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Donnerstag, 11. Oktober 2018

Solch eine Zeit wird vernunftlos

Woran erkennt man die Vernunftlosigkeit einer Zeit, die ja immer die Vernunftunfähigkeit von Menschen, von Personen ist? Man erkennt sie daran, daß die ontologische Wahrheit - also die Wirklichkeit, die allen Dingen, und natürlich erst recht dem Menschen, als Wesen (sic!) zugrunde liegt, und die geistig ist - nicht mehr "gefühlt" wird. Also mit der Lebenswirklichkeit nicht mehr übereinstimmt. Wenn also das, was sich aus dem täglichen faktischen Emotionssalat ergibt nicht mehr wahr ist. 

Das sind die Zeiten, wo die daherkommen, die uns einreden, daß es im Leben darauf ankäme, seinen Gefühlen zu folgen, nicht dem Verstand, nicht der Vernunft. Wer seine Augen aufmacht würde aber sehen, was die Folgen davon sind. Würde das Chaos sehen, in das das Leben der meisten Menschen bereits versunken ist, würde diese Unauflösbarkeiten sehen, in die wir verstrickt sind (und den Sozialstaat erkennen, der mehr und mehr die Funktion übernommen hat, dieses Chaos "folgenlos" zu machen).

Das Problem der Vernunft ist, daß sie das Licht ist, das die sinnlichen Reize überhaupt erst zu Gesehenem, also zu Dingen etc. macht. Denn man sieht immer "etwas" (oder nichts). Und dort liegt das Problem: Vernunft braucht Sittlichkeit, braucht Abstand von der Eingebundenheit in ein Geschehen, um es abstrahieren zu können. Wer nur in die Schemata von Aktion - Reaktion eingebunden ist, wer nie aus der Rolle aussteigen kann, ist ihr auch schon unterworfen. Dann ist ein Impuls (sagen wir: das Bild einer schönen Frau, die entsprechende Reize zeigt) auch schon Grund genug, und Rechtfertigung genug, sie zu bespringen. 

Das ist zwar ein Relikt aus einer Zeit, wo das anders war, wo Vernunft noch direkt und untrennbar mit sinnlichen Reizen verbunden war, aber vor allem: Wo die Vernunft noch unverstellt und damit wahr war. Und das heißt: In der Ur-Unschuld verbunden war. Denn die Welt ist ja tatsächlich als eine "Säule" gedacht, in der der Geist ungebrochen mit dem untersten, dem materialen Faktum, zusammenstimmt. Dazu braucht es aber vor allem eines: Gehorsam. Ja, liebe Kinder: Gehorsam! 

Genau diesen Gehorsam haben Adam und Eva nicht geleistet. Und damit, damit haben sie diese Gebrochenheit in den Menschen bewirkt, unter der seit diesem Fall "im Paradies" jeder von Adam und Eva Abstammende - also die gesamte Menschheit - zu leiden hat. Die Menschheit ist aus dieser Totalität herausgefallen, wo über die Sinne auch die Wahrheit in uns lebendig wurde. 

Was seither über unsere Sinne eindringt, ist zwar als Teilaffekt "wahr", weil es über Schönheit agiert, von der Wohlbefinden nicht trennbar ist (oder: wäre), aber es betrifft nur noch einen Teil in uns. Denn seit wir ungehorsam waren