Was
sich im Finanzwesen zeigt, ist nur eine der vielen Anwendungen, in
denen sich ein gesamtgesellschaftliches Phänomen zeigt - das Leitbild
der Risikovermeidung, indem man die Volatilität von Prozessen
unterdrückt (d. h. ihre Abläufe gewissermaßen "manisch" kontrolliert und
eingrenzt.)
Aber
Risiken vorzubeugen führt nicht dazu, daß die Risiken abgeschafft
werden. Es führt vielmehr dazu, daß sich Risiken kumulieren,
"aufsparen". Denn man kann Risiken gar nicht abschaffen. Das ist
die Grundthese des Ökonomen und Publizisten Markus Krall, die er hier
vorträgt und in zahlreichen Büchern vertritt. Denn die Volatilität, das
Risiko eines Scheiterns, gehört untrennbar zum Versuch dazu. Ohne den
Versuch aber gibt es keine Lebensdynamik. Jede Entwicklung, jedes
Reiferwerden wird dann unterbunden. Das führt zu Spannungen in den
Gesamtsystemen, weil es damit zu Ungleichgewichten im Zueinander der
Teilsysteme kommt. Es kommt dann zu Entladungen, die umso dramatischer
und als Großereignisse ablaufen, je mehr Volatilität aufgespart wurde.
Solche
Einschränkungen der Volatilität ortet Krall in fünf Bereichen: Dem
Finanzsystem, dem Internet (sic!), der Parteiendemokratie, dem
Unternehmertum und schließlich in der Geopolitik. Überall hier wird es
zu Diskontinuitäten kommen, wo sich aufgesparte Spannungen eines Tages
entladen werden. Vor allem, weil man die Realität nicht zur Kenntnis
nehmen will. Diese Entladungen bleiben aber nicht isoliert, sondern
wirken auf die jeweils anderen Bereiche. Die abzusehenden großen
Entladungen sammeln sich in Problemwolken, die Krall "schwarze Schwäne"
nennt.
Der erste große schwarze Schwan
Daß
es dazu kommt läßt sich auch daran erkennen, daß der Aufwand dafür,
diese Bereiche kontinuierlich (unverändert bzw. kontrolliert) zu
halten, immer größer wird. Was dann als "Erfolg" gefeiert wird, ist aber
in Wahrheit nur die Verschleierung von Verlusten, die nur nicht
sichtbar gemacht werden sollen. Der Staat macht das über Subventionen.
Direkt, oder indirekt, durch die Zinspolitik der EZB. So hat man zwei
Prozent Wirtschaftswachstum auszuweisen, bei gleichzeitigem Ansteigen
der Beschäftigung von zwei Prozent. Was aber niemand dazu sagt ist, daß das
anzeigt, daß es zu keinem Zuwachs in der Produktivität kam. Die
Wirtschaft wird also in sich schwächer, nicht stärker. Ausfälle
schwacher Unternehmen werden sogar verschleppt, damit aber wertvolle
Ressourcen gebunden. Auf Zuwächse innerer Stärke durch
Produktivitätssteigerung aber bauen sämtliche unserer Zukunftsmodelle auf,
vom Rentensystem angefangen.
Kommt
es nun zu einer Krise egal welcher Art (etwa durch Zinserhöhung, um
Inflation zu verhindern), werden die aufgesparten Unternehmenskonkurse
mit einem Mal virulent. Krall geht von mittlerweile zehn Prozent aus!
Damit aber werden die Banken mitgerissen, deren Kredite geballt
ausfallen. Mit einem Male werden dann die Sicherheiten auf den Markt
kommen, aber nicht mehr viel wert sein. Es kommt also schlagartig zu
einem Preisverfall (vor allem im Immobiliensektor). Während die Sparer
schlagartig die Hälfte ihrer Ersparnisse verlieren werden.
Der
zweite Risikofaktor nämlich, der daraus erfolgt, ist die Erodierung
der Verdienstspannen für Banken bei Krediten. Vor allem langfristigere
Kredite werden vermieden, weil die Zinsen irgendwann wieder steigen
könnten, dann wäre der Verlust für die Bank einzementiert. Doch die
Bank muß "Geschäft" machen, also Kredite vergeben. Das tun alle Banken.
Damit sinkt erneut der Preis für Geld, und die Verdienstmargen bleiben
klein. Krall sagt deshalb voraus, daß es ein vorhersehbares Ereignis
sein wird, daß die Banken ab 2020 in große Schwierigkeiten kommen werden,
weil sie operativ rote Zahlen schreiben werden. Aber der Politik bleibt
dann kaum noch Handlungsspielraum, denn wie sollte sie nun reagieren?
Die Zinsen kann sie nicht mehr senken. Diese Perspektive wird
umgekehrt Banken dazu verleiten, zu "zocken", also hoch spekulativ
vorzugehen.
