Dieses neunzehnminütige Gespräch mit dem Ökonomen Hans Werner Sinn ist deshalb so interessant, weil es einige Wirtschaftsfakten sehr knapp und klar darstellt und so zu einem Verständnis dieser Vorgänge (wie auch der Finanzkrise 2008) etwas leisten kann. Es geht hier darum, ob die Finanzkrise von 2008 überhaupt überwunden wurde, oder ob sie nicht - und darauf weist Sinn auch hin - einfach unter den Teppich gekehrt wurde und vor allem: wird. Denn es zeichnen sich von Amerika ausgehend Entwicklungen ab, die dem Turbo-Kapitalismus (Diktion Sinn) noch weiteren Rückenwind geben werden.
Was meint Sinn damit? Er meint einmal die Nullzinspolitik der EZB (Europäische Zentral Bank), die Deutschland im Rahmen des Euroraumes einen Exportboom beschert hat. Denn die deutsche Wirtschaft ist im Ganzen gesehen "zu billig", weil der Euro zu billig ist. Warum? Weil die Südländer diesen Euro im Außenwert drücken. Gleichzeitig ist dieser "Durchschnittskurs" des Euro für eben diese südlichen Länder zu hoch, verteuert also deren Leistungen, und erschwert ihnen somit den Export. Es wird oft übersehen, daß Spanien und Italien heute erst 80 Prozent der Produktionsleistungen von 2007 erreichen, Frankreich knapp 90 Prozent, von anderen Ländern gar nicht zu sprechen. Während die Nordländer mit Rekordexportüberschüssen agieren. Das bedeutet, daß deutsches (nordeuropäisches) Kapital im Ausland bleibt. Während die Nullzinspolitik Deutschland in den letzten Jahren, so Sinn, einen Zinsverlust aus Sparanlagen von über siebenhundert Milliarden Euro eingefahren hat.
Können sich die Südländer Europas aber nicht mehr länger halten, weil sie einfach die hohe Produktivität Deutschlands nicht erreichen, damit weiter so wenig produzieren weil zu teuer sind, dann wird es auf jeden Fall auf Kosten der deutschen Vermögen gehen. Denn dann wird Deutschland die Forderungen verlieren - und damit die Banken "krachen".
Denn es geht insgesamt um den Bankensektor. Das größte Problem sei, so der Ökonom, daß die Banken in einer Situation stehen, in der sie Gewinne privatisieren, aber Verluste sozialisieren können. Das hat mit der geringen Eigenkapitalausstattung zu tun. Heute kann eine Bank Kredite vergeben, die sie selbst nur zu 3 Prozent (und das ist eine Zielvorstellung, bislang war es noch weniger!) Eigenkapital abgesichert haben. Das fördert automatisch eine Casino-Mentalität. Denn wenn eine Investition (ein Kredit) gut geht, sind die Gewinne enorm.
Als Beispiel: Eine Bank vergibt 100 Kredit, hat selber aber nur 3 Eigenkapital. Geht alles gut, bringen aber diese 100 Gewinne, sagen wir: 4 (Prozent), also 4. Diese Gewinne werden nun an die Eigenkapitalbesitzer ausgeschüttet - und bescheren denen nunmehr horrende Kapitalrenditen! In dem Fall: 133 Prozent! Geht es aber schief, dann meldet die Bank, daß sie systemrelevant ist. Also muß der Staat einspringen, sprich: der Steuerzahler, um die Bank "zu retten", will die Politik eine handfeste Krise verhindern (was auch heißt: einen Verlust von Steuereinnahmen, weil Teile der Wirtschaft zusammenbrechen.) Denn aus eigener Kraft kann die Bank die Verluste nicht tragen, würde sie an ihre übrigen Kreditnehmer (durch Fälligstellungen von Krediten) und Anleger (durch Verlust ihres Vermögens, das in die Bankmasse fällt, weil die Bank diese Forderungen nicht mehr erfüllen kann) weitergeben, und damit auch diese ins Verderben ziehen.*
Das ist das Hauptproblem, sagt Sinn. Den Managern der Banken ist es dabei gar nicht zu verdenken, denn sie handeln ja im Auftrag der Kapitalbesitzer, also des Eigenkapitals. Aber die Verantwortungsschere klafft enorm auseinander.
Wenn nun Trump seine Ankündigung umsetzt, den Bankensektor wieder mehr zu liberalisieren, könnte der Fall eintreten, daß die europäischen Banken gezwungen sind, sich anzupassen, um den Wettbewerbsnachteil auszugleichen. Dann würde auch die wenige Beschränkung, die wir derzeit in Europa noch haben, aufgeweicht werden oder fallen. Und dem Turbokapitalismus weiter Tür und Tor öffnen, der für Anleger zwar enorme Renditen erwirtschaftet, letztlich aber auf Kosten der Steuerzahler geht.
