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Sonntag, 23. Dezember 2018

Geburt aus dem Eid (4/2)




Audio + Video Teil 4/2






Teil 4/2


In diesem Sinn kann es auch Tradition - vor allem wo sie lange schon währt, denn über kurze Frist kann auch eine Täuschung bestehen, wenn auch nur auf ihre Art - nur als Gutes geben. Denn was nicht gut ist, ist nicht wahr, und es muß deshalb vergehen. Irgendwann vergeht alles, was nicht gut, nicht schön, nicht wahr ist. Weil ihm das Sein fehlt, zu dem es die Teilhabe nicht aufrecht halten kann.

Diese Tradition wird aber nicht einfach nur durch Personen in aktuellen, heutigen Akten und Gesprächen und Ansprachen vermittelt. Sondern sie lebt in allem, was die Menschen, die einem bei der Geburt schon voraus gegangen sind, in ihrem Leben gewirklicht haben. Womit die Welt, sagen wir, vollgestellt ist, in die wir geboren werden, und die im Ergreifen dann unsere Welt wird.

Als Kultur, in der wir leben. In einem Volk als Gemeinschaft der sich ans selbe Erinnernden, also mit einer gemeinsamen Geschichte, in seinen Gewohnheiten, seiner Sprache, seinen Bräuchen und Kulten und Riten, seinen Tänzen und Liedern, kurz in allem, was das ausmacht, was man Lebensvollzug nennt. Dort liegt auch unsere Basis als Individuum, weil wir uns zu allem diesen auch verhalten. Also kommunizieren. Einzelner und Tradition haben damit etwas Unauflösbares, weil die Kommunikation wie gesagt zwei Seiten braucht, sonst fällt Sprache ins Leere, löst sich auf.

Man muß dazu auch die Seite sehen, daß ein Mensch, der ja auch leiblichen Ursprung hat, durch das ihm Mitgegebene auf diese Umgebung hin vorgeprägt ist. Der mitgegebene Leib ist das Sehwerkzeug, um es einfach zu sagen, die Raumstation, von der aus man der Welt begegnet. Der man nie entfliehen, die man bestenfalls und langsam etwas verändern kann. Über den Geist als einzige Brücke, damit ... über die Gnade, also nicht von uns alleine zu schaffen. Weil, wie gesagt, die Sprache der Sprache nicht aus uns kommt, sondern uns voraus geht. Wir haben also einen Leib, eine Basis, mit all ihrer Geschichte. Auch in negativen, verweigernden Haltungen, was immer heißt: Ein Gut ausklammernd. Aber genau so und noch weit mehr in allem, was uns überhaupt ausmacht. Was uns ... über die Sprache, über die wir verfügen, und damit erst über die Grammatik denken läßt. Was uns jenen Boden gibt, auf dem wir stehen. Von dem aus wir urteilen und planen.

Wenn es heute also Meinung ist, was man als Postmoderne bezeichnet, daß sich jeder Mensch zur Lebenserfüllung in einen Zustand der "tabula rasa" bringen muß, wo es keine vorgegebenen Gedanken und keine vorgegebene Grammatik gebe, so ist das nicht nur sinnlos und unmöglich. Es ist selbstzerstörerisch. Und daneben ist es auch müßig eine Sprache zu suchen, die keine "Macht" oder "Hierarchie" enthält. Als Wille und Absicht. Das tut sie notwendig, sonst gäbe es Sprache gar nicht, sonst gäbe es keine Grammatik als geistiges System, als Struktur von Beziehungen, und damit keine Sprache.

Der Mensch erhält die Sprache, er erhält die Erzählungen, die nicht nur "Inhalte" weitergeben, sondern die in sich jene Basis und Weltstruktur enthält, aber auch an ihrem Ursprungsende sozusagen die Grammatik des transzendenten Seins, des Wortes, der Wahrheit (die bereits die welthafte Gestalt der Sprache der Sprache ist), die zuerst einmal die Basis aller seiner weiteren Urteile und Entscheidungen bildet.

Wer die Tradition ablehnt, lehnt zuerst einmal sich, und darin seine Vorfahren ab. Er vertraut ihnen nicht, und damit sich selbst nicht. Das ist der wirkliche Grund, warum wir social media brauchen. Sie sind die ständig notwendige Selbstvergewisserung, weil wir uns nicht mehr trauen, weil wir unseren Vorfahren nicht mehr vertrauen.

Gerade zu Weihnachten erleben wir etwas Besonderes. Wir erleben, daß sich das Geheimnis der Welt in einer Erzählung kundtut. Und Erzählung heißt: Einer dargestellten Grammatik. Einer mündlichen Erzählung, die in der Schrift leichter erinnert werden kann, deren Schriftzeichen zumindest Bojen sind, die uns zu den innersten Inhalten der letztlich transzendenten oder transzendenzoffenen Sprache führen.

Und diese Offenheit hat Sprache übrigens immer. Deshalb ist es durchaus lohnenswert, auch dem Lügner genau zuzuhören. Letztlich sagt er die Wahrheit, oder eine Wahrheit, nur auf eine andere Art. Und irgendwann verrät er sich. Irgendwann führt sich die Lüge ad absurdum, und verkündet die Wahrheit, als Grund, warum sie zur Lüge umformiert wurde. Also zur Täuschungsabsicht über die Welt wurde. Aus der heraus man eine andere, neue Welt schaffen wollte. Sie ahmt damit Gott nach, will sein wie Gott. Lüge und erste Sünde liegen wie im Ehebett beieinander.

