In diesen Tagen beginnt die Ausstrahlung des neuesten Films von Marijn Poels "Paradogma" in ausgewählten Programmkinos. Darin setzt sich der niederländische Filmemacher wie angekündigt mit einem Thema auseinander, das ihm bei seinem letzten Film über das Klima, bei dem er es wagte, ganz offen und fast naiv unvoreingenommen an das Thema heranzugehen, immer mehr aufgestiegen war. Denn seine Erfahrungen waren für ihn bedrückend. Er erlebte, daß das bloße Hinsehen genügt, zum Ausgestoßenen zu werden. Denn Hinsehen ist gefährlich geworden. Es könnte die zu habende Meinung gefährden und hinterfragen.
Allein diese Grundlage aller Vernunft zu ergreifen genügt, um zur Gefahr zu werden. Ohne daß wir es viel gemerkt haben, hat sich das öffentliche Denk- und Redeklima auf eine Weise verschärft, die viele Menschen als ständige Bedrückung und Verharren in einem Zustand der Angst und Vorsicht erleben. Etwas, das wir nur von einem Leben unter totalitären Regimen kennen, denen jedes eigenständige, freie Denken der Menschen zur Gefahr wird, weil es ihren "Gesamterfolg" gefährdet.
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Dennoch muß man etwas subtiler an das Thema herangehen. Denn allzu leicht vergißt man, daß das "Dampfablassen", das "freie Äußern seiner Meinung" nicht alles sein kann. Mit dem allzu rasch die Illusion entsteht, daß man "mitredet", daß man "dabei ist". So kann "freie Meinungsäußerung" gerade in Medien, die uns nur ein paar Tastenklicks abverlangen, die Frage nach der Wahrheit auch vernebeln.
Die eine Frage des Tuns, der Sittlichkeit ist, nicht der "richtigen Lösungen". Gerade in den Schichten, die sich und ihre Meinungsfreiheit bedrückt und bedroht sehen, läßt sich nämlich oft dieselbe Haltung feststellen wie in jenen, die bedrücken und bedrohen. So daß es nur um Grenzverschiebungen geht, nicht um eine fundamentale Abweichung von Sichtweisen, die für beide Gruppen unhinterfragbare Gewißheiten sind. Die zu hinterfragen plötzlich alle beträfe. Erst dort aber begänne jene wirklich kritische Haltung, die dem System gefährlich würde: Als Kritik an Relativismus und Liberalismus.
Der Kampf um Meinungsfreiheit" in unseren Ländern trägt somit vielfach den Charakterzug eines Kampfes um die Eignerschaft und Mächtigkeit am selben, unveränderbaren System. Dieses System aber trägt das Problem, das das zu beobachtende Unbehagen der Menschen an dieser Zeit bewirkt. Solange das nicht erkannt wird, ist der Tanz um "freie Meinungsäußerung" lediglich eine Facette derselben Brot und Spiele-Mentalität. Ist eine Forderung nach Teilhabe an jener Arena, in der um Meinungen gekämpft wird ohne zu sehen, daß die wirkliche Welt da draußen abläuft - außerhalb der Zuschauerränge, die auf einem Anhänger stehen und von ganz anderen Kräften in eine Richtung gezogen werden, ohne daß es jemandem noch auffällt oder stört. Unsere Länder sind nämlich zu reinen Sandkästen verkommen. Lassen wir es nicht dabei bewenden, um den Eimer und die Schaufel zu streiten.
Es geht nicht um die Aufklärung und deren Tod, wie Poel in dem Film zu zeigen versucht. Oder um deren "Rettung". Würde die Aufklärung wirklich tot sein, müßte man Feuerwerke abschießen. Sie selbst ist die Illusion, sie ist die Utopie, die Täuschung über Welt und Mensch. Es geht um die Gestalt, es geht um die Form als jenes Prinzip, das die Welt trägt, ja überhaupt erst Welt sein läßt. Die Gestaltbegegnung ist. An deren Anfang, als erstem Glied einer nie unterbrochenen Kette der Zueinanderordnung, die Gestalt Gottes steht. So daß die Wahrheit nicht das Ergebnis eines Disputs ist, sondern eine sittliche Frage, in der die Verfleischlichung der Wahrheit als Analogie zu Gott, der die Wahrheit ist, Welt sein läßt - oder nicht.