Man muß also unbedingt den Haftungsaspekt der Banken vergrößern, sagt Sinn, um ähnliche Blasen und Zusammenbrüche wie 2008 möglichst zu verhindern. Derzeit sieht es aber so aus, als wäre das Gegenteil wahrscheinlicher.
*Dennoch ist der VdZ nicht der Meinung, daß es prinzipiell ein Fehler ist, daß man den Banken die Geldschöpfung überläßt. Denn das kann gar nicht anders sein, weil Geld immer mit "Wert" zu tun hat, und der hat mit freien Wirtschaftsverhältnissen zu tun. Hayek war es glaublich, der einmal schreibt, daß der im Wirtschaftsverkehr Tätige ein Vielfaches an relevanten Informationen hat, die ein Staat gar nie kumulieren kann. Wert kann der Staat also nicht generell "festlegen" (außer in bestimmten Bereichen, wo das Gemeinwohl gefährdet ist, etwa um bestimmte Einkommensbezieher wie Rentner, oder generell Schwache, aber wichtige Sektoren zu schützen, etwa durch Zölle oder Mindestpreise). Dem Staat die Geldschöpfung zu überlassen bringt nicht mehr Gerechtigkeit, sondern im Gegenteil - es löst die Gerechtigkeit von ihrem Grund, und wird immer zu neuer und noch größerer Ungerechtigkeit, die noch dazu die Freiheit einkassiert. Weil er über den Versuch, geplant vorzugehen, immer mehr Kontrolle und Beschränkungen einführen muß und vor allem den Faktor "Wert" zerstört und lähmt. Solche Systeme haben noch immer zu Schattengesellschaften/-wirtschaften geführt, zur "Bückware".
Und was herauskommt, wenn man Wert von Verantwortung, Verantwortung von Haftung, und Haftung von Vermögen trennt, sieht man ja - an den heutigen Banken. Der VdZ möchte also ganz sicher nicht, daß irgendwelche Bürokratien Geld und Wert festlegen. Das kann nur schiefgehen und deformiert auch regelmäßig jedes gesellschaftliche Gefüge (denn Wirtschaft ist eine Teilmenge von Moral und damit des Strafrechts; DARAUF sollte man also wieder zurückkommen.) Wir leben halt nicht zur Zeit Friedrich II., der Beamte, die Mist bauten, ins Gefängnis werfen und ihr Vermögen bis ins dritte Familienglied zur Schadensdeckung konfiszieren ließ. Was im übrigen nicht viel half, die Korruption unter ihm blühte genau deswegen.
Und was herauskommt, wenn man Wert von Verantwortung, Verantwortung von Haftung, und Haftung von Vermögen trennt, sieht man ja - an den heutigen Banken. Der VdZ möchte also ganz sicher nicht, daß irgendwelche Bürokratien Geld und Wert festlegen. Das kann nur schiefgehen und deformiert auch regelmäßig jedes gesellschaftliche Gefüge (denn Wirtschaft ist eine Teilmenge von Moral und damit des Strafrechts; DARAUF sollte man also wieder zurückkommen.) Wir leben halt nicht zur Zeit Friedrich II., der Beamte, die Mist bauten, ins Gefängnis werfen und ihr Vermögen bis ins dritte Familienglied zur Schadensdeckung konfiszieren ließ. Was im übrigen nicht viel half, die Korruption unter ihm blühte genau deswegen.
Man muß aber auf jeden Fall - und der VdZ hat es schon oft hier geschrieben - die Eigenverantwortung der Banken (so wie die aller Beteiligter am Wirtschaftstreiben) ganz deutlich so weit erhöhen, daß diese auch ihre Verluste selbst tragen können. Denn das ist der sicherste Hebel, der die Großkapitalien gegenüber dem Mittelstand unerträglich überlegen macht und sie Kapital und Macht automatisch akkumulieren läßt. Weil es ja gar nicht im Wettbewerb steht, sondern dieser zu seinen Gunsten gewichtet wird. Kraft einer Haftung, die ihm erlassen wird, während ihr der Mittelständler, ja der einfache Bürger über Privathaftung gar nie entkommen kann. Das ist sogar eine der größten Ungerechtigkeiten, die derzeit bei uns bestehen.
So daß das nur heißen kann, daß sich der Staat tatsächlich zurückziehen muß, also Verluste prinzipiell nicht mehr übernimmt, sondern in der Festigung von Haftungserfüllungen seine Macht einsetzt. Wenn es einen Kardinalfehler im Entstehen des Kapitalismus gab und gibt, dann ist es genau das: Der Staat läßt Kapitalismus zu, und finanziert private Verantwortungslosigkeit sogar noch. In der Regel, weil er sich selbst von diesem Kapitalismus qua Schulden finanziert, für die er das Staatsvolk verpfändet.
*200418*