Dieses Blog durchsuchen

Dienstag, 18. Dezember 2018

Eine katholisch-jüdische Debatte (2)


Teil 2)




Ja, Juden werden von den Vorstellungen einer Weltherrschaft, wie sie der Neokonservatismus vertritt, angezogen. Morse bestreitet das nicht. Aber das werden auch viele Christen. George Bush oder Dick Cheney sind zum Beispiel keine Juden. (Sie sind vielmehr Mitglieder einer protestantischen Splitterkirche; Anm.) Und Juden lehnen auch den Marxismus ab, ja jede Form von Kollektivismus. Aber auch der Nationalsozialismus war eine messianische Bewegung, und wenn man nun den Kommunismus dem Judentum zuschreibt, könnte man das mit dem Nationalsozialismus und dem Christentum genauso machen. 

Hier hakt Jones ein. Denn warum sind Juden so anfällig für messianische Ideologien? Weil sie eben keinen Messias haben. Und das führt zu einer Logik der Kompensation. Das ist es, warum die These vom prinzipiell revolutionär gestimmten Juden bleibt, weil dies mit der Zurückweisung des Messias Jesus Christus zusammenhängt. 

Morse bestreitet nicht, daß es hier Zusammenhänge gibt. Aber er weist darauf hin, daß sich diese Juden dann im Zustand der Apostasie, des Abfalls vom Judentum befinden. Doch daraus könne nicht bestritten werden, daß - sogar nach den Worten des Neuen Testaments, sogar Jesus bekräftigt das - der Bund Gottes mit dem Volk Israel auf ewig geschlossen ist. Und ewig meint eben das: Ewig. 

Dem hält Jones entgegen, daß die Juden seit der Zeit Christi die Bedingungen ihres auf Abraham und Moses zurückgehenden Glaubens nicht mehr erfüllen können. Denn sie brauchen dazu einen Tempel, das Opfer, eine Priesterschaft der Tradition. Es ist dieses Vakuum, weshalb sie zu politisch-messianischen Bewegungen so hingezogen werden. Natürlich betrifft das nicht jeden einzelnen Juden, nicht von jedem kann man das also sagen. Die Chassidim waren sogar eine Gegenbewegung dazu, sie sind eine Bewegung des Schweigens, nicht revolutionär. Aber grundsätzlich gibt es dieses Vakuum im Judentum, von dort kommt diese Tendenz zu revolutionären, messianischen Bewegungen (wie sie der Kommunismus sind, auf den schließlich auch der Neokonservativismus zurückgeht, usw. usf.). Daraus stammt das "Tikkun Olam"*, also diese Pflicht, die Welt als Ganzes zu heilen. Dabei steht jede religiöse Überzeugung außerhalb des Judentums im Weg. Deshalb propagieren Juden - und sie bestreiten das auch nicht - Dinge wie die Homosexuellen-Ehe.

Das Magazin Tikkun Olam, so Morse, lehne er ab. Es sei ein kommunistisches Magazin, nicht genuin jüdisch. Tikkun Olam selbst sei nämlich nur als Vorbildlichkeit gemeint, solle zur Nachahmung anregen, wie man sein eigenes Leben verbessern könne. Es enthalte nicht den Auftrag, die Welt zu erobern. Wenn Amy B. Dean (Vorsitzende der Century Foundation, die wiederum Gesellschaften fördert, die sich gesellschaftliche Veränderungen auf die Fahne geschrieben haben) öffentlich erkläre, daß die Homosexuellen-Ehe Teil des Tikkun Olam sei, dann deshalb weil sie eben Kommunistin ist. Die auf die Vorschriften wie Juden zu leben haben, einen feuchten Kehricht gibt. Dasselbe gilt für einen Rabbi Michael Lerner, dieser Leitfigur aus der 1968er Bewegung und Herausgeber von Tikkun Olam. Sie sind Kommunisten, keine orthodoxen Juden. 

Wobei Morse zugibt, daß viele Juden (vor allem aus den USA) in die Entstehung des Sowjetkommunismus verwickelt waren, und sich oft leider auch unter den Übelsten befanden. Er sei deshalb der Ansicht, daß sich das Judentum seiner historischen Schuld bewußt werden und öffentlich von dieser Häresie distanzieren müsse. Denn in der jüdischen Religion geht es um Privateigentum, um das Recht auf freien Handel und Wirtschaft, um die Werte der Familie, um den Glauben an Gott, auf Erziehung und Ausbildung etc. sei größter Wert gelegt, sie steht also im unvereinbaren Widerspruch zum Kommunismus. Dessen Ideen freilich viele Juden angenommen haben. Die es in einflußreiche Positionen innerhalb des Judentums geschafft, und es somit korrumpiert haben. 

Aber könnte man dies nicht auch von der Katholischen Kirche sagen? Freilich, sie hat eine klar organisierte Struktur, einen Vatikan, einen Papst, das macht es leichter, sie zu konfrontieren, das ist ein Vorteil, keine Frage. Schon beim Protestantismus hat man deshalb ähnliche Probleme, auch er war in diese kommunistischen Ideen tief verstrickt.


Morgen Teil 3)


*Wörtlich "Die Reparatur der Welt" ist eine Bewegung aus der Frühzeit des Rabbinertums bzw. in der Kabbalah ausgeführt, der geheimen Erlösungslehre des Judentums. In ihr sollen "alle Gefäße zerbrochen werden", um die Menschheit von den Folgen der Ursünde zu befreien. In diesem Gespräch wird es aber auch als Verweis auf das einflußreiche jüdische Magazin "Tikkun Olam" gebraucht.





*021118*