unvereinbar sind.

***

Lassen wir uns von diesen Gedanken inspirieren, die viel Wahres haben, solange sie sich mit den Phänomenen der Gegenwart befassen. Vergessen wir aber nicht, daß sie im Rahmen einer liberalen Weltauffassung stattfinden, die - auch wenn sie genau das bestreitet - ein Mythos ist, der ganz anderen Zwecken als denen der Freiheit "für alle" dient. Nämlich dem "offenen Tor" für den Stärkeren, Brutaleren, letztlich Unkultivierteren und Skrupelloseren. Denn keineswegs ist es so, daß sich Systeme (weder in der Natur, schon gar nicht aber in menschlichen Verhältnissen) auf geheimnisvolle Weise "von selber" zu ihrem oder einem Optimum entwickeln. 

Diese fatalistische (weil materialistische, nihilistische) Haltung (die im übrigen in Hegel ihr geistiges Gipfelmoment erreicht hat) bedingt nämlich, daß es so etwas wie eine "optimale Gesellschaft" nicht gäbe, also Gemeinwohl nicht gäbe. Sondern daß das Gute das wäre, was irgendwie und auf jeden Fall entsteht, wenn man den Kräften ihr freies, also natürliches Spiel läßt. Das wiederum von individuellem Wollen und Bedürfen bestimmt wird. Jede Regelung geschieht aus dem System selbst heraus. 

Es braucht nicht viel Nachdenkens sich darüber klar zu werden, daß wir dann brutale Kampfverhältnisse haben, die sich in jeden zwischenmenschlichen Bereich (und auch Wirtschaft ist ein solcher) hineintragen. In denen der Schwächere, Feinere, Moralischere, Machtlosere, aber auch der Benachteiligte, Kranke, Behinderte etc. unter die Räder kommt. Während sich Macht immer mehr und in immer weniger Händen konzentriert. Und damit sind wir am Ursprung des Liberalismus angelangt, der genau diesem Willen zur skrupellosen Machtakkumulation entsprungen ist.

Ebenso stimmt nicht, daß nur im "try and error" gelernt wird. Denn jeder Fehler bringt auch Schäden. Man ist nachher ein Anderer, und meist ein Schwächerer, als vorher. Es ist keineswegs so, daß man immer das Richtige lernt. Bestenfalls das Situationsbezogenere. Und man kann auch das Falsche lernen, jeder Mensch ist dafür beredtes Beispiel, niemand der keine Neurosen hätte, weil er z. B. in der Kindheit schlecht behandelt, oder als Erwachsener beschädigt wurde. Vielmehr braucht es zum Lernen unbedingt ein positives Leitbild. Und dieses Leitbild liegt oft sogar weit von der faktischen Vergangenheit entfernt, und muß geoffenbart werden. Es würde kein Kind alt genug werden, um erwachsen zu werden, würde es nicht angeleitet und auch da und dort beschränkt. Man muß also "etwas" lernen, nicht einfach "aus dem Spiel von Fehler und Erfolg". Außerdem - was ist mit der bösen Tat? Was mit der Unsittlichkeit? Aber lassen wir es vorerst dabei bewenden.

Und nehmen wir das Gute aus diesem Vortrag. Der uns hinführen kann zu einem Begreifen von Welt, in dem das Wesentliche nicht darin liegt, den Erfolg zu "sichern", sondern darin, sich ans Materiale hinzugeben, also zu tun, was uns möglich ist, ohne daß der Ausgang unseres Handelns "sicher" ist. Er liegt immer in der Hand Gottes. Und in dieser Haltung sollen wir auch handeln. Immer. Alles bedenken, klar, alles so gut wie möglich tun, aber alles letztlich als Geschenk erwarten. Der VdZ kann dem Leser versichern, daß er bei allen Menschen, die wirklich Erfolg hatten, genau diese Haltung - Demut! - gesehen hat. 

Wo ein Erfolgsmensch diese Demut nicht kennt, sollten wir gewarnt sein und aufhorchen. Die Wahrscheinlichkeit, daß er etwas Unrechtes getan hat, moralisch oder explizit durch Gesetzesbruch, ist da nämlich hoch. 

Denn die Sünde ist genau das, was Krall hier als "Eingrenzen der Volatilität" bezeichnet. Der Sünder will sich mit dem freien Spiel der Wirklichkeit aus Gott (dem Sein), der auch Mißerfolg bedeuten kann, nie aber Sinnlosigkeit, nicht zufrieden geben. Er will den Erfolg, den Ausgang seinem Verlangen und Vorstellen von Glück nach, manisch kontrollieren. Und dazu schaltet er das Risiko aus. Er will nicht Sinn, er will vielmehr auf jeden Fall kassieren. 

Deshalb hat Krall einmal recht, einmal unrecht. Er liegt richtig, wenn er davon spricht, daß wir heute eine moralische Krise erleben, die unsere Freiheit bedroht. Er liegt nicht richtig, wenn er einen Antagonismus zwischen Liberalismus (als Weg der Freiheit) und Sozialismus (als Feind der Freiheit) behauptet. Vielmehr führt eines zum anderen.



Der eigentliche Vortrag beginnt ab Minute 7:14'






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