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Mittwoch, 30. Mai 2018

In Wahrheit war es ein militärischer Mißerfolg

Auch wenn der erste Eindruck auf beiden Seiten war, daß Japans Angriff am Morgen des 7. Dezember 1941 auf Pearl Harbour einen überwältigenden Sieg brachte, denn die Amerikaner dort waren wirklich völlig unvorbereitet. Und wie von den Japanern an einem Sonntag erwartet um diese Tageszeit oft noch in den Betten. Trotz zahlreicher seltsamer Sichtungen und Beobachtungen war es niemandem eingefallen, mißtrauisch zu werden, und aus unerfindlichen Gründen war aus Washington keine Warnung erfolgt. Also hatte man nur auf niedrigste Alarmstufe gestellt, wie sie etwa bei Sabotageverdacht ausgerufen wird. Was den Japanern zusätzlich in die Hände spielte, weil man nun alle Flugzeuge dicht an dicht stellte, um sie besser überblicken zu können. Ein perfektes Ziel für die japanischen Angreifer, ein Hindernis für die Flieger rasch aufzusteigen. Die Flak-Stände waren nicht besetzt, die Munition in den Lagern.

Nüchternen Köpfen bei den US-Militärs war aber sofort klar, daß der japanische "Sieg" in Wahrheit ein gigantischer Mißerfolg war. Der tiefere Grund liegt darin, daß das japanische Verständnis der Flotte völlig anders als das der Amerikaner war: Sie hatten die Seemacht nie als Angriffswaffe begriffen, sondern nur als Mittel zum Schutz der Handelswege und zur Abwehr von Angreifern aufs Land von der See her, schreibt George Morgenstern in seinem 1947 erschienenen (bald unterdrückten), aufsehenerregenden - weil Roosevelt und seine Regierung schwer belastenden - Buch "Pearl Harbour". Die Japaner führten ihren Krieg allem Anschein zum Trotz wie eine Landstreitmacht!

Deshalb waren sie selber vom Erfolg der Attacke auf Pearl Harbour völlig überrascht. Man hatte mit dem Verlust von mindestens einem Drittel der beteiligten Flotte (darunter zwei der sechs Flugzeugträger) gerechnet, samt sämtlichen eingesetzten zwölf U-Booten (deren Besatzungen vor dem Angriff sämtlich mit dem Leben abschlossen), die vor dem Hafen in Position gingen und ein Auslaufen der US-Flotte verhindern sollten, und einer gar nicht einschätzbaren Zahl der fünfhundert beteiligten Flugzeuge. Tatsächlich waren es nur siebenundzwanzig Flugzeuge, die nicht mehr zurückkamen. Und alle Schiffe und U-Boote waren heil.

Es gab deshalb auch nie Pläne, Pearl Harbour nach einem Luftschlag durch danach eintreffende Landungstruppen einzunehmen. Wovon die Amerikaner fast am meisten überrascht waren. Dabei wäre damit erst wirklich die USA im Pazifik schwer getroffen gewesen. Stattdessen konzentrierten sich (eben aus falscher Einschätzung dieser Waffengattung) die Flugzeuge auf die Schlachtschiffe im Hafen - die sämtlich überaltert waren, sodaß sie in den Planungen der US-Militärs kaum noch eine Rolle spielten, während die einzig lohnenswerten Ziele, die beiden Flugzeugträger, längst über alle Berge waren* - und auf die Flugzeuge auf den Flugfeldern. Die binnen weniger Wochen ersetzt waren.  Amerikanischen Einschätzungen nach wäre Pearl Harbour noch einen Monat nach dem Angriff bei einer Invasion leichte Beute gewesen.

Niemandem der japanischen Führung war es auch eingefallen, vor allem die Ölanlagen und die Reparaturwerften zu bombardieren! Hätte man das gemacht, wäre Hawaiis militärstrategischer Wert auf Jahre erledigt gewesen, ja die Schlachtschiffe hätten sogar von selber an die US-Westküste zurückkehren müssen. Die ursprünglich geplante dritte Angriffswelle, die das vielleicht noch hätte erledigen können, wurde gar nicht mehr abgeschickt, so überrascht war man vom Erfolg und von den geringen Verlusten der ersten beiden Angriffe. Um halb zwei machte die Flotte kehrt, und zog mit Höchsttempo wieder ab.

Aber es fehlte überhaupt an einer sinnvollen Gesamtstrategie. Japans Armeeführung hatte auch viel zu schwache Kräfte - parallel am 7. Dezember - nach Midway geschickt, um die dortigen Inseln zu besetzen, der zweite Angelpunkt der Amerikaner in diesem Raum. Die wenigen Schiffe, die sich dort der Küste näherten, wurden von den wenigen Küstengeschützen mit ein paar Salven zur Umkehr bewegt, während nur einige hundert stationierte US-Soldaten eine Landung niemals hätten verteidigen können. Ein halbes Jahr später sollten die Japaner zwar mit großer Stärke wiederkommen, um das nachzuholen. Aber diesmal wurde es die desaströse Wende im Pazifikkrieg. Es war viel zu spät, die Amerikaner hatten sich bestens vorbereitet, und Midway wurde zur Katastrophe für die japanische Flotte, die eigentlich schon den Krieg entschied, weil Japans bis dahin noch bestehende Übermacht zur See brach. Allein vier Flugzeugträger, alle noch bei Pearl Harbour dabei, wurden von der US-Flotte versenkt.

Beide Male Wirkung derselben taktischen Fehleinschätzung - die Japaner hatten die Einsatzmöglichkeiten einer Flotte als Trägerin eines Angriffs unterschätzt.  Wenn man ihnen das vielleicht sogar zur Ehre anrechnen muß. Denn diese Haltung entsprang wohl dem alten Krieger-Verständnis der Samurai, wo Mann gegen Mann - Schiff gegen Schiff - kämpfte. Und das tief kulturell verankerte Denken in Identitäten (und deshalb Ehre) dem modernen amerikanischen Effizienzdenken, das alle Dinge beliebig durcheinanderwirft weil nur "gebraucht", weil der Zweck alle Mittel heiligt, unterlegen war. Ein Denken, das deshalb nicht damit rechnete, daß ein Feind darauf abzielte, den Gegner total zu zerstören, nicht nur im einzelnen Kampf zu besiegen. Genau das wurde dann das Schicksal Japans, dem bis heute sogar eine angemessene Armee verboten ist.





*Der Flugzeugträger Enterprise war am 28. November zusammen mit neun Kreuzern und drei Schlachtschiffen zum Transport von zwölf Jagdflugzeugen nach Wake Island aufgebrochen. Der dringende Befehl war so überraschend gekommen, daß die Piloten zum Teil noch in ihrer Freizeitkleidung aufs Schiff geholt wurden.




*090518*