Teil 4) 
Erneut relativiert Morse. Denn genau dasselbe kann man über linksgerichtete Katholiken sagen. Warum wird ein Joe Biden (demokratischer Vizepräsident unter Obama) nicht exkommuniziert, der sich öffentlich für Abtreibung ausspricht? Es ist falsch zu sagen, daß Juden für die Abtreibung sind. Es sind einige linksgerichtete Juden, die sich dafür aussprechen. Gut, ja, die generelle jüdische Position ist hier liberaler als die im Katholizismus. Das geht auf einen Beschluß von Rabbinern im Mittelalter zurück. Nachdem man die Sache ein Jahr lang diskutiert hatte, kam man zum Entschluß, daß der Fötus erst nach vierzig Tagen im Mutterleib beseelt wird. Wenn man darüber nachdenke, wer die Abtreibung propagiert habe, müssen man doch auch Katholiken nennen, die maßgebend waren?!
Das
 weist Jones zurück. Es sind Zeugnisse von Juden selbst, die bestätigen,
 daß die Liberalisierung der Abtreibung in den USA von Juden ausging. 
Ohne sie hätte es das nicht gegeben. Dasselbe sei vom Bolschewismus 
zusagen: Ohne Juden hätte es ihn nicht gegeben. Sie betrieben seinen 
Durchbruch. Und das Problem beginnt genau dort, wohin sich Morse immer 
wieder zurückzieht. Wenn er sagt, daß all das nicht jüdischer Theologie 
entspreche. Wer aber legt das fest? Wo ist "das Judentum" definiert und 
erfaßbar? Wer bestimmt es? Chuck Morse? Das Judentum ist schlicht und 
ergreifend nicht definierbar. Also kann es auch keine Seite geben, die 
"unjüdisch" ist, denn jede sagt das von jenen Juden, die nicht ihren 
Ansichten und Interpretationen zustimmen. Das Argument, daß die Tora 
einen Grundstock vorgebe, der eindeutig ist, ist in dem Moment 
hinfällig, wo es nicht auch eine Auslegungstradition gibt, die eindeutig
 ist. Das aber hat es im Judentum nie gegeben.
Freilich,
 es zeigt sich das ganze Dilemma des gegenwärtigen Pontifikats. Denn es 
ist ein Jude, der darauf hinweist, daß diese Eindeutigkeit auch bei der 
Kirche - trotz ihrer Strukturen, durch Hierarchie klar bezeichenbar - nicht mehr gegeben ist. Und zwar 
durch diesen Papst. Dabei hat sogar er, der Jude, in moralischen Fragen 
immer wieder auf die Kirche hingehört. Es bleibt Jones nur das 
historische Argument: Die Kirche hat früher eine klare Position gehabt. 
Und dieser widerspricht das Judentum zwar, aber die Kirche hat immer 
festgehalten, daß das alles kein Recht darauf gibt, Juden etwas Böses 
zuzufügen. Umgekehrt gibt es keinem Juden das Recht, die Moral, den 
Glauben, die Ordnung einer Gesellschaft zu attackieren. An sich ist aber
 das Evangelium klar "anti-jüdisch", man lese nur das 
Johannes-Evangelium. Es gibt zwischen Judentum und Katholizismus einen 
Konflikt, der niemals beseitigt werden kann.
Morgen Teil 5)
*021118* 
 
