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Montag, 17. Dezember 2018

Eine katholisch-jüdische Debatte (1)

Ist der Neokonservatismus eine jüdisch-messianische, letztlich auf den Trotzkismus zurückgehende revolutionäre Bewegung - oder ist er die Bewegung messianisch denkender und fühlender Menschen, von denen einige auch Juden sind? Ist das Judentum selbst eine revolutionäre Bewegung, die aus der Zurückweisung des fleischgewordenen Logos, Jesus Christus, das Judentum zutiefst als eine gegen Gott, das Wort gerichteten Religion nach dem Kreuzestod Jesu entstanden ist? Das sind die Kernfragen dieser spannenden Debatte zwischen dem Katholiken E. Michael Jones und dem Juden Chuck Morse. 

Morse bestreitet diesen Vorwurf. Indem er zwischen eigentlichem Judentum und verschiedenen Formen messianisch-revolutionärer Häresien unterscheidet. Das traditionelle Judentum sucht Spiritualität, und in dieser die Schaffung der Bedingungen für die Herabkunft des göttlichen Messias. Es lehnt die Verknüpfung dieser Heilserwartung mit allen Formen von politischem, charismatischem Messianismus ab. Auch wenn unbestritten ist, daß viele Juden eine gewisse Affinität zu solchen Bewegungen haben. Wenn Jones sich also auf diesen Charakterzug bezieht, dann meint er diese Juden, die aber vom orthodoxen Judentum selber abgelehnt werden. Mit gleichem Recht könnte man ja sonst auch davon sprechen, daß verschiedene christlich-messianische Strömungen (wie im Calvinismus und allein seinen Afterformen, im Hussitentum, oder in der Bewegung der Wiedertäufer) das Christentum (den Katholizismus) selbst repräsentieren. 

Was Jones natürlich bestreitet, was die Kirche selbst natürlich bestreitet. Doch sieht er überall dasselbe Problem: In der Zurückweisung des logos (Gott ist Geist, ist Wahrheit) verliert jede kulturelle weil religiöse Bewegung ihre Bewegung, bleibt an einem Punkt stehen. Und entwickelt Methoden, diesen Schritt doch noch zu vollziehen. (Was im übrigen auch die Gnosis behauptet; Anm.) Aber das Entscheidende ist, daß der logos sich herabneigen muß - aus sich heraus kann der Mensch, der auf dem logos, der Vernunft strukturell aufbaut, sich nicht in Gott hinein bewegen. Er braucht diese Gnade, er braucht diese direkte fleischliche Herabkunft Gottes, des Ursprungs von allem. Darin gründet die Hoffnung aller Katholiken, daß sie über den Messias in diesen göttlichen Geist hineingeholt werden.

Chuck Morse sieht das Kernproblem woanders. Er meint, daß allen diesen Fehlentwicklungen die Tatsache zugrunde liegt, daß sich der Mensch nicht als Geschöpf begreift, wie es die Genesis beschreibt. Den eigentlichen Beginn der messianischen Bewegungen setzt Chuck Morse deshalb auch nicht mit der Kreuzigung Christi fest. Vielmehr geht er bereits auf den Hellenismus (und seinen Universalismus; Anm.) zurück, begann also zweihundert Jahre vor Christi Geburt. Mit der großen Rolle, die die Rückkehr aus dem babylonischen Exil darin spielte. Sie erreichte in der Zeit Christi allerdings seinen Höhepunkt (Christus selbst sei deshalb als Teil dieser messianischen Strömungen anzusehen, so Morse), der dann mit dem Tod von Simon bar Kochba (ca. 132 n. Chr.) und dem letzten großen jüdischen Aufstand endete. Als viele Juden und Rabbiner - aber beileibe nicht alle - tatsächlich in diesem den herabgekommenen Messias zu erblicken meinten. Bar Kochba hat damit einen Bürgerkrieg ausgelöst, denn viele Rabbiner waren eben nicht dieser Ansicht.

Entsprechend ist im Talmud, meint Morse, keine neue Religion begründet worden, sondern nach der Zerstörung des Tempels und nach der Diaspora (als die Juden, die nicht hingerichtet oder versklavt wurden, auf römischen Befehl hin in alle Winde zerstreut wurden, also ausreisen mußten) wurde ein Weg gesucht, wie auch ohne das Tempelopfer, Herzstück des "alten" Judentums, trotzdem die Juden als Juden leben, den Willen Gottes erfüllen, und sich vergeistigen konnten, gute Taten zu vollbringen, sich zu heiligen. Weil das aber immer eine Angelegenheit einer "Kirche" (als Versammlung, als letztlich nur von einer Gemeinschaft zu bewahrendes Gut) sein muß, wurde es als Schriftensammlung von Rabbinern angelegt und fortan in den Synagogen zur Auslegung der Thora (die Hl. Schrift, im Wesentlichen also das Alte Testament der Christen) benutzt. 

Die bekannten Stellen, an denen Jesus in der Hölle gesehen wird, wo er in Exkrementen gekocht wird, sind später dazugekommen, und Morse bedauert, daß sie je verfaßt wurden. Sie entsprechen nämlich nicht dem orthodoxen Judentum. Denn in diesem gibt es eine derartige Höllenvorstellung gar nicht. Diese kommt vielmehr aus dem Christentum. Die Juden kennen zwar eine Hölle, verbinden damit aber keine konkrete Vorstellung.



Morgen Teil 2)




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