Es braucht freie Meinung, ja, es braucht ein öffentliches Klima, in der die Freiheit des individuellen Zugangs zu Weltfragen gewährleistet ist, ja. Aber das ist nur ein Hilfsmittel zum eigentlichen Weltgeschehen. Noch niemand hat durch "Meinung" seine Gestalt, seinen Platz in der Ordnung, seinen Ort verbessert. Aber viele haben dadurch ihren Ort verloren. Und damit die Welt.
Man kann gespannt sein, wie Poels das Thema aufarbeitet.
Bleibt noch anzumerken, was Poels als letzten Teil seiner Dokumentations-Trilogie plant. Es soll ein Film über das "Kleine" werden. Denn alle wollen heute das Große retten. Das Klima. Die Kirche. Die Politik. Die Umwelt. Die Welt. Aber was ist überhaupt Welt? Wirklich ein großes System, das für sich adressierbar ist? Oder IST Welt nicht nur und erst dort, wo sie ganz konkret wird, und das ist immer im Kleinen? (Und generiert nicht genau aus diesem Mißverständnis heraus der Totalitarismus den Zwang, alles bis ins Kleinste zu regulieren?) Leiden wir denn nicht gerade daran, daß sich Welt nicht mehr konstituiert, nicht mehr bildet, weil uns genau durch dieses Große der Sinn entgleitet, weil uns mit allen diesen Themen (und der Art, wie wir damit leben, namentlich den Medien) auch die Welt selbst wie Sand durch die Finger gleitet?
Weil wir ständig die Ebene verfehlen, die uns als bzw. in Identität angemessen wäre, ja die zu unserem Ort (und damit zum Wesen unserer Existenz) gehört. Daraus muß sich zwangsläufig ein großes "Lebens-Burn-Out" ergeben*. Denn Burn-Out, sagt Poels ziemlich richtig, ist eine Folge davon, daß jemand eine Identität lebt (oder gar leben muß), die nicht seiner genuinen Identität entspricht. Der dritte Teil könnte also recht interessant werden.
Es braucht freie Meinung, ja, es braucht ein öffentliches Klima, in der die Freiheit des individuellen Zugangs zu Weltfragen gewährleistet ist, ja. Aber das ist nur ein Hilfsmittel zum eigentlichen Weltgeschehen. Noch niemand hat durch "Meinung" seine Gestalt, seinen Platz in der Ordnung, seinen Ort verbessert. Aber viele haben dadurch ihren Ort verloren. Und damit die Welt.
Man kann gespannt sein, wie Poels das Thema aufarbeitet.
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Bleibt noch anzumerken, was Poels als letzten Teil seiner Dokumentations-Trilogie plant. Es soll ein Film über das "Kleine" werden. Denn alle wollen heute das Große retten. Das Klima. Die Kirche. Die Politik. Die Umwelt. Die Welt. Aber was ist überhaupt Welt? Wirklich ein großes System, das für sich adressierbar ist? Oder IST Welt nicht nur und erst dort, wo sie ganz konkret wird, und das ist immer im Kleinen? (Und generiert nicht genau aus diesem Mißverständnis heraus der Totalitarismus den Zwang, alles bis ins Kleinste zu regulieren?) Leiden wir denn nicht gerade daran, daß sich Welt nicht mehr konstituiert, nicht mehr bildet, weil uns genau durch dieses Große der Sinn entgleitet, weil uns mit allen diesen Themen (und der Art, wie wir damit leben, namentlich den Medien) auch die Welt selbst wie Sand durch die Finger gleitet?
Weil wir ständig die Ebene verfehlen, die uns als bzw. in Identität angemessen wäre, ja die zu unserem Ort (und damit zum Wesen unserer Existenz) gehört. Daraus muß sich zwangsläufig ein großes "Lebens-Burn-Out" ergeben*. Denn Burn-Out, sagt Poels ziemlich richtig, ist eine Folge davon, daß jemand eine Identität lebt (oder gar leben muß), die nicht seiner genuinen Identität entspricht. Der dritte Teil könnte also recht interessant werden.
*Wer das Eigene nicht kennt, seinen Ort, also seine Identität (und das hat mit Bewußtheit nichts zu tun), der greift praktisch ständig nach den Ebenen und Bereichen anderer. Weil er im Aufforderungscharakter der Dinge diese nicht nach Zubehörigkeit zu sich ordnen kann, also ständig Angst hat, das Seine zu verfehlen, zu kurz zu kommen.
*131118*