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Sonntag, 23. Dezember 2018

Geburt aus dem Eid (4/1)

Wenn aber der Anfang von allem das Wort war, das bei Gott war, und das Gott war, stehen wir nicht nur vor der Welt als Schöpfung, dann stehen wir nicht nur vor dem Menschen als Ebenbild Gottes und seiner Sprache als seiner ersten, ihn grundlegenden Bedingung - die Sprache ist also nicht "vom Menschen erfunden", das trifft nur auf eine bestimmte Weise zu, als anpassendes, tastendes Bemühen zur eigentlichen Sprache zurückzufinden, wo das "Ja" ein "Ja", das "Nein" ein "Nein" ist. Dann stehen wir auch vor der Tatsache, daß sich in der Sprache die Eigenschaften des Sprechenden offenbaren, und dazu gehört, daß er die Ursache der Dinge der Welt ist. Im Wort, im Gedanken, in der Sprache ist die Ursache der Welt.

Worte, Sprache, die mehr ist als ratio, als Verstand, sind nur ein Aspekt davon, sondern die die Sprache als jenes Gewebe betrachten, auf dem die Welt - ja letztlich Gott - überhaupt aufruht und insofern die Welt ist. Damit stehen wir vor der Tatsache, daß die Grammatik dieses innerste Wesen des Sprechenden - also die Wahrheit - erkennbar macht. Die Gesetze der Grammatik der Welt sind somit Hinweis auf Struktur und Gesetz der Wahrheit.

Das macht begreifbar, warum in einer Zeit, in der die Wahrheit als "nicht vorhanden" bezeichnet wird, sowohl die Welt als auch die Sprache verkommen muß, und verloren geht. Beides verliert nicht nur ihren Wahrheitsgehalt, sondern mit dem Wahrheitsgehalt auch ihre kommunikative Möglichkeit. Denn ohne Wahrheitsbezug gibt es kein Sprechen. Und damit keine Welt. 
Wo die Sprache ihre Verbindlichkeit, ihre Eidhaftigkeit verliert, verliert der Mensch die Welt.

Das wird auch durch die viele Schrift (fälschlich weil vorschnell als "Information" bezeichnet) nicht anders, die heute mehr und mehr das ad personam gerichtete, gesprochene Wort ersetzen soll, was ein furchtbarer Irrtum genauso ist wie ein verzweifelter Versuch, ihre Tragfähigkeit in der Welt wieder zu finden.

Weil die Schrift auf eine Symbolhaftigkeit zurückgeht, in der die ins Transzendentale, alles Welthafte, Geschöpfliche, Begründende reichende Tiefe als Sprache der Sprache (wie Heidegger es nennt) hinweisend, aber als Ganzes, Integeres, als ikonenhaftes Bild repräsentiert und damit als Fenster dorthin gegenwärtig gesetzt wird.

Das ist der Grund, warum Schrift und Bild (als Symbol, also als Kunst) auch in unserer Kultur anfänglich keine zwei Dinge, sondern eins waren. Die alte Buchmalerei, aber auch die alten Bilder oder Kirchenmalereien drücken genau das aus. Ich behaupte: das ist auch der einzige Hintergrund der Höhlenbilder. Sie sind keine "Zeichnungen", sie sind Schrift, die einmal Ikone war. So wie jedes Ding, jedes Lebewesen, einfach alles ... Schrift war und ist.

Schrift ist die Ikone der Sprache, Fenster zu einer geistigen Wirklichkeit - zu der des logos, in dem aller Grund zusammen-, mit Gott in eins fällt. Wo Sein, Wille, Handeln, Liebe nicht mehr auseinanderfällt, wie beim Menschen, dem die Göttlichkeit fehlt, weil er Gott nicht mehr in allem gleicht. Sondern in einer innergöttlichen Beziehungshaftigkeit west und nur im Aktiven, im Handeln, im Vollzug IST.

Beim Menschen ist genau dies, was bei ihm in Ähnlichkeit, also Analogie da war, in der Sünde auseinandergefallen. Weil er sich vom Einen, dem Urbild seines Ganzen, abgewandt hat. Ihm ist nun Hintereinander, Nacheinander, was in Gott eins war und ist.

Schrift ist deshalb in ihrer eigentlichen Form Abbild vom Urbild, und Fenster zum Unendlichen Geist. Und jeder, der sich viel mit Schriftsprache auseinandersetzt, wird bestätigen, daß im Schreiben die reinste Form des Denkens welthaft wird. Der Schriftsteller, der Philosoph DENKT IM SCHREIBEN, bestenfalls (weil flüchtig) noch im Gespräch. Und sonst nicht.

Damit ist auch klar, daß ein gesprochener, noch mehr aber ein geschriebener Text immer verweisenden Charakter hat, sich nie selbst genügen kann, sondern als Kommunion für Sprechenden wie Hörenden da ist. Sie ist wie ein Molekül, dessen Bindungsverlangen nach vielen Seiten ausgreift. Und in gewisser Weise auch in dieser Beidseitigkeit entsteht. Jeder Schreibende, jeder Sprechende spricht FÜR jemanden. Und wenn es nur einer ist. Und wenn es nur Gott ist.

