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Samstag, 12. Mai 2018

Die unwiderstehliche Erotik des Möglichen (2)

Teil 2) Eine verheerende Umdeutung von Freiheit zerstört sie




Wie lange es dauert, bis so ein Anständigen-Index wie in China auch in Europa und den USA eingeführt wird, ist nur eine Frage der Zeit. Denn es ist nicht nur eine Möglichkeit, sondern es ist sogar schon eine Möglichkeit, zu der nur noch der finale Schluß fehlt. Sogar solche Indices werden und sind bereits aufgebaut. Natürlich werden sie nach Kriterien geordnet, die der europäischen Gegenwart entsprechen. Dann wird es nach "CO2-Abdruck" gehen (gibt es bereits), nach "Willen zur pluralistischen Gesellschaft", nach "staatsgefährdend" (weil "rechts"), oder "rassistisch" (weil gegen die Massenzuwanderung". Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. In Teilen existiert er sogar bereits. Man denke an so wohlklingende, Sicherheit versprechende (warum? hier speziell sichtbar: Aus Versagen der Politik) Schlagworte wie "Terrorgefährder", wo bereits aus allen möglichen Daten gespeiste Indices über bestimmte Menschen angelegt wurden, aus dem Spezialisten herausdeuten, welches Verhalten von ihnen zu erwarten ist.

Und man wird das westliche System selbstredend vom chinesischen System unterscheiden. Indem man uns vormacht, daß dieses System bei uns nur der Freiheit (der Sicherheit, dem Überleben der Welt, dem Wohlergehen der Wollschlauchmulche in Kleinlappland ...) dient, nicht sie einschränkt. Was bei der gegenwärtigen Definition von Freiheit - als Freiheit, tun und lassen zu können, was einem beliebt, solange man den anderen nicht zu sehr stört, während das, was jemanden stören darf geregelt wird, was im Klartext heißt: jeder soll die Freiheit haben, sich ungestört seinen Begierden, Gefühlen, Wünschen als Herr ausliefern - sicher kein Problem ist. Denn so dumm waren die Chinesen ja erst gar nicht, Freiheit SO zu verstehen.

Hier zeigt sich das ganze Dilemma, in das wir uns ausweglos verstrickt haben. Denn der Freiheitsbegriff steht und fällt mit der Anthropologie. So, wie der Mensch heute verstanden wird, hat Freiheit nur noch den Charakter einer Faschingsgirlande. In Wirklichkeit gibt es für einen Menschen, wie er heute verstanden wird - darwinistisch, geistlos - gar keine Freiheit. Und damit gibt es auch keinen Grund, ihm diese Freiheit NICHT zu nehmen. Nur die Illusion davon muß aufrechterhalten bleiben. Ansonsten hat die Politik das Recht, ja sogar die Pflicht, die Menschen so zu formen, so zu drängen ("nudging"), daß das Ziel der Evolution ("Überleben", egal wie) nicht gefährdet wird. Einen darüber hinausreichenden Sinn hat der Mensch nicht.*

Aber es geht um mehr: Es geht um das Vermeiden von Schuld, weil es keine Vergebung mehr gibt. Weil eine Welt, die in Technik aufgeht, keinen Reparaturmechanismus mehr hat - die Verankerung in der Idee Gottes.

Damit wird Politik zum "Vorbeugeprozeß". Auch hier, wie überall, versteckt unter einem vermeintlich positiven Begriff: Vorbeugen sei besser als zu heilen. Und der VdZ hat in Gesprächen festgestellt, wie "normal" der Gedanke für viele unserer Mitbürger bereits geworden ist, daß etwa eine Krankenversicherung, die unsere Heilverfahren bezahlt, auch das Recht hat, unsere Lebensweise zu bestimmen, wenn sie "krank macht", andernfalls sie das Recht hat, die Kosten allfälliger Heilverfahren nicht mehr zu übernehmen.

Es ist exakt dasselbe Schema wie in der Politik. Denn vergessen wir nicht: Es sind immer Grundschemata, archetypische (geistige) Dynamiken, denen der Mensch beitritt. Es ist dasselbe, was ein Mitbürger macht, der ein Posting bei Facebook meldet, oder ob der Staat uns ein "Indexmeter" umhängt, das uns mit grünen und roten Leuchten in jeder Minute und bei jeder Tätigkeit zeigt, wo wir gerade dabei sind, unsere Situation seinen Kriterien nach zu verschlimmern oder zu verbessern. 

Die Technik macht es möglich. Und was möglich ist, wird auch real werden. Denn so ist der Mensch. Niemand wird jemals aufstehen und sagen: So, Leute, ab morgen veranstalten wir den Totalitarismus, wer nicht dafür ist fliegt raus! An solche Erkennbarkeiten glauben nur Antifanten, die nach Hakenkreuzbinden suchen. Der Totalitarismus, der uns das nimmt, was das Leben lebenswert und vor allem sinnvoll macht - die Freiheit, die auch die Freiheit zur Sünde einschließt - kommt leise und über die Hintertüre, ja er ist sogar schon mitten unter uns. 

Denn er ist die unausbleibliche Folge einer Kultur, die die Welt nur noch als technisches Gestell begreift, für das der Mensch die volle und alleinige Verantwortung trägt. Die nicht mehr begreift, daß alle Dinge sich letztlich Gott verdanken, daß es also nicht an uns liegt, das Gelingen zu bestimmen, sondern den Weg dorthin möglichst wahrhaftig zu gehen. Die keinen Begriff mehr dafür hat, daß die Welt ein Spiel ist, mit ernsten Regeln, aber doch ein Spiel der Freiheit, geborgen in der Vorsehung Gottes selbst. Eine Welt, die vor allem keine Entschuldungsvorgänge mehr kennt - die keine Beichte also mehr kennt, die ihr zusichert, daß das Sein selbst ihm verziehen hat und er ab sofort wieder neu beginnen kann (wozu natürlich auch gehört, daß er die Trümmer seiner Fehler beseitigt).






*Wer mit Sozialversicherungen zu tun hat wird feststellen, wie selbstverständlich und alltäglich uns solche Dinge bereits geworden sind. Die Idee, die Sozialabgaben nach Verhalten zu staffeln, existiert längst. Etwa die österreichische Versicherung der Gewerblichen Wirtschaft hat bereits seit Jahren diese Wege vorbereitet, sie versüßt es sogar durch Abschläge beim Selbstbehalt oder Zuwendungen bei "Fitnessmaßnahmen" wie der Teilnahme an entsprechenden Fitnesswochen. Über alle Versicherungen hinweg wurde per heuer auch der Charakter von Kuraufenthalten verändert. Wer heute eine Kur beantragt und zugesprochen bekommt, wird anders als bisher nicht mehr irgendwo, herausgenommen aus seiner gewohnten Umgebung, einige erholsame Wochen verbringen, in denen er auch das eine oder andere Wehwehchen auskurieren kann, sondern er wird an seinem Wohnort "begleitet und betreut", was heißt: fortlaufend zu einer Umstellung seiner Lebensform gegängelt.





*040518*