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Mittwoch, 24. Oktober 2018

Rückschlag hier, Sieg dort für den Liberalismus (3)

Teil 3) Amerika vor der Megakrise?




Die Gründerväter von 1776 wollten in den Vereinigten Staaten von Amerika einen Staat, der auf der Persönlichkeit und Individualität des Einzelnen aufbaute, auf individueller Kreativität, Einfallsreichtum, Rhetorik, und vor allem Handel, nicht auf Religion. Diese sollte nur noch eine sekundäre, rein private Rolle spielen. Damit begründeten sie den ersten säkularen Staat der Weltgeschichte.

Eine zu starke Bindung an die Scholle, ans Land, wie sie Europa so geprägt hatte, wollten sie nicht. Ein Versprechen, das seine Faszination für so viele Europäer, die den Verbindlichkeiten der europäischen Kulturen entkommen wollten, bis zum heutigen Tag ausspielt. Und es ist der Grundcharakter der US-Verfassung, die eigentlich eine Handels- und Wirtschafts-Verfassung ist, die eine Gesellschaft begründen und tragen soll. 

Darin zeigt sich der eigentliche Gründungsimpuls der USA, dem so oft großartige Philanthropie unterstellt wird, der aber in Wahrheit die Wünsche einer Gruppe reicher Wirtschaftstreibender ausdrückte, die jede Beschränkung durch den Staat (England) abschütteln wollte. Die anderen die Kerze ins Fenster stellte, eines Tages auch so wohlhabend werden zu können, und für diese Chance auf viele weitere menschliche Bedingungen und Notwendigkeiten zu verzichten, diese ins bloße Privatleben abzudrängen. Und in gewisser Hinsicht hat sich dies auch bewahrheitet: Der Wohlstand in den USA ist trotz allem sehr hoch, und viele profitieren von den Grundzügen der Gründerväter. Die verkünden, man könne, ja müsse alle Güter (der Welt) haben, und zugleich im privatimen Bereich die seelischen Bedürfnisse des Heils befriedigen. Es läge nur am Einzelnen, es zu verwirklichen, denn jeder kann tun und lassen, was ihm gefällt.

Das aber widerspricht von allem Anfang an dem Naturrecht, der Natur des Menschen. Ein Streit, der sich in der Bedeutung der Rhetorik in den USA zeigt. Denn diese Spannung war nur durch Rhetorik zu besänftigen, "wegzureden" oder zu überwinden. Erst so konnte diese Ideologie - und eine solche war und ist es - des universalistischen, also alle übrigen Anschauungen überlagernden Amerikanismus durchgesetzt werden. Sie baut letztendlich also auf der Ansicht auf, daß das Glück des Menschen Ausfluß seines Egoismus, Ergebnis des Strebens nach Glück als Zustand des Wohlbefindens ist. 

Was natürlich eine Lüge ist. Von Anfang an spaltete sich die amerikanische Gesellschaft in Reiche = Mächtige, die immer reicher und mächtiger wurden, und eine große Mehrheit von Armen oder gerade nicht Armen, die auch reich zu werden trachteten und denen versprochen wurde, daß sie es tatsächlich und jederzeit werden könnten. ("Vom Tellerwäscher zum Millionär.") Sie mußten nur bereit sein, ihre Ellbogen einzusetzen. Cleverness übertrumpfte Wahrheit, die zur Richtigkeit und Nutzbarkeit absank. Von allem Anfang an war also das Momentum der Gewalt, des Rechts des Stärkeren in diese Staatsgründung als treibende Kraft eingeformt. Ein System von universalistischem Individualismus, das auch zu funktionieren schien und nach wie vor zu funktionieren scheint. Es brachte den USA enormen Wohlstand an Gütern, gewaltige Errungenschaften und Vorsprung in der Technik, und letztlich Macht über die Welt.

Insofern ist die USA direkter und noch unbeschränkterer Ausfluß des europäischen Kapitalismus, wie er sich spätestens seit dem 15. Jahrhundert entwickelt hatte. Wo er von Anfang an eine Rauboperation war. Die heute mit "freier Marktwirtschaft" camoufliert wird, die etwas ganz anderes ist. Weil sie eine Volkswirtschaft immer vom Gemeinwohl her deutet, also auch den Schwachen ihren Platz ermöglicht, den Starken aber mehr Lasten auferlegt, um die menschliche Begierde in Zaum zu halten und zu verhindern, daß sie das Gemeinwohl schädigt. Denn die Würde und das Existenzrecht eines Menschen beginnt nicht bei seiner Leistungsfähigkeit, bei der Aktualisierung bestimmter wettbewerbstauglicher Eigenschaften, sondern ist per se gegeben. Wohlstand ist nur ein Mittel, nicht Ziel.