Schrift - Bild, Ikone - ist aber auch Erinnerungshilfe, so daß ein Bild aufs andere kommen kann - Denken als Gebäude möglich wird. Sie weist mehr noch auf eine Erinnerung hin, die allen Menschen gleich ist, nur in vielem vergessen, verdrängt, abgelehnt wurde. Eine Erinnerung an die Fundamente der Welt. Die ein Bild sind. Das eine Grammatik enthält. Die Grammatik der Welt.

Die ursprünglich allen Menschen gleich war, und die innere Nähe aller Sprachen zueinander begreiflich macht, in der sich alle Menschen auch heute noch letztlich verstehen können.

Ich bin vor 12 Jahren nach Ungarn gezogen. Und habe mich bis heute geweigert, auch wenn es nicht immer leicht war, die Sprache zu lernen. Ich habe dabei von Anfang an die Erfahrung gemacht, daß das für eine Alltagskommunikation auch gar nicht notwendig war. Es gab noch so viel, das eine Kommunikation möglich machte, Geste, Tonfall, Laute, nur als Beispiele, daß ich für die alltäglichen Dinge auch so durchkam. Es genügte Aufmerksamkeit. Und Rückgriff auf menschliche Erfahrung.

Wenn eine solche Kommunikation auch nicht immer leicht ist. Weil sie ursprünglich von einer einzigen Tradition ausging, von einer einzigen Weitergabe und von dort aus immer wieder weitergegeben wurde und wird, die heute - das ist der Inhalt der Erzählung vom Turm zu Babel, die Ursache dafür liegt im Hochmut, in der Abweisung der Spache der Sprache - in viele Teileigenheiten und -traditionen zerfallen ist.

Denn es ist nicht nur in allen Sprachen eine Erinnerung enthalten, die weitergegeben wird, sondern auch in ihrer Einzeltradition ist die einem weitergegebene Sprache das Fundament der eigenen Weltsicht, des eigenen Denkens. Als Sprechen und Denken IN ewigem Raum, an einem Ort, in einer Landschaft und Kultur. Eingeschränkt, spezifisch.

Das Erinnerte bildet dann den Boden jeder Person, jedes Menschen. Wer einmal mit Alzheimer-oder Demenz-Patienten zu tun hatte, weiß, daß diese mit der Erinnerung auch ihre Persönlichkeit verlieren, nicht mehr greifbar werden, so etwas wie "verschwinden" - weil die gewirklichte Gestalt der Person, die es nur in einem In-der-Welt-sein geben kann, also mit Bezügen, nur durch Erinnerung in der Welt bleibt. Dem Demenzkranken, oder machen wir es einfacher: dem Vergeßlichen, ist es nicht möglich, Persönlichkeit zu bewahren. Und umgekehrt. Der Unsittliche zeigt auch immer ein "schlechtes Gedächtnis". Das erst heißt, alle Bezüge in sich zu tragen und zu repräsentieren. Er wird in vollem Sinn wieder zum Kind, auch in seiner Verdienstlosigkeit.

Das heißt, daß ihm das entschwindet, was ihm als Mensch und Persönlichkeit übergeben wurde und laufend wird. Durch die Eltern, aber auch und je älter jemand wird, desto mehr durch die weitere oder engere Umgebung. Weil alles Welthafte, alles Dingliche auf dem Wort beruht, sind auch alle Dinge, die Welt, Erinnerungsträger, und damit Gerüst und Stütze einer Persönlichkeit. Der Demenzkranke, der Erinnerungslose kann nur diese Dinge nicht mehr lesen. Oder ... will sie nicht mehr lesen. Wie es bei manchen sogenannten Geisteskranken oft so deutlich erkennbar ist. Die Verweigerer mehr sind als angeblich Kranke.

Damit ist es die Erinnerung, die einem Menschen in dem Maß Freiheit, also Verfügungskraft über seine Möglichkeiten zu haben - das alleine zeigt schon die Verbindung von Freiheit mit dem Guten - als die Umgebung einerseits der Sprache der Sprache wahrhaftig, gerecht wird, und auch, als er den Dingen richtig, wesensgemäß begegnungsfähig und vor allem begegnungswillig ist.

Und damit auch in dem Maß, als diese Umgebung auch wahrhaftig ist. Also in ihrer Sprache das symbolisiert, was auch dem Kind (weil allen Menschen gleichermaßen) zugrunde liegt und ihm somit Welt wie Transzendentes erschließt. Als Wahrheit. Die als Schönheit sichtbar, im Guten erfahrbar und im eigenen Tun als Ergreifen der Wahrheit lebendig wird.

Ebenfalls heute) Fortsetzung - Teil 4/2



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