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Samstag, 6. Oktober 2018

Aus einer Gaswolke wird kein Organismus

So verstehbar die spontanen Demonstrationen und Volkserhebungen wie in Sachsen auch sein mögen - ihnen liegt ein fataler Fehlschluß zugrunde. Nicht korporalisiert, also nicht als Organ und Organismus geordnet (organisiert), fehlt ihnen die Formierung zu einem Instrument. Sie bleiben Symptom in einem Zwischenstadium, nicht mehr. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis Organisatoren kommen, die sich dieser ungeformten Reaktion bemächtigen. Und sie dann in Richtungen führen, die erst noch niemand hätte gewollt. 

Das ist die Crux des Individualismus, Crux eines verfehlten Freiheitsbegriffs, in dem die Menschen tatsächlich glauben, Volk (und damit angeblich "Macht") wäre die Summe aus Vielen. Dabei ist sie ein Ganzes, das erst die Vielen ergibt! 

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Es ist verräterisch, daß ausgerechnet die den Begriff "Volk" abzuschaffen vorgeben, die in Wahrheit nur die Hindernisse zur Begründung eines neuen "Volkes" aus dem Weg räumen wollen, in dem sie neue Maßstäbe der Formierung (als Form also, als Idee) definieren wollen, in denen sie die Führung (also die Formierung) übernehmen.

Sie werden aus den Büschen hervorspringen und ihre Fahne ganz vorne tragen. Und so die Gesamtrichtung an sich reißen, weil erst sie Korpora, Organismen schaffen. Dasselbe, das bei der 68er-Bewegung passiert ist, aus der man offenbar deshalb noch immer nicht die richtigen Schlüsse gezogen hat, weil man sie nur noch als (Eidechsenschwanz!) "Linksbewegung" wahrnimmt, die sie aber erst und aus einer bürgerlichen Vernunftreaktion heraus durch Okkupation wurde.

Es ist also ein bedauernswerter, ja tragischer Fehler, daß Erhebungen wie in Sachsen nicht auf Personen aufbauen, die erst jene Form zu stiften vermögen würden, die eine Erhebung zu einer politischen Kraft macht. Und diese Informierung muß personal geschehen.

Man wird nicht sehr verfehlt gehen wenn man also annimmt, daß die Abneigung, die heute so viele - vermutlich auch in Sachsen - gegen eine Bindung an und in einen Organismus haben, und die ihnen (so wie heute fast allen Menschen unserer Breiten) fast körperliches Unbehagen einflößt nur daran zu denken, sich solcherart zu einem Korpus zu organisieren, der dann auch einen personalen Kopf braucht, daß also diese Abneigung und Weigerung auf eine seltsame allgemeine Wurzel zurückgeht:

Den Individualismus, den Nominalismus, und einen daraus folgenden verfehlten Freiheitsbegriff als Ablegen aller Bindungen. Das, was daraus folgt - so, wie es die Menschen also glauben - kehrt sich ins genaue Gegenteil: Aus der vorgeblichen Vermeidung von "Mißbrauch" wird erst recht der Mißbrauch, nur bemerken sie den nicht mehr.

Auch das so typisch für heute: Das Sichtbare wird vermieden, wird verdrängt, wird hinausgestoßen, denn es verlangte das, was Menschsein in Wahrheit ist: Persönlichkeit, Mut, Transzendierung. Das Wirkliche wird ins Unbekannte abgeschoben, in etwas, das man nicht einmal kennen möchte. Weit weit weg. Aus dem Blickfeld. Aus der Wahrnehmungsschwelle. Um so ganz bei sich und mit auf sich selbst gerichtetem Blick bleiben zu können, während alles Tun nur noch Schein- und Ersatztheater wird. In dem aber alle Begriffe - Volk, Recht, Staat, Identität ... - nur noch die Rolle von Bühnendekor haben.

Um im Endeffekt dann dankbar jenen zuzustreben, die ihnen diese Arbeit abnehmen und einen Korpus bieten, in den jeder nur noch - ohne viel Mühe - eintreten kann. Vielleicht erklärt sich so schon das ganze Phänomen Merkel. Das ohne diese Acedia des Volkes nicht denkbar wäre.

Momentan aber sind die Erhebungen in Sachsen mit dem Verhalten einer Jungfrau zu vergleichen. Die sich mit gespreizten Beinen aufs Bett legt, weil sie einen Traumprinzen erwartet, und erwartungsvoll die Augen schließt. Aber dann nicht bemerkt, wer sie wirklich begattet.




*010918*