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Sonntag, 6. Mai 2018

Staat als Formierung der Sendung

Volk ist ohne Raum nicht denkbar. Denn es ist der Raum, der die Aufgaben eines bestimmten Teilraumes im Verhältnis zu anderen Teilräumen (und zur jeweils größeren, umfassenderen Raumeinheit) bestimmt. Volk steht also in Beziehungen, ist insofern (aber nur in dieser Hinsicht!) von Sprache, Herkommen, Geburt unabhängig beziehungsweise ist diese zweitrangig. Ihm gehört an, wer dieser Sendung angehört oder angehören will (soferne der Raum, dem jemand zugehören will, diesen Willen annimmt, seinen Träger "integrieren will".)

Dieses Gebilde nennt man Staat. Somit gibt es, analog zur Aufgabe eines Staates (mit seinem zugehörigen weil diesen Staat darstellenden, als Einheit das "anderem" gegenüberstehenden, somit "sein" wollenden Volk) auch eine natürliche Größe eines Staates, das jenen Raum umfaßt, der von seinen Beziehungsgrenzen umfaßt wird. Es ist deshalb großes Unrecht, diese Beziehungsgrenze zu übertreten, zu ignorieren, zu zerstören, aufzulösen. Denn dieses Staatsvolk-sein ist auch ein Gesolltes, das sich in der Geschichte ausdrückt (ohne daß man umgekehrt sagen könnte, daß die faktische Geschichte dieses Gesollte einfachhin vorgibt; das tut es zwar AUCH, aber nicht alleine: Träger muß das Wesen sein, und das ist wiederum die Beziehung zu den anderen.) 

Dieses Staatsvolk-sein ist es nun, das - weil es die Beziehung aller seiner Glieder zu angrenzenden Räumen manifestiert - auch dem Einzelnen die konkrete Identität gibt, wie von dieser weitergetragen wird. Als Aufgabe, als ein "auf-hin-zu", also als logos, als Sinn. Nimmt man einem Staatsvolk diese Sendung, so bricht man seine Mitglieder. Sie werden identitätskrank (weil identitätslos), und es fehlt ihrem einfachen Dasein der äußere umschließende, das Individuum ganz machende Grenze weil Rahmen, aus dem heraus es in der Welt ist. 

Die Folgen sind zweifach: Entweder fällt der Einzelne ganz (sic!) auf die nächst kleineren Räume zurück - Familie, Gemeinde, engere Landschaft/Region - kennt also keinen größeren, umfassenderen Sinnrahmen mehr, was immer auch gewisse Raumvergessenheit bedeutet, oder er sieht sein privatimeres Sein als ortlos und greift nach höheren, universalistischeren Prinzipien und Legitimitätswurzeln, die ihm Identität geben, weil seine Beziehungen definieren.  

Das ist dann die Stunde der großen "Ideen", der Weltrettung, der "Klimarettung", des "besseren Menschen", etc. pp. Versagt also eine Staatsführung (oder wird sie zu diesem Versagen gezwungen), indem es die Sendung eines Staatsvolkes aufhebt, unklar macht und vernebelt, oder gar als Böses darstellt, das es zu meiden gilt, nimmt es allen Bürgern letzthin den Sinn ihres Lebens. Die Folge ist Lebensschwäche. Denn Sinn ist etwas, woraufhin sich die Menschen transzendieren, also augenblickliche Gestimmtheiten überwinden, um dennoch Sinn erfüllen. Aus dem heraus sie dann ja erst stark werden und Identität erfahren (nicht nur postulieren, welch letzteres immer nur Grenzmarke bleiben kann, niemals voll tragfähig.) 

Damit werden Identitäten voluntaristisch, gesetzt, behauptet. Ihnen fehlt das Natürliche, Gewachsene, denn nur wenn das je Nächste fest und durchblutet IST - damit mehr unbewußt als bewußt DA ist -  kann auch das Weitere gedeihen. Auf lange Frist muß so ein Staat also zerfallen, wobei er erst und meist noch durch Aggressivität dieses Selbstsein zu behaupten versuchen wird.**

Hierin sind die wahren Wurzeln vieler, ja der allermeisten Sozialprobleme, vor allem dabei der Geburtenschwäche Europas zu sehen. Denn zwar hat man vor allem nach dem Ersten Weltkrieg betont, man wolle die Sendung eines Volkes verstärkt berücksichtigen ("Selbstbestimmungsrecht"), hat aber nicht berücksichtigt, daß diese Sendung vom Raum vorgegeben ist, in dem ein Volk lebt. Die Ursache dafür war, daß man gezielt diese Sendungen schwächen oder zerstören wollte. 


