Ist
der Islam unser Feind? Die Debatte zwischen dem Historiker Karl-Heinz
Weißmann und dem Publizisten Michael Stürzenberger behandelt diese Frage
sehr kontroversiell. Einem historisch sehr weiten Blick steht ein recht
aggressiver Aktivismus gegenüber, der Leser möge sich selber denken,
welcher Argumentationsseite der VdZ zuneigt. Oder - eher zuneigt. Denn
die Gretchenfrage ist, was Religion überhaupt ist. Und was sie sein
muß, nämlich der Boden einer täglichen Lebensweise, oder eine Ideologie.
Die sich aus jeder Religion machen läßt, ja zu der jede Religion wird,
sobald sie nicht ... katholisch, also alles umfassend, das heißt: der
gesamten Wirklichkeit gegenüber offen ist.
Grundsätzlich
ist Weißmann zuzustimmen, daß die Konfrontation mit dem Islam
hierzulande (und weltweit) in erster Linie eine Frage der Kultur und
Lebensweise ist, die erst in der Religion, die Islam (Unterwerfung)
genannt wird, zu einem expliziten Thesengebäude wird. So ist er auch
entstanden. Diesen ungemein pragmatischen Aspekt dieses Konglomerats aus
Arianismus und heidnischen Nomadenreligionen darf man nie übersehen.
Erst waren da politische Probleme, erst waren da zivilisatorische
Probleme in einem geographischen Raum, der in ein Chaos mit vielen
Neuordnungsparteien und -versuchen versank, nachdem sich Byzanz
zurückgezogen hatte.
Das
bestätigt sich auch dadurch, daß der Islam interessanterweise überall
dort so in den Vordergrund kommt, wie momentan bei vielen Migranten in
Europa, wo die reale Lebenssituation als schwach und ungeordnet erfahren
wird. Deshalb ist es eine zutreffende Beobachtung, daß es nirgendwo in
einem muslimischen Land so viele verschleierte Frauen gibt wie in Wien
oder Berlin oder Paris. Umgeben von einer fremden Umgebung, beginnt eine
Weltsicht Gewicht zu erhalten, die die eigene Überlegenheit wie ein
Etikett vor Augen stellt. Sich selbst gegenüber nicht weniger wie allen
anderen gegenüber. Diese Fremdheit ist der entscheidende Punkt, Weißmann
nennt sie die "ethnische" Natur des Konflikts. Sie ergibt sich aus
einer im Natürlichen, also noch "vor-religiös" sehr verschiedenen
Lebensweise.
Wobei
es natürlich eine "rein natürliche" Lebensweise gar nicht gibt, sie hat
immer bereits eine genuin religiöse Haltung "dem Absoluten gegenüber"
zur Grundlage. Die dann in der expliziten Religion zur Konkretisierung
kommt. Insofern hat der Protestantismus (aller möglichen
Denominationen), aber auch die individuelle, real gelebte Religion
innerhalb des Katholizismus ein dem Islam praktisch gleiches Problem.
Die Klammer bildet lediglich der tägliche Lebensvollzug. Er macht, daß
sich Menschen eines Volkes, eines Kulturraumes weitestgehend "ohne
Disput" begegnen können, ohne sich ständig mißzuverstehen. Sie können
dem anderen vertrauen, ohne darüber zu sprechen. Weil die Wertecodices,
die Verhaltensnormen relativ gleich sind. Das trifft auf einen Menschen
aus dem arabischen oder afrikanischen Raum nicht in dem Maß zu. Er wird
sich mit den europäischen Alltagsnormen in vielem nicht identifizieren
können.
Auf
dieser Verschiedenheit, also auf psycho-sozialen (bzw. kulturellen)
Fragen, baut dann die Ebene des religiösen Konflikts auf. In dem der
Islam in der heutigen Weltlage, wo er sich noch dazu durch die
universalistischen Medien mit einem westlichen und "überlegenen" Alltag
konfrontiert sieht, fast zwangsläufig zu einem "Islamismus" wird.
Weißmann hat somit auch darin recht, wenn er darauf hinweist, daß man
zur Beurteilung der realen Wirklichkeit einer Religion nicht einfach
deren Bezugsschrift (also beim Islam den Koran, oder beim Christen die
Bibel) heranziehen kann. Nicht in der Regel zumindest. Das wird für die
meisten Mitglieder dieser Religion erst bedeutend, wenn der alltägliche
Normalrahmen, die soziale Ordnung, die eigene Lebenserfülltheit bricht
oder gestört ist.
Und nun kommen wir auch der Tatsache begreifend näher, warum es so viele "Islame" gibt. Ähnlich wie der Protestantismus ruht er nämlich auf Lebenswirklichkeiten auf. Und die sind verschieden. Also werden auch seine Inhalte verschieden gewichtet. "Den Islam" gibt es nicht. Alle Versuche, einen solchen zu konstruieren, so etwas wie allgemeine Lehrhoheit zu schaffen, sind bislang gescheitert. Er zerfällt in zahllose Richtungen und Parteien. Und jeder bezeichnet seinen Islam als den einzig wahren. "Den Islam" zum Feind zu erklären ist also, als würde man in einen Haufen Sand greifen. Zieht man die vermeintlich gefüllte Hand heraus und schaut nach, was man nun hat, zerrinnt alles zwischen den Fingern.
