Dieses Blog durchsuchen

Mittwoch, 2. Mai 2018

Eine Generation der Opfer und Täter

Auch in diesem Fall muß man Roß und Reiter nennen. Zum einen ist nicht mehr länger zu übersehen, daß große Teile einer ganzen Generation, die nun ins Rentenalter kommt (um sie ungefähr abzugrenzen) vor der Tatsache stehen, daß sie ihre Lebensführung an einen Punkt gebracht hat, an dem sie mit leeren Händen dastehen. Es ist jene Generation, die in den 1960er und 1970er Jahren eine Revolution erlebt haben. In der eine gesamte gesellschaftliche Struktur nihiliert wurde. 

Damit standen diese Menschen vor der Situation, sich zum einen soziale Strukturen neu und willkürlich aufbauen zu sollen - was schon aus der Natur der Sache gar nicht funktionieren kann, weil gesellschaftlicher Aufbau eine Frage der Tradition ist, also im Grunde unbewußt "weil es so ist" geschieht, oder er ist eben gar nicht mehr da - und zum anderen eine "Freiheit" genießen zu sollen, die sie vor die Scheinwahl stellte, doch erst einmal ruhig alles Überkommene zu zerstören, um eventuell Neues zu finden. Alles war zur Disposition gestellt, alles war neu zu erfinden. 

Damit wurde gleichzeitig etwas Sensationelles geschaffen: Nunmehr neuen Leitsternen ausgeliefert, die da vor allem auf "Erfahrung" und damit das Experiment angeblich setzen sollten, wurde diese Verwüstung auch noch als "frei gewählt" verkauft. Und auch so geschluckt.

Nunmehr steht diese Generation nicht nur in einem Feld von Ruinen und leeren Landschaften, auf sich geworfen und in der Falle des Autonomismus gefangen, sondern sie fühlt sich auch noch alleine Schuld daran. Das typische Mißbrauchssyndrom eben, wo genau über Erfahrung als Maßstab der Weltordnung nur noch zwischen angenehm und unangenehm zu unterscheiden ist. Aber daran läßt sich nicht Richtig oder Falsch ablesen. Alleingelassen in der Entscheidungsfindung, bleibt nichts anders als Wahl, und hier natürlich - die Wahl des Angenehmen und deshalb das der hohen Nützlichkeiten, die sogar schwerste Sünden (die ja immer ein Verstoß gegen natürliche Ordnungen sind) für gut hieß. 

Als "allgemeine Stimmung", als "allgemeine Ordnung", an der zu orientieren dem jungen Menschen, der immer ja Halt sucht und braucht, so eingeschrieben ist. Wir sind tatsächlich die Opfer des social engineering, wir sind die Opfer des sexuellen Revolution (als Technisierung dieser Kräfte, durch Ehe-Verweigerung, Verhütung, Abtreibung), der Zerstörung der Hierarchien und Autoritäten, der Familiengefüge (denn Familie gibt es nur als bestimmtes Gefüge), vor allem der Wende zum Subjektiven, die angeblich die Quelle alles Glücks ist, dabei aber nur Vehikel darstellt, Ordnung (die sich nur vorfinden läßt) zu zerstören. Nichts wäre falscher gewesen.

Und das Angenehme ist auch bald entleert. Weil sogar die sinnlichen Daten das Hineinbergen in den Geist verlangen. Und damit in die Selbstüberschreitung, die genau nicht das Gefühlte als Maßstab nimmt (es kann nur zusätzliche Daten liefern), sondern die Ausrichtung nach der Wahrheit, das Heraustreten aus dem Zufälligen der Ströme der Sinnesdaten, das ordnen nach dem Guten und Schönen. Der Geist ist es, der auch die Sinnesdaten ordnet und formiert. Er ist es, der einen Lebensentwurf zu erstellen vermag, der über die Augenblicks-Zustände hinausreicht.

Er ist es, der auch das formt und kraft der Wahrheit gebietet, was als Tugend die einzige Haltung ist, die ein Leben als "gelungen" oder "mißglückt" zu leisten vermag. Und er ist es auch, der einzig jenes nun legitime "Gefühl" schaffen kann, das aber weit über bloße Sinnlichkeit hinaussteigt, letztere sogar birgt und ordnet, in dem sich jenes Glück einstellt, das auf geglücktes Leben Bezug nimmt, und nicht auf momentane, zufällige Gefühlszustände. Wohin die uns geführt haben sehen wir heute, wo wir mit leeren Händen dastehen.