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Das Gesagte ist am deutlichsten sichtbar bei der Zerschlagung der österreichisch-ungarischen Monarchie. Die freilich zwar schon geschwächt war, ihre Sendung im Raum zunehmend abzugeben versucht hat (was mit dem preußischen Vorgehen zu tun hat, das genau diese Entflechtung der Monarchie von ihrer Sendung betrieben hat, um sich bestimmte Sendungen anzumaßen), deren Zerschlagung aber ein kraft- und machtloses europäisches Zentrum gebracht hat, dem es seither an den Raum wirklich ausfüllender Identität mangelt.* Dabei war das größte Verbrechen, Österreich seine Bestimmung im Raum auf jener Stufe aufzunehmen, auf die es nun zurückgefallen war.

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Diese Gedanken stiegen wieder einmal auf, als der VdZ auf Achgut einen Artikel über Katalonien und Spanien las.  Der sinngemäß damit argumentiert, daß die Separationsbestrebungen Kataloniens schon deshalb unsinnig seien, weil ja bereits mehr als die Hälfte der in Katalonien wohnenden Menschen spanisch sprächen, und es im übrigen enorme und symbiotische wirtschaftliche Verflechtungen mit Madrid-Spanien gebe.

Das einzig legitime Kriterium, das es zu hinterfragen gälte wäre aber, ob der Raum Katalonien sich immer schon als Raum mit einer eigenen Sendung begriff, die von keiner anderen Sendung und Identität überlagert werden dürfe. Und dafür spricht doch auch einiges. Durch Bevölkerungs- und Wirtschaftsdurchmischung - wie sie heute sogar gezielt durchgeführt wird - werden solche Dinge nicht klarer oder entschiedener, sie werden nur problematischer. Auch ist Symbiose kein Argument, denn im Grunde ist jeder Staat, jedes Volk in einer Symbiose mit seinen Nachbarn beziehungsweise allen im jeweiligen umfassenderen, die Einzelsendung letztlich bestimmenden, festigenden Raum befindlichen.

Soweit der VdZ das sieht, fiel der Zugehörigkeitsgedanke zu Spanien in Katalonien nicht zufällig historisch in dem Moment, wo der Reichsgedanke durch einen Staatsgedanken ausgetauscht wurde.***




*Wenngleich es in neuerer Zeit zu bemerkenswerten Versuchen kommt, diesen Gesamtraum neu aufzugreifen, freilich noch weit entfernt von einer Bereitschaft, die Gesamtsendung zu übernehmen. Was den jeweiligen faktischen Staatsegoismus befeuert.

**Damit wird auch der "wahre Schuldige" am Zerfall Europas klar, denn es ist Napoleon. Seine Zerschlagung und "Neuordnung" Europas (nach Prinzipen des technizistischen Menschen- und damit Staatsbegriffs der Aufklärung) hat den europäischen Raum nachhaltig in Unordnung gebracht. Zwar hat der Wiener Kongress das noch einmal zu beheben versucht, aber es gelang nicht wirklich. Die Folgen sind etwa das Preußentum als Preußismus, und sein Pendent im Amerikanismus, der analog zur preußischen Zerschlagung natürlicher Räume und Identitäten in den USA die Staatsräume zerschlug und in eine universalistische Identität als Vorgabe preßte. Was letztlich erst nach 1945 gelang.  

***Gerade die Bayern müßten das sehr direkt begreifen, ihnen erging und ergeht es ähnlich. Noch dazu wurde das Problem verwischt - und damit verschärft, es wird sich über kurz oder lang mit neuer Brisanz wieder nach oben schaufeln - weil ein Drittel seiner heutigen Bevökerung erst nach 1945 als entraumte, ihres Sinnes, ihrer Identität also beraubten Zuwanderer aus verlorenen Ostgebieten Deutschlands ins Land kam.






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