Diese Spannungen kamen deshalb immer wieder, und sie verschärften sich zuweilen. Und führten auch zu Gegenbewegungen, zu Gruppen oder Personen, die den Wohlstand teilten. Weil es nicht vermeidbar ist und war, daß es in diesem Widerstreit zu Überschneidungen kommt, weil das Naturrecht selbstverständlich immer wieder nach oben drängt. Und ein großes Potential für Haß entstehen läßt, der nicht einfach Neid, sondern Naturwidrigkeit zum Grund hat. Denn allmählich haben viele Amerikaner begriffen, daß das Versprechen auf Reichtum als Grunddynamik einer Gesellschaft eine Lüge ist, die einen Scheinfrieden schafft, der aber nur der Schichte jener dient, die "oben" sind. Wir erleben heute sogar ein Grundversagen der Rhetorik, ja ihr nahendes Ende. Heute stehen sich zwei Schichten gegenüber, die unversöhnlich sind, sodaß Gewalt als nächster Schritt für immer mehr als unausweichlich scheint. Es gibt nicht wenige Beobachter, die die USA heute an der Schwelle zu einem Bürgerkrieg sehen. Das ist uns Europäern gar nicht richtig bewußt, worum es im Wahlkampf zwischen Clinton und Trump wirklich ging. 

Er war eine Grundentscheidung GEGEN die Schichte derer, die "oben" sind, das "Establishment". Und die alle Mittel einsetzt, oben zu bleiben, auch vor Mitteln der Manipulation, des social engineering nicht zurückschreckt. Um einen Kurs zu steuern, mit dem aber mehr als die Hälfte der Amerikaner, die zurecht eine Verletzung des Naturrechts erkennen oder zumindest ahnen, nicht mehr einverstanden sind. Trump wurde (und machte sich) in diesem Wahlkampf zur Symbolfigur dieses Widerstands. Deshalb hat er gesiegt. Und nun müssen diese Amerikaner erleben, wie das Establishment sämtliche Machtmittel einsetzt, um diese ihre Entscheidung zu revidieren. 

Hier stehen sich tatsächlich zwei unversöhnliche Lager mit unvereinbaren Zielen gegenüber: in den Gruppierungen, die sich auf naturrechtliche Grundlagen berufen - Ethnie, Religion, Verwurzelung, Kultur, schlicht: als in sich integres, stabiles, homogenes Volk - und jenen, die ungebrochen den universalistischen Individualismus verfolgen, der mit Volk und Identität nichts am Hut hat. Die also das vertreten, was man in den 1950er Jahren konzentriert begonnen hat, als man die ethnisch-religiös relativ geschlossenen Volkschaften gezielt zu durchmischen, das heißt: aufzubrechen begann.* Durch social engineering. Durch konkrete politische Maßnahmen.**

Auslöser einer solchen blutigen Auseinandersetzung könnte nach Ansicht von David Wemhoff sein, wenn diese beiden Gruppen ihre konkreten wirtschaftlichen Interessen endgültig auseinanderbrechen sehen. Wo die einen eine regionalisierte Wirtschaft der verwurzelten Existenz und Identität wollen, die der von den anderen angestrebten weiteren Internationalisierung, Identitätsauflösung und Entwurzelung aber direkt widerspricht. In der schon länger andauernden und sich weiter zuspitzenden Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Gruppen, die sich etwa in konkreten und gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen "Trump-Unterstützern" und "Trump-Gegnern" kann man bereits Vorzeichen für einen solchen Bruch sehen. Erstmals gibt es auch eine mächtige Gruppe, die das Ergebnis einer Wahl nicht mehr anzuerkennen bereit ist, also das Gemeinsame des Landes USA nicht mehr lösbar sieht, wenn sie nicht selbst an die Macht kommt. Während die anderen die Lösungskraft des einstigen gemeinsamen rhetorischen Raumes (Medien) nicht mehr anerkennen ("Lügenjournalismus").


Morgen Teil 4) Wemhoff stellt unser Bild von Trump auf den Kopf





*021018*