Ist
 der Neokonservatismus eine jüdisch-messianische, letztlich auf den 
Trotzkismus zurückgehende revolutionäre Bewegung - oder ist er die 
Bewegung messianisch denkender und fühlender Menschen, von denen einige 
auch Juden sind? Ist das Judentum selbst eine revolutionäre Bewegung, 
die aus der Zurückweisung des fleischgewordenen Logos, Jesus Christus, 
das Judentum zutiefst als eine gegen Gott, das Wort gerichteten Religion
 nach dem Kreuzestod Jesu entstanden ist? Das sind die Kernfragen dieser
 spannenden Debatte zwischen dem Katholiken E. Michael Jones und dem 
Juden Chuck Morse. 
Morse
 bestreitet diesen Vorwurf. Indem er zwischen eigentlichem Judentum und 
verschiedenen Formen messianisch-revolutionärer Häresien unterscheidet. 
Das traditionelle Judentum sucht Spiritualität, und in dieser die 
Schaffung der Bedingungen für die Herabkunft des göttlichen Messias. Es 
lehnt die Verknüpfung dieser Heilserwartung mit allen Formen von 
politischem, charismatischem Messianismus ab. Auch wenn unbestritten 
ist, daß viele Juden eine gewisse Affinität zu solchen Bewegungen haben.
 Wenn Jones sich also auf diesen Charakterzug bezieht, dann meint er 
diese Juden, die aber vom orthodoxen Judentum selber abgelehnt werden. 
Mit gleichem Recht könnte man ja sonst auch davon sprechen, daß 
verschiedene christlich-messianische Strömungen (wie im Calvinismus und 
allein seinen Afterformen, im Hussitentum, oder in der Bewegung der 
Wiedertäufer) das Christentum (den Katholizismus) selbst 
repräsentieren. 
Was
 Jones natürlich bestreitet, was die Kirche selbst natürlich bestreitet.
 Doch sieht er überall dasselbe Problem: In der Zurückweisung des logos (Gott
 ist Geist, ist Wahrheit) verliert jede kulturelle weil religiöse 
Bewegung ihre Bewegung, bleibt an einem Punkt stehen. Und entwickelt 
Methoden, diesen Schritt doch noch zu vollziehen. (Was im übrigen auch 
die Gnosis behauptet; Anm.) Aber das Entscheidende ist, daß der logos sich herabneigen muß - aus sich heraus kann der Mensch, der auf dem logos,
 der Vernunft strukturell aufbaut, sich nicht in Gott hinein bewegen. Er
 braucht diese Gnade, er braucht diese direkte fleischliche Herabkunft 
Gottes, des Ursprungs von allem. Darin gründet die Hoffnung aller 
Katholiken, daß sie über den Messias in diesen göttlichen Geist 
hineingeholt werden.
Chuck
 Morse sieht das Kernproblem woanders. Er meint, daß allen diesen 
Fehlentwicklungen die Tatsache zugrunde liegt, daß sich der Mensch nicht 
als Geschöpf begreift, wie es die Genesis beschreibt. Den eigentlichen 
Beginn der messianischen Bewegungen setzt Chuck Morse deshalb auch nicht
 mit der Kreuzigung Christi fest. Vielmehr geht er bereits auf den 
Hellenismus (und seinen Universalismus; Anm.) zurück, begann also zweihundert Jahre vor Christi Geburt. Mit der großen Rolle, die die Rückkehr aus dem
 babylonischen Exil darin spielte. Sie erreichte in der Zeit Christi 
allerdings seinen Höhepunkt (Christus selbst sei deshalb als Teil dieser
 messianischen Strömungen anzusehen, so Morse), der dann mit dem Tod von
 Simon bar Kochba (ca. 132 n. Chr.) und dem letzten großen jüdischen 
Aufstand endete. Als viele Juden und Rabbiner - aber beileibe nicht
 alle - tatsächlich in diesem den herabgekommenen Messias zu erblicken 
meinten. Bar Kochba hat damit einen Bürgerkrieg ausgelöst, 
denn viele Rabbiner waren eben nicht dieser Ansicht.
Entsprechend
 ist im Talmud, meint Morse, keine neue Religion begründet worden, 
sondern nach der Zerstörung des Tempels und nach der Diaspora (als die 
Juden, die nicht hingerichtet oder versklavt wurden, auf römischen 
Befehl hin in alle Winde zerstreut wurden, also ausreisen mußten) wurde ein 
Weg gesucht, wie auch ohne das Tempelopfer, Herzstück des "alten" 
Judentums, trotzdem die Juden als Juden leben, den Willen Gottes erfüllen, und 
sich vergeistigen konnten, gute Taten zu vollbringen, sich zu heiligen. 
Weil das aber immer eine Angelegenheit einer "Kirche" (als Versammlung, 
als letztlich nur von einer Gemeinschaft zu bewahrendes Gut) sein muß, 
wurde es als Schriftensammlung von Rabbinern angelegt und fortan in den 
Synagogen zur Auslegung der Thora (die Hl. Schrift, im Wesentlichen also
 das Alte Testament der Christen) benutzt. 
Die
 bekannten Stellen, an denen Jesus in der Hölle gesehen wird, wo er in 
Exkrementen gekocht wird, sind später dazugekommen, und Morse bedauert, 
daß sie je verfaßt wurden. Sie entsprechen nämlich nicht dem orthodoxen 
Judentum. Denn in diesem gibt es eine derartige Höllenvorstellung gar 
nicht. Diese kommt vielmehr aus dem Christentum. Die Juden kennen zwar 
eine Hölle, verbinden damit aber keine konkrete Vorstellung.
Morgen Teil 2)
*021118*
 