Damit kehren wir zum Anfang dieser Ausführungen zurück. Daß die Sprache in seinen Urgründen ein Eid ist. Ein Versprechen auf Weltschöpfung. Unsere Sprache ist die ikonenhafte Offenbarung jener Sprache, auf der die Welt insgesamt beruht.

Die Erzählung enthält die Grammatik der Welt, haben wir gesagt. Umso mehr trifft das auf die Erzählungen vom Anfang der Welt zu. So ist es auch bei Weihnachten, diesem neuen Anfang der Welt. Im Weihnachtsevangelium. Und wird in der Lesung am ersten Weihnachtstag, dem Prolog des Johannes Evangeliums, ausgelegt. Wo die tiefe Grammatik der Weltschöpfung, die Eidhaftigkeit des Wortes vor Augen steht: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.

Indem dieses Wort auf die Erde kommt, fleischlich wird - als Gestalt, in der alles enthalten ist: als fleischgewordener Gott, der zugleich in einer der drei Personen Mensch, also Sohn Gottes ist - wird die Welt tatsächlich neu geboren, weil nicht nur durch eine Ikone, sondern durch den nunmehr welthaft gewordenen, Fleisch gewordenen Urgrund neu geschaffen.

Die Welt erhält in ihrem weltlichen Kreislauf, in dem sie gewissermaßen in sich steht bzw. stehen sollte, der ohne Verbindung mit Gott, dem Sein, aber nicht sein kann, diese Bestandsquelle neu zurück. Gott wird eingeschleust gewissermaßen in diesen Kreislauf der Sinne und Beziehungen, der die Welt ist.

Es sind ja die Sinne, über die wir an jenem Außen teilhaben können, das uns grundlegt und dann immer wieder von neuem nährt, also bestehen läßt, was dem Menschen als Ebenbild Gottes zubedacht war. Die in der Ähnlichkeit enthaltene Disposition der Teilhabe an jener innergöttlichen Gnade, zu jener Liebe, in der Gott ist, und Fleisch geworden wieder unter uns weilt. Und nun wie im Paradies unter uns wandelt, und damit auf eine Weise - in der Kirche - die Welt in ein Paradies verwandelt. Jenes Paradies, von dem die Propheten gekündet haben, daß es eines Tages kommen wird - in der Fleischwerdung Gottes.

An ihn angebunden, und nur insoweit, sind wir Bewohner dieses Paradieses. Dessen Vollgestalt freilich noch nicht da ist, dazu muß das Schlechte wie bei der Ernte als Spreu ausgesondert werden. Beim Jüngsten Gericht. Aber wir Getaufte dürfen bereits in dieser geistigen Welt und Wirklichkeit leben. An der wir freilich nur im Glauben ganz teilhaben können. Aber einmal, nach dem Jüngsten Tag, werden wir nicht mehr glauben müssen, sondern werden es sehen.

Im Weihnachtsfest machen wir diesen Anfang Realität. In dem Paradies gehörigen Spiel des Ritus, des Kultes, der in den Gebräuchen deren konkrete Weltwerdung vollzieht. Uns damit zeigt, wie Geist Welt wird, so wie Gott Mensch wurde.

Lassen wir uns das deshalb nicht nehmen. Sondern begehen wir mit heiligem, ehrfürchtigem Ernst jenes Spiel, als das die Welt überhaupt nur sie selbst ist. Mit allen Traditionen, mit allen Gesten und Riten, mit allem Kult. Wie es uns übergeben wurde. So daß wir aus Weihnachten heraus, vom Eid Gottes aus, der sich uns zugesagt hat, der uns seinen Eid gegeben hat, weil er gesprochen hat, weil sein Wort in der Welt ist, in ein neues Jahr gehen, das somit im Wort begonnen zu einer Weltschöpfung wird. Die Wandel und Wechsel zur Eigenschaft hat, damit auch die Jahreszeiten braucht, weil Sein in der Welt - Freiheit - nur jeweils aktiv, im Vollzug an einem Begegnenden, überhaupt da sein kann.

Wir können von hier aus die letzte Linie ziehen. Daß nämlich diese Weltschöpfung in einer Person gründet. Und diese Person wiederum in einem Namen, dem ersten und eigentlichen Wort - Jesus. Dem Grund- und Schlußstein der Welt, in dem er sie in das Universale der göttlichen Gegenwart hebt. Zum himmlischen Jerusalem. Dem Urbild jeder Ikone, jeder Schrift, jedes Wortes, jedes Dings auf der Welt. In ihm ist alles enthalten.

Und so können wir auch unser Sprechen - unserem Hauch - spiritus, spirare, atmen - als Träger (als Träger! als Ikone! nicht als dieser Gott selbst!) des göttlichen Hauchens innerhalb der Dreifaltigkeit - als Weltzeugungsakt begreifen. Das in der Wahrhaftigkeit den Eid - zum schönen, guten, Welt werden sollenden Wort geworden - erfüllt.

Im hinausgestellten Wort ist alles eine Idee aus dem unendlichen logos, dieser nach außen drängenden, lebendigen, beziehungsvollen Grammatik des Geistes. Der sich im Wort in die Welt hebt, die im Gehörtwerden - auch in unserem eigenen Hören, denn wir hören uns selbst, ja denken ist sprechen und hören, ist nicht leise, ist nicht stumm, sondern tönt in uns - bewegt und somit Welt schafft.

Je mehr unser Sprechen zum Eid wird, und in dieser Haltung also Fenster zur Gnade wird, desto mehr schöpferische Kraft haben wir. Weil wir Gott ähnlich sind, und so an seinem inneren Leben teilhaben können.

Das wird uns in Weihnachten durch die Fleischwerdung Gottes des Sohnes wieder geschenkt.


*181218*