Und nun kommen wir auch der Tatsache begreifend näher, warum es so viele "Islame" gibt. Ähnlich wie der Protestantismus ruht er nämlich auf Lebenswirklichkeiten auf. Und die sind verschieden. Also werden auch seine Inhalte verschieden gewichtet. "Den Islam" gibt es nicht. Alle Versuche, einen solchen zu konstruieren, so etwas wie allgemeine Lehrhoheit zu schaffen, sind bislang gescheitert. Er zerfällt in zahllose Richtungen und Parteien. Und jeder bezeichnet seinen Islam als den einzig wahren. "Den Islam" zum Feind zu erklären ist also, als würde man in einen Haufen Sand greifen. Zieht man die vermeintlich gefüllte Hand heraus und schaut nach, was man nun hat, zerrinnt alles zwischen den Fingern.
Aus
einzelnen Suren läßt sich also nicht
(zwingend) ableiten, daß jeder Muslim ein erklärter Todfeind ist. Das würde zudem die Schriftlichkeit (insgesamt, aber auch und gerade für diese Kulturkreise) gehörig mißverstehen. Auf
diese schriftlichen Inhalte wird erst zurückgegriffen, wenn die Lebenswirklichkeit
eine Verortung innerhalb eines sozialen Gefüges, das den eigenen
Anlagen, Talenten, Wünschen nach Anerkennung, sozialer Stellung
etc. entspräche, nicht mehr zuläßt.
Das zeigt sich auch historisch recht eindeutig, worauf Weißmann auch hinweist. Nicht der Islam hat den arabischen Raum geformt. Ein Islam entstand nur als Rückgriffs- und Rechtfertigungsmöglichkeit. Ebenso wie die Figur eines "idealen Muslim" namens "Mohammed der Prophet", deren historische Existenz alles andere als belegbar ist. Seine Biographie, auf die sich heute alle beziehen und die in den Hadithen als praktische Moralanweisung durch Ableitung von diesem Vorbild her existiert, entstand erst allmählich und über hunderte von Jahren, in denen sich (über viele Zufügungs-, aber vor allem auch Reinigungsprozesse) dieser "ideale Mensch" zu dem auswuchs, als was wir ihn heute kennen.
Zum Beleg: Im 9. Jhd. gab es über 1 Million Hadithe. Jeder hat sich eben - salopp formuliert - seine Religion gebastelt. Erst jetzt begannen Zentralisierungsversuche.* Wirklich erfolgreich für den islamischen Raum insgesamt waren die aber auch nicht. (Was den Wunsch nach einem einheitlichen Kalifat begreifbarer macht.) Und umso aussagestärker ist die Bedeutung des "Islam": Jede Variante verlangt unbedingte Unterwerfung. Und dieses autoritative Gebot spielt bei allen Varianten eine ganz gewichtige Rolle. Es ist vielleicht sogar das einendste Element.
*Das macht einmal mehr die Bedeutung des von Gott gestifteten Petrusamtes deutlich. Wo immer das Papstamt abgelehnt wurde, geschah es erstens aus persönlichen Gründen, und zweitens zerfiel die Abspaltung weiter in immer mehr Varianten.
Das zeigt sich auch historisch recht eindeutig, worauf Weißmann auch hinweist. Nicht der Islam hat den arabischen Raum geformt. Ein Islam entstand nur als Rückgriffs- und Rechtfertigungsmöglichkeit. Ebenso wie die Figur eines "idealen Muslim" namens "Mohammed der Prophet", deren historische Existenz alles andere als belegbar ist. Seine Biographie, auf die sich heute alle beziehen und die in den Hadithen als praktische Moralanweisung durch Ableitung von diesem Vorbild her existiert, entstand erst allmählich und über hunderte von Jahren, in denen sich (über viele Zufügungs-, aber vor allem auch Reinigungsprozesse) dieser "ideale Mensch" zu dem auswuchs, als was wir ihn heute kennen.
Zum Beleg: Im 9. Jhd. gab es über 1 Million Hadithe. Jeder hat sich eben - salopp formuliert - seine Religion gebastelt. Erst jetzt begannen Zentralisierungsversuche.* Wirklich erfolgreich für den islamischen Raum insgesamt waren die aber auch nicht. (Was den Wunsch nach einem einheitlichen Kalifat begreifbarer macht.) Und umso aussagestärker ist die Bedeutung des "Islam": Jede Variante verlangt unbedingte Unterwerfung. Und dieses autoritative Gebot spielt bei allen Varianten eine ganz gewichtige Rolle. Es ist vielleicht sogar das einendste Element.
Morgen Teil 2)
*Das macht einmal mehr die Bedeutung des von Gott gestifteten Petrusamtes deutlich. Wo immer das Papstamt abgelehnt wurde, geschah es erstens aus persönlichen Gründen, und zweitens zerfiel die Abspaltung weiter in immer mehr Varianten.
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