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Freitag, 18. Mai 2018

Doch ein bißchen differenzierter zu sehen (1)

Daß BIO gesund ist gehört zum fixen Bestandteil heutiger Überzeugungen. Auch wenn manche wie der VdZ es etwas differenzierter sehen, und sich dabei von Institutionen wie dem Europäischen Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften rund um Professor Pollmer argumentativ gestärkt wissen. Es sind vielmehr ganz andere Kriterien, nach denen Lebensmittel beurteilt werden sollten, beginnend bei Appetit und Geschmack.

Wichtig sind aber auch sonst Kriterien wie Verwurzelung in einer Landschaft und Lebensumgebung, also die Einbindung in eine lokale Wirtschaft des do ut des, des Gebens und Nehmens. Deshalb lieben wir zurecht die meist andere Art des Umgangs zwischen Produzenten und Kunden, in der die schöpferische Arbeit anders geschätzt wird und die Lebensmittel im Rahmen einer gewissen Kultur der Lebensfreude stehen.

Aber nicht, weil sie "gesund" sind. Kein Lebensmittel ist aus sich heraus "gesund", höchstens im übertragenen Sinn. Bekömmlich, ja, verträglich, ja, sättigend, ja, geschmackvoll und was auch immer, ja, sogar das lassen wir gelten, daß BIO meist von besserem Geschmack ist, ja alles zugestanden. Was alles sich grosso modo unter "ethischen" oder "sittlichen" Gesichtspunkten zusammenfassen läßt, die eine ganz andere Basis haben als gemeiniglich heute gesehen wird. Denn weil wir es hier mit Fragen der Anthropologie zu tun haben.* Was sich im Text unten hoffentlich einsichtig macht. Weil der grundegoistische, ja narzißtische Charakter des BIO wie es heute real gehandhabt wird erkennbarer wird.

Aber es ist nicht "gesund". Wir haben Aufgaben, Pflichten gegenüber Menschen, aber wir müssen nicht (zumindest nicht primär; wenn dann allerhöchstens um etwas selbstlos erfüllen zu können) "gesund" sein. Was an sogenannten positiven Gesundheitseffekten durch BIO-Lebensmittel behauptet wird, sind ohnehin in der Regel Mangelerscheinungen und Reaktionen darauf, auch wenn man das gezielt weil sanatorisch einsetzen kann.

Und den Schwachsinn, oft genug verbunden mit gehörigem Aberglauben**, von den "lebenden Lebensmitteln" wollen wir sowieso gleich in die Mülltonne treten. Wir können (wie alle Lebewesen) nur zu uns nehmen bzw. verdauen, was tot ist. Und um das zu erreichen, haben wir gleich eine Tötungsanstalt am Haupteingang, die Zähne. Samt den Mund- und v.a. Verdauungssäften, die wir bei sehr artfremden Lebewesen sogar als Gift wahrnehmen. Was noch biologisch lebt, können wir nicht verdauen. Und BIO ist in der Tat oft schwer verdaulich. Samt der Gefahr, daß es unsere Systeme überfordert - einer der Hauptgründe für das, was wir  Allergie nennen, speziell wenn der Essende Persönlichkeitsschwächen hat (was auch temporär sein kann, denn der Mensch "ist eine Amplitude") und sich an seinen Pforten und Mauern ein Kampf um die Herrschaft abspielt.

Aber wollen wir das hier nicht weiter diskutieren.

Denn BIO bleibt ja trotzdem gut, nicht wahr? Ebenso wie GESUND, das wir jetzt mal weglassen, gehört zum festen Überzeugungsbestandteil des aufgeklärten Gegenwartsmenschen ja immerhin auch, daß BIO-Lebensmittel ökologischer - "nachhaltiger", umweltverträglicher - produziert werden. Weniger Energie, weniger Chemie, etc. etc.  

Aber ist dieses Urteil nicht genau das -  nicht wahr?

Über Chemie und die oft völlige Fehleinschätzung ihres Einsatzes in der Landwirtschaft seitens der Allgemeinheit findet der geneigte Leser auf den oben erwähnten Seiten des EULE viel zu lesen. Generell aber über die "Nachhaltigkeit" von BIO hat nun eine Studie, die zwei Forscher der Universität Göttingen durchgeführt haben (eine endgültige Veröffentlichung wird im Oktober passieren), einige für dieses Vorurteil problematische Erkenntnisse gebracht. Die dem VdZ schon in der Ankündigung so plausibel erschienen, daß er sich davon weiter anregen ließ.

Zwar stimmt es dabei, daß der "C02-Abdruck" (über dessen Relevanz wir hier freilich nicht weiter sprechen wollen) bei BIO geringer als bei konventioneller Landwirtschaft ist. Aber das stimmt nur, wenn man die Klimawirkung auf die Fläche umlegt und mit konventioneller Landwirtschaft vergleicht. Aber BIO-Landwirtschaft liefert eben auch weniger Ertrag. Berücksichtigt man nun sämtliche Aspekte der BIO-Landwirtschaft, und bezieht es auf die Erträge, dann schaut die Sache schon anders aus. Dann ist BIO-Landbau nämlich klimaschädlicher als der eines dummen Normalo-Bauern, der ja bekanntlich immer die größten Kartoffeln hat.

Ein Paradox? Schauen wir uns die Sache genauer an.


Morgen Teil 2) Wenn alle auf BIO umstellen, sinken die Erträge noch mehr



*Erst daraus ergibt sich dann auch ein Maß für die Stellung der umgebenden (nicht-menschlichen) Welt, der "Natur". Und die ist ganz anders als der heutige Mensch sich vorredet oder vorgeredet bekommt. Es ist so nebenbei signifikant, daß in einer Zeit, in der allem seine "Natur" abgesprochen wird (man nehme nur die Frage des Gendering; aber überhaupt findet sich dieses Problem in der Sichtweise aller Dinge) die "Natur" zu einer Art Götze gesteigert wird, die uns Menschen sogar noch übergeordnet sein soll. 

Das Interessante ist dabei diese "Überordnung", die mit dem Begriff der "Natur" nämlich tatsächlich verbunden ist, das ist das Wahre an der "Ökologie". Aber es auf die "Natur" umzulegen, auf die Bäume, das Wasser, die Tiere etc., ist eine Rationalisierung eines viel tieferliegenden Begriffs, der das aus der Schöpfung vorgegebenen Wesen aller Dinge als Ideen Gottes meint. Ohne diese Klärung aber kann über "Natur" gar nicht gesprochen werden. Die heutige Verwendung des Begriffs ist also eines der vielen Beispiele für die vielen Nebelbegriffe, mit denen sich unser Denken heute sukzessive auflöst. Denn während auf der einen Seite die "Natur" angebetet wird, ist sie auf der anderen Seite beim Menschen angeblich beliebig. 

**Vielmehr zeigt sich im Kult um BIO eine der heutigen den Kulturleichnam umfassenden Rationalisierungen eines Verlustes echter Sinnhaftigkeit und Symbolträchtigkeit alles Irdischen, auch und gerade im Essen. BIO ist ein billiges, plattes Götzen-Surrogat für das, was die Schöpfung wirklich zusammenhält - und das ist das Wunder. In einer vollkommenen Welt, dem Neuen Himmel, der Neuen Erde - im Heiligen Gottesdienst. Wo kein Gottesdienst, wo kein Kult des Paradieses mehr, wo keine in Heiligkeit wiederhergestellt Welt mehr - dort entsteht BIO. Deutlich erkennbar durch die Rede vom angeblichen "Nutzen", der technischen Wirkung, der BIO durchtränkt wie Jauche den Fußlappen.






*080518*