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Samstag, 19. Januar 2019

Der Samstag-Nachmittag-Film

Als sie endlich die "Entnazifizierungs-Hürden" der Amerikaner übersprungen hatten, durften sie alle wieder spielen und filmen. Max Liebereiner, der unter dem Kultusminister Goebbels so viel Freiheit bewahrt und bewiesen hatte, Heinz Rühmann (den die Siegerpolitik fast endgültig ruiniert hatte), und Hans Albers, die großen vormaligen UFA-Stars also. Hier in "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" in einem kaum zu glaubenden deutschen Film. Man merkt aber allen an, wie vorsichtig sie noch sind, einfach "frei" zu sein. Alle, die einst Symbolfiguren des deutschen Selbstseins waren. Und zwar gerade, weil sie so "regional" waren. Wie Albers.

Deutsch, weil er der "olle Jungsch von de Waterkant", also weil er Hamburger war. Rühmann war da viel "universaler", universalistischer gebrauchbar. Und prompt war er der, der sich anpatzen hatte lassen müssen. Weil er sich dem Druck gebeugt und von seiner jüdischen Frau getrennt hatte. Das wäre einem so extrem verwurzelten Hans Moser niemals eingefallen. Ein bis heute unlösbares Problem. Als der VdZ vor Jahren zu einem "deutschen Abend" in Sopron = Ödenburg in Ungarn eingeladen war, stimmte man dort Hamburger Lieder an. Eigene und damit "deutsche", hier also "hoanzische" Lieder, hatte man gar nicht. Er ging frühzeitig.

Ein Tip: Großartig unter anderem die kurze Szene des "Fingertheaters" ab der 29. Minute. Die so viel begreifen läßt. Es geht ums "Wirkliche".

In dem man hier so nebenbei tiefen, facettenreichen Einblick (weil in deren Wesen) in die geheimnisvolle Liebe eines Vaters zu seiner Tochter erhält. Wenn man es denn versteht.

Natürlich geht das alles nicht ohne viele Lieder. Ach, Hans Albers ... Einmal noch nach Bombay, einmal noch nach Hawaii, eine Braut in Bombay, eine in Shanghai. Doch die schönste Blume ist in St. Pauli, Hamburg-Altona.

Ein schöner Film, in vielen Hinsichten. Wer es aber nicht abwarten kann - bei 1:46 kommt es. Hans Albers. Wer spielte jemals die tragische Größe so schön wie Du?


Auf der Reeperbahn nachts um halb eins, ob Du'n Mädel nu hast oder kein's, amüsierst Du Dich, denn das findet sich, auf der Reeperbahn nachts um halb eins.

Angeblich hat der VdZ, als er im zarten Knabenalter am späteren Nachmittag mit dem Onkel aus Niedersachsen über die Reeperbahn, denn man müsse das ja gesehen haben, ging, gesagt: Aber die haben ja gar nichts an! Des Kaisers neue Kleider. Manchmal braucht man sie, das hat Andersen vergessen zu erwähnen.

Machen Sie sich auch hier gefaßt, werter Leser: Dramaturgie heißt, daß Sie sich erst nach zwei Stunden wohlfühlen, weil Sie dann erkennen, daß die Welt im Grunde stimmt. Nach zwanzig Minuten müssen Sie sich deshalb gar nicht gut fühlen. Das muß so sein. Sie erleben sonst das Schöne nicht, wenn Sie nicht vorher durch die Tiefen gegangen sind.








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