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Montag, 10. Dezember 2018

Warum Österreich den Migrationspakt nicht unterzeichnet

Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz begründet im (behelfsmäßig eingerichteten) Plenarsaal des Parlaments in Wien am 21. November 2018, warum Österreich dem UN-Migrationspakt, der in diesen Tagen in Marrakesch in Marokko unterzeichnet werden soll, nicht beitreten werde. Denn zwar stimme, daß der Pakt rechtlich keine Verbindlichkeit habe, aber immerhin komme im Text achtzigmal das Wort "Verpflichtung" vor. Es sei also eine Selbstverpflichtung. Die aber zur Heuchelei werde. Zum einen, weil der Pakt keine Unterscheidung zwischen "Flüchtling" (Asyl) und "Zuwanderer" (Migrant) beinhalte. 

Österreich will sich aber im Falle der Zuwanderung das Recht vorbehalten zu entscheiden, wer zuwandern dürfe, wen man wolle oder brauche, und wen nicht. Zum anderen, weil damit Österreich nicht willens sei, eine Selbstverpflichtung wie sie der Migrationspakt ausdrücke, zu erfüllen. Das würde man mit Gewißheit auch von vielen anderen der zahlreichen Staaten sagen können - man könne ja den Einhaltungsstatus in drei Jahren überprüfen - die jetzt unterzeichnen. 

Im übrigen könne man nicht davon sprechen, daß hier Österreich seine Bereitschaft zur bilateralen Lösung von politischen Fragen grundsätzlich in Frage stelle. Viele Staaten werden diesem Pakt ebenfalls nicht beitreten, darunter auch einige Nachbarländer nicht.* Und warum sollte das auch nicht sein? Die Bereitschaft zur internationalen Zusammenarbeit könne sich nicht daran messen, ob die einzelnen Staaten in jeder Frage zu gleichen Ansichten kämen. (Siehe auch hier.)

Was aber wirklich interessant dabei ist? Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz vermeidet sehr elegant und wortreich - man könnte es "sophistisch" nennen, "eloquent" reicht da nicht - die für jeden Staat wahren und tieferen Gründe für die Verweigerung der Zustimmung zum UN-Migrationspakt zu nennen. Er bietet an, was leicht zu verkaufen ist, und was rasch mal gekauft wird. Und das, werte Herrschaften, wird ihm - nein, uns, uns Österreichern, und auch, Euch Deutschländern - eines gar nicht fernen Tages noch auf den Kopf fallen. Denn das könnte, nein, das wird sich, eiderdautz, eines gar nicht fernen Tages als "übertriebene Vorsicht" erweisen, die die "Realität" längst widerlegt.  Warum also nicht in drei, fünf Jahren DOCH beitreten?

Und das könnte schneller virulent werden, als derzeit gedacht wird, auch in Österreich.  Oder hat der Leser schon einmal etwas davon gehört, daß das EU-Parlament vor hat, noch bis März Gesetzesvorschläge für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem beschließen möchte? Da können und da werden noch ganz andere Probleme auf Österreich und all die tapferen Staaten im EU-Raum, die derzeit Widerstand leisten, zukommen. 

Vielleicht gab es deshalb so wenige Reaktionen der Befürworter eines solchen Pakts. Weil sie in Ruhe abwarten können, sie werden doch eines Tages "siegen". Und so ist es vielleicht eine Scheinruhe für die anderen, weil die Ablehnung ein bloßes Scheingeklappere sein könnte. Das schizothyme Gerede, das man aus Brüssel hört, läßt nichts Gutes erahnen. Wo es heißt, daß man zwar eine gemeinsame Regelung beschließen möchte, aber natürlich - natürlich! - jeder Staat seine volle Souveränität bewahren kann. Das ist doch ein Widerspruch in sich?





*Nachtrag: Bis zum heutigen Tag haben einen solchen Schritt die Länder Österreich, Lettland, Ungarn, Polen², Tschechien, Bulgarien, Slowakei, USA, Dominikanische Republik, Australien, Israel und (vielleicht auch) Italien angekündigt. Die Schweiz hat die Sache zumindest einmal aufgeschoben. Dänemark wird zwar unterzeichnen, hat aber bereits eine Liste mit Vorbehalten aufgesetzt, die es für sich reklamiert. Und in Belgien scheint sich, glaubt man Medienberichten, das Land - einmal mehr - zu spalten. Denn die schwächere Seite der Koalitionsregierung will die vom stärkeren Part beschlossene Zustimmung keineswegs einfach hinnehmen. Hier sei man an einem Punkt, liest man, wo kein Kompromiß möglich ist.