Uns, die wir dieser Generation entstammen - auch der VdZ gehört ihr an - sollten uns deshalb zwar nicht als nächste Opfergeneration sehen. Auch wenn das zum Teil stimmt. Wir sollten uns aber vor Augen halten, daß mitten in unsere Kindheit und Jugend eine große Zerstörung einbrach, die uns in die Irre führte. Die uns Lebensführungen nahelegte - unter ungeheurem psychosozialem Druck, bei gleichzeitiger Absage an die Tradition (die sich im übrigen selbst zurückzog und ihre Pflicht vergaß) - die notwendig scheitern mußten. Weil ihre sämtlichen Paradigmen falsch weil Irrtümer waren. Zu dem uns nur die Haltung der Sühne einen produktiven Zugang ermöglicht. Viel ist an uns verbrochen worden, gewiß. Aber darauf zu beharren führt nicht weiter. Weiter führt nur das Wissen, daß wir nach wie vor in einem Insgesamt mit der Welt verbunden sind, und durch unser Leiden dieses Insgesamt aus seinem fatalen Zustand herausholen können.

Wir können nichts mehr gutmachen. Wir können es aber nicht mehr länger falsch machen. Und wir können vor allem sühnen, das heißt erkennen, bereuen und als Folgen auf uns nehmen, was wir selbst falsch gemacht haben, und was an uns falsch gemacht wurde. Die wir in unserer Kindheit und Jugend den einbrechenden Wölfen ausgeliefert wurden, uns aber so willig an ihre Felle klammerten und davontragen ließen. Die wir heute dastehen, mit leeren Händen, in einem Alter, dem es nicht mehr möglich ist, von vorne zu beginnen. Sondern das eigentlich Boden bräuchte, um darauf zu stehen, wenn uns nun die Kraft ausgeht, von der wir in jungen Jahren scheinbar endlos zehren konnten, die wir aber nun nicht haben.

Und dazu gehört auch klar unterscheiden zu lernen, wo gesellschaftliche wie politische Entwicklungen nichts anderes sind als die Folgen aus diesen Verfehlungen. Auch den eigenen. Oft sogar Strafe sind, gar notwendige Strafe. Wir sollten deshalb feinfühlig und hellhörig sein und zu unterscheiden lernen, wo Kritik an der Gegenwart, an Zuständen, am Establishment eine Folge sind, die wir uns durchaus auch selbst zuzuschreiben haben. Damit wir nicht überhören, wo und was von uns nun verlangt ist.* Und welcher Natur das ist, was wir noch tun können.




*Diese Bemerkungen sind nach der Lektüre einer scharfen Kritik am Rentensystem entstanden, in dem ausgerechnet Vertreter unserer Generation der Politik Versagen vorwarf, weil diese nicht in der Lage sei, gute Renten zu gewährleisten. Dabei scheinen wir aber zu vergessen, daß unsere Rente zwar tatsächlich mit "Lebensleistung" zu tun hat, aber diese Lebensleistung sich nach ganz anderen Parametern bemißt wie Geld, auch nicht einmal Arbeitsleistung. Sie ist eine Frage dessen, ob aus dem, was wir als Leben geführt haben, Dauerhaftes, Bleibendes entstanden ist. Denn letztlich hat eine Gesellschaft mit ihren sämtlichen Mechanismen und Ordnungen nur DARIN ihr Sein. 

Um das Rentensystem "zu sichern" sind deshalb Maßnahmen notwendig, die keineswegs mit einer Perpetuierung der bisherigen Voraussetzungen (als reines Geld-Umlageverfahren) zusammenstimmen. Auch übrigens der Irrglaube, durch die Zuwanderung, die wir erleben, wäre diese Parität aufrechtzuhalten, entstammt diesem Irrtum, der da im Traumwandel sagt, man müsse die bisherigen Paradigmata irgendwie einfach weiter erfüllen. Altersversorgung und Volk sind untrennbar verbunden, und sie sind nur innerhalb dieser Einheiten zu lösen. Niemand weiß das besser als - eben diese Zuwanderer. Die deshalb gar nicht verstehen KÖNNEN was uns antreibt, das nicht zu sehen. Denn sie wissen, daß sie diese unsere Vorstellungen niemals erfüllen werden.






*230418*