Teil 2) Von denen, die sich laisieren ließen,
und von denen, die häufiger in die Seminare kommen
und von denen, die häufiger in die Seminare kommen
Alles das hat aber auch im Klerus Verwirrung gestiftet. Nicht nur unter den Seminaristen, sondern vor allem bei den Pfarrern und Kaplänen. Bei dem Teil des Klerus also, der unmittelbar mit den Menschen zu tun hatte, der in der Pastoral stand. Denn dort waren sie auch mit den ... Frauen konfrontiert, die in den Pfarren traditionell immer sehr engagiert waren. Dazu kam das Zweite Vatikanische Konzil, das förmlich (oder zumindest in der seltsamen "Stimmung der Weltoffenheit") oder medial interpretiert die Offenheit auch für diese Seiten des Menschen propagierte.
Dazu
kam der einmalige Fall, daß die Dikasterien in Rom die Laisierungen
ungemein liberal zu handhaben begannen. Laisierungen waren vor 1964 so
selten gewesen, daß viele Priester gar nicht wußten, daß eine solche
kirchenrechtlich überhaupt möglich war. Von 1970 bis 1976 alleine nahm
die Zahl der Priester weltweit von 413.000 auf 340.000, die Zahl der
Ordensleute von 208.000 auf 165.000 ab. Man verlängere diese Zahlen nach vor (die Laisierungswelle begann etwa 1964) und zurück (Anfang der 1980er beendete Johannes Paul II. die so liberale Handhabung der Laisierungen.) Auch die Zahl der Neugeweihten ging rapide zurück, stabilisierte sich erst Mitte der 1980er Jahre. Und man kann davon ausgehen, daß erneut vor allem der
Westen davon betroffen war.
In sich aus mehreren Richtungen verunsichert - die wir hier nicht erschöpfend behandeln, sondern nur anreißen wollten - begannen die Priester die Begegnung mit dem anderen Geschlecht immer "offener" zu gestalten.**
Dieser
Vorgang war weltweit zu beobachten, vor allem aber im Westen. Und
er hatte EINE direkte Folge, die man meist ganz einfach vergißt: Es
gingen in diesen Laisierungswellen praktisch nur Heterosexuelle! Warum
hätten Schwule gehen sollen? Sie "hatten ja alles". Auch die
Verschwiegenheit. Damit erhöhte sich automatisch der Prozentsatz an Priestern in der Kirche, die homosexuell lebten, und das umso mehr, weil sich das vor allem im Westen abspielte.
Damit veränderte sich schon rein praktisch die Haltung vieler Priester zur Homosexualität. Auch
in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein
Gläubiger mit einem homosexuellen Priester zu tun bekam (und bekommt),
ist vor allem im Westen schlicht und ergreifend deutlich gestiegen. Hier
noch mehr noch als anderswo, verschob sich der prozentuale Anteil von
hetero- verglichen mit dem homosexueller Priester deutlich zugunsten der
letzteren.
Und
weil Homosexuelle (zumalen Homosexualität notwendig verborgen bleiben
mußte und in der Kirche nach wie vor verborgen werden muß) dazu neigen,
sich zu "verschwören", sich also gegenseitig zu helfen und zu fördern,
kamen diese nicht nur leichter in den Hierarchien nach oben, sondern
auch die Lage bei Männern, die den Priesterstand wählen wollten, änderte
sich. Wer sich etwa an die Situation des "Sexskandals" im
Priesterseminar St. Pölten erinnert weiß, was als Beispiel dafür gemeint
ist: Dort herrschte eine regelrechte "schwule Atmosphäre", der sich
kaum ein Priesteranwärter dort entziehen konnte***. Oder ... wollte.
Immerhin haben wir es zwar nicht theoretisch, aber praktisch in der
Kirche mit einer völligen Neudeutung der Natur der Homosexualität zu
tun. Ein Schelm, wer da Böses denkt.
Damit
sind wir bei den erwähnten ganz handfesteren Gründen. Die zeigen, warum
der Prozentsatz an Homosexuellen unter dem Klerus deutlich über dem in
der männlichen Durchschnittsbevölkerung liegt.
Weil
das Zölibatsgebot vor allem heterosexuelle Männer betrifft und unter
der heutigen Prämisse der Rolle einer angeblich im Sinne der seelischen
Gesundheit frei zu lebenden Sexualität fast nur heterosexuelle Männer
vom Klerikerstand fernhält.
Während
erst in diesen letzten 50 Jahren der Klerikerstand in gewisser
Hinsicht zu einem Eldorado für Homosexuelle wurde, sich deren Anteil im
Klerus also aus Eigendynamik heraus erhöhte.
**Die Art der Beziehungen änderte sich deutlich. Auch der VdZ kann sich an ein
Verhalten der damals noch fünf Kapläne in seiner Heimatpfarre erinnern,
in der an frommen Abenden plötzlich kecke Spielerein zwischen den
Klerikern und den anwesenden Fräuleins zu beobachten waren. Es
kam, wie es kommen mußte. Von den fünf Kaplänen Ende der 1960er haben sich vier laisieren lassen, und alle haben geheiratet und eine Familie
gegründet. Es kam in diesen Zeiten sogar zur Bildung einer
"Anti-Zölibat-Bewegung" im Klerus, die weite Kreise zog.
***Daß
es ganz eindeutig Zusammenhänge zwischen Mißbrauch und Homosexualität gibt -
beides stammt aus derselben Wurzel mangelnder Außenorientierung und
damit vermiedener oder verhinderter Identitätsbildung durch
Selbstüberschreitung - soll hier zumindest erwähnt werden. Denn es
hat insofern Relevanz, als die "Mißbrauchsskandale", die die Kirche so
massiv erschüttert haben, und die vor allem homosexueller Mißbrauch sind
beziehungsweise waren, genau mit den hier geschilderten Vorgängen zu tun haben.
*070518*