Österreich wird darüber hinaus auch den UN-Flüchtlingspakt, der im Windschatten des Migrationspaktes kaum noch öffentlich diskutiert wurde, nicht unterzeichnen, sondern nur "zur Kenntnis nehmen". (Siehe auch hier.) Er enthalte nichts, was nicht die Genfer Flüchtlingskonvention bereits enthalte, habe aber das Potential, durch die Etablierung von Begriffen wie "Klimaflüchtling" Verwirrung zu stiften. Und das ist wohl auch richtig. Denn folgt man den Argumenten der Klimaapokalyptiker, dann fällt bald kein Blatt mehr vom Baum, ohne daß die "mensch=westlicher Mensch-gemachte Klimakatastrophe" daran die Schuld trägt.

Nachtrag vom 10. Dezember 2018: Offenbar kursieren zum Verhalten Österreichs zum Flüchtlingpakt (nicht zum Migrationspakt) widersprüchliche Meldungen. Wie Medien vermelden, sei eine Äußerung von H. C. Strache (FPÖ) mißinterpretiert worden. Der da geäußert hatte, daß Österreich auch diesem Pakt nicht zustimmen, ihn nur "zur Kenntis nehmen" werde. Das dürfte so nicht stimmen! Wie man nun liest, wird Österreich bei der UN-Abstimmung FÜR diesen weiteren Pakt stimmen, der, wie man allerorten liest, im Grunde den Migrationspakt zu Teilen zumindeste mit enthält. "Nicht unterzeichnen" sei insofern keine Lüge gewesen, liest man, als es nichts zu unterzeichnen gäbe. Der Pakt sei in der Form eine UN-Resolution gehalten. Bleibt die Tatsache, daß auch Straches Aussage, daß der Flüchtlingspakt (oder wie immer es nun heißen soll) nichts enthalte, was nicht in der Genfer Flüchtlingskonvention enthalten sei, nicht stimmt.

Wurden die Österreicher hier getäuscht und hintergangen? Nicht nur nämlich, daß von diesem zweiten Pakt lange überhaupt keine Rede war - er ist "zufällig" erst vor wenigen Wochen "aufgetaucht", als hätte er verschwiegen werden sollen - wird das Land nun einfach vor vollendete Tatsachen gestellt? Uner anderem vor die Tatsache, daß es zukünftig nicht mehr die Staaten sind, die freiwillig entscheiden, ob sie Flüchtlinge aufnehmen oder nicht, sondern diese vom UNHCR zugeteilt bekommen. Angesichts einer Ausweitung des Flüchtlingsbegriffs (samt der diesen zugeschriebenen Versorgungsrechte), die manche als "Umschreiben der Menschenrechte" deuten, das die Rechte indigener, angestammter Bevölkerungen mit Füßen tritt, kann das nur Böses ahnen lassen. 

Hier wurde offensichtlich links angedeutet (Migrationspakt als Ablenkungsmanöver), und rechts überholt (Flüchtlingspakt). Der Effekt ist derselbe: Laut der ausgewiesenen Menschenrechts- und Völkerrechtsexpertin Rebecca Sommer beträgt die Quote des UNHCR für den EU-Raum 20 % der (weltweiten) Flüchtlinge. Und das bei dem nunmehr ausgeweiteten und damit vernebelten Begriff!

Vielleicht erklärt das auch die seltsam selektive Wahl der Argumente von Kurz vor dem Parlament. Die selbst von ihm schon mehrmals angeführten schlagenden Argumente läßt er hier außen vor. Weil er bereits wußte, daß das dem Flüchtlingspakt widersprechen würde, sodaß er nicth so angreifbar wäre? Ist Kurz, wie Macron, nur ein nächstes Trojanisches Pferd, mit dem rein aus wahltaktischen Gründen die Wähler getäuscht wwerden sollten? Indem man ihnen den Wind der Empörung aus den Segeln nimmt und so tut, als würde man ihre dingenden Anliegen doch ernstnehmen, in Wahrheit aber nur - in "Sündebock-Ersatz-Funktion" - das "Migrationsthema" scheinbar dem Volkswillengemäß abhandelte, was nichts sonst hieß als es zu kaschieren?

²Wie man aktuellen Nedienberichten vom 10. Dezember 2018 entnehmen kann (auch hier) ist Polen ttrotz seiner ablehnenden Position in Marrakesh vertreten. Wie man gleichfalls liest, ist die Regierung Belgiens über der Frage tatsächlich zerbrochen. Der verbleibende Rest muß nun als Minderheitsregierung fortzuregieren versuchen. Der Pakt wird aber unterschrieben. Die Schweiz ist nicht anwesend, dort soll eine Entscheidung im Bundesrat abgewartet werden.





*031218*