Die
EZB (bzw. die Politik) wird also genau das Gegenteil von dem erreichen,
was nach 2008 der Plan war. Unternehmenskredite werden ebenso
zurückgehen wie Sparguthaben, aber die Spekulationsvolumina werden
ansteigen. Die Wirtschaft wird nicht "angekurbelt", sondern stattdessen
werden deren Ressourcen fehlgelenkt und am falschen Ort (s. o.
Unternehmen) gebunden. (Krall zeigt damit auch den eigentlichen Wahnsinn
der sogenannten "Energiewende" auf, die genau das bewirkt, aber noch
dazu durch direkte Subventionierung.)
Der zweite große schwarze Schwan
Die zweite Großkrise, die Krall "Technogeddon"
nennt, wird sich im technischen Bereich abspielen. Das hat zwar nicht
direkt die Politik "gemacht", aber sie hat es begünstigt. Der Grund
liegt darin, daß wir uns in einer Sicherheit wiegen, die wir gar nicht
haben. Es hat zu tun mit dem "Quantencomputer". Dadurch werden die
Rechenleistungen der Computer exponentiell ansteigen. Binnen eines jeden
Jahres wird sich die Rechenleistung um 40 Millionen Prozent erhöhen. "Irgendwann zwischen heute und 2025 wird irgendjemand einen Computer bauen, der alle Türen auf dem Planeten öffnet."
Dann gibt es für nichts und niemanden mehr Privatsphäre, auch für keine
Geheimdienste mehr. Dieser eine hat dann alles in der Hand.
Der dritte große schwarze Schwan
Hier
nennt Markus Krall die Parteiendemokratie. Es ist ein Irrtum, wenn wir
glauben, daß unsere Demokratie "stabil" sei. Auch dieser Fehler ist
absehbar, er ist systemimmanent und hat mit dem Wesen des Politikers zu
tun, der aus Karriere- oder Einkommensgründen in die Politik geht. Das
bedeutet, daß in die Politik zu gehen nur für jene einen Anreiz
bedeutet, die "es sich verbessern können". Wer bereits mehr verdient,
wem es gut geht, der würde sich ja sein Leben verschlechtern. Nun ist es
aber so, daß Einkommen und Intelligenz miteinander zu tun haben. Somit
haben wir es mit einer Situation zu tun, daß nur Menschen mit geringerer
Intelligenz in die Politik gehen wollen. Während der intelligentere
Teil der Bevölkerung durch unser Demokratie- und Parteiensystem
(prinzipiell) abgehalten wird, sich politisch zu engagieren. Die Art
also, wie wir Politiker bezahlen, führt zu einem qualitätsmindernden
Effekt. Es kommt zur Bildung einer falschen Elite.
Solange
es ein Zwei-(einhalb)-Parteien-System gab, ging das gerade noch.
Mittlerweile aber zersplittert sich in hohem Tempo die
Parteienlandschaft. Damit muß sich ein Abgeordneter nicht mehr in seinem
Wahlkreis etablieren, die sind kaum noch sicher. Die Wahrscheinlichkeit
einer Verschiebung der Mandatsverteilung ist also hoch. Somit muß ein
Politiker, der Karriere machen will, sich IN SEINER PARTEI festigen.
Dazu muß er sich mit der Parteispitze gutstellen, nicht mit der
Wählerbasis. Das System bringt also Personen nach oben, die zwei
Qualifikationen haben: Sie sind erstens unterdurchschnittlich
intelligent, und sie sind zweitens angepaßte Karrieristen. Krall sieht
das nicht als Polemik, sondern aus objektiven Tatsachen abgeleitet. Die
Auswahl- und Anreizstrukturen sowie die Selektionsprozesse führen aus
ihrem ökonomischen Sachverhalt heraus zu diesem Phänomen.
Das
muß zu einem Kollaps führen. Denn die Politik ist der Hauptmotor
beim Unterdrücken der Volatilität, auch in allen übrigen Bereichen. Wenn also diese übrigen schwarzen Schwäne auftauchen, wird die
Politik kollabieren. Die Menschen werden bei der absehbaren Kulmination
der schwarzen Schwäne sagen, daß "das System" versagt habe. Denn die
Deutschen werden sich die Katastrophen an allen Ecken und Enden nicht
gefallen lassen. Spätestens, wenn es an ihre Ersparnisse und vor allem
an die Rente geht. Angesichts solcher Perspektive bleiben der Politik
nur zwei Wege: Mehr direkte Demokratie (wie in der Schweiz) oder
eine Art sozialistischer Einheitsbrei. Dieses letztere Stadium können
wir derzeit bereits (in Deutschland) beobachten. Auch, daß in solch
einer Phase eine totale Polarisierung mit der einzigen echten Opposition
(die sich als außerhalb des Systems stehend betrachtet) nicht mehr
aufzuhalten ist.
Morgen Teil 2)
*161118*