Teil 2)
Ja, Juden werden von den Vorstellungen einer Weltherrschaft, wie sie der Neokonservatismus vertritt, angezogen. Morse bestreitet das nicht. Aber das werden auch viele Christen. George Bush oder Dick Cheney sind zum Beispiel keine Juden. (Sie sind vielmehr Mitglieder einer protestantischen Splitterkirche; Anm.) Und Juden lehnen auch den Marxismus ab, ja jede Form von Kollektivismus. Aber auch der Nationalsozialismus war eine messianische Bewegung, und wenn man nun den Kommunismus dem Judentum zuschreibt, könnte man das mit dem Nationalsozialismus und dem Christentum genauso machen.
Hier
 hakt Jones ein. Denn warum sind Juden so anfällig für messianische 
Ideologien? Weil sie eben keinen Messias haben. Und das führt zu einer 
Logik der Kompensation. Das ist es, warum die These vom prinzipiell 
revolutionär gestimmten Juden bleibt, weil dies mit der Zurückweisung 
des Messias Jesus Christus zusammenhängt. 
Morse
 bestreitet nicht, daß es hier Zusammenhänge gibt. Aber er weist darauf 
hin, daß sich diese Juden dann im Zustand der Apostasie, des Abfalls vom
 Judentum befinden. Doch daraus könne nicht bestritten werden, daß - 
sogar nach den Worten des Neuen Testaments, sogar Jesus bekräftigt das -
 der Bund Gottes mit dem Volk Israel auf ewig geschlossen ist. Und ewig 
meint eben das: Ewig. 
Dem
 hält Jones entgegen, daß die Juden seit der Zeit Christi die 
Bedingungen ihres auf Abraham und Moses zurückgehenden Glaubens nicht 
mehr erfüllen können. Denn sie brauchen dazu einen Tempel, das Opfer, 
eine Priesterschaft der Tradition. Es ist dieses Vakuum, weshalb sie zu 
politisch-messianischen Bewegungen so hingezogen werden. Natürlich 
betrifft das nicht jeden einzelnen Juden, nicht von jedem kann man das 
also sagen. Die Chassidim waren sogar eine Gegenbewegung dazu, sie sind 
eine Bewegung des Schweigens, nicht revolutionär. Aber grundsätzlich 
gibt es dieses Vakuum im Judentum, von dort kommt diese Tendenz zu 
revolutionären, messianischen Bewegungen (wie sie der Kommunismus sind, 
auf den schließlich auch der Neokonservativismus zurückgeht, usw. usf.).
Daraus stammt das "Tikkun Olam"*, also diese Pflicht, die Welt als
 Ganzes zu heilen. Dabei steht jede religiöse Überzeugung außerhalb des 
Judentums im Weg. Deshalb propagieren Juden - und sie bestreiten das 
auch nicht - Dinge wie die Homosexuellen-Ehe.
Das Magazin Tikkun Olam, so Morse, lehne er ab. Es sei ein kommunistisches Magazin, nicht genuin jüdisch. Tikkun Olam
 selbst sei nämlich nur als Vorbildlichkeit gemeint, solle zur 
Nachahmung anregen, wie man sein eigenes Leben verbessern könne. Es 
enthalte nicht den Auftrag, die Welt zu erobern. Wenn Amy B. Dean 
(Vorsitzende der Century Foundation, die wiederum Gesellschaften fördert, die sich gesellschaftliche Veränderungen auf die Fahne geschrieben haben) öffentlich erkläre, daß die Homosexuellen-Ehe Teil des Tikkun Olam
 sei, dann deshalb weil sie eben Kommunistin ist. Die auf die 
Vorschriften wie Juden zu leben haben, einen feuchten Kehricht gibt. 
Dasselbe gilt für einen Rabbi Michael Lerner, dieser Leitfigur aus der 1968er Bewegung und Herausgeber von Tikkun Olam. Sie sind Kommunisten, keine orthodoxen Juden. 
Wobei
 Morse zugibt, daß viele Juden (vor allem aus den USA) in die 
Entstehung des Sowjetkommunismus verwickelt waren, und sich oft leider 
auch unter den Übelsten befanden. Er sei deshalb der Ansicht, daß sich 
das Judentum seiner historischen Schuld bewußt werden und öffentlich von
 dieser Häresie distanzieren müsse. Denn in der jüdischen Religion geht 
es um Privateigentum, um das Recht auf freien Handel und Wirtschaft, um 
die Werte der Familie, um den Glauben an Gott, auf Erziehung und 
Ausbildung etc. sei größter Wert gelegt, sie steht also im unvereinbaren 
Widerspruch zum Kommunismus. Dessen Ideen freilich viele Juden 
angenommen haben. Die es in einflußreiche Positionen innerhalb des 
Judentums geschafft, und es somit korrumpiert haben. 
Aber
 könnte man dies nicht auch von der Katholischen Kirche sagen? Freilich,
 sie hat eine klar organisierte Struktur, einen Vatikan, einen Papst, 
das macht es leichter, sie zu konfrontieren, das ist ein Vorteil, keine 
Frage. Schon beim Protestantismus hat man deshalb ähnliche Probleme, 
auch er war in diese kommunistischen Ideen tief verstrickt.
Morgen Teil 3)
*Wörtlich "Die Reparatur der Welt" ist eine Bewegung aus der 
Frühzeit des Rabbinertums bzw. in der Kabbalah ausgeführt, der geheimen 
Erlösungslehre des Judentums. In ihr sollen "alle Gefäße zerbrochen werden",
 um die Menschheit von den Folgen der Ursünde zu befreien. In diesem Gespräch wird es aber 
auch als Verweis auf das einflußreiche jüdische Magazin "Tikkun Olam" gebraucht.
*021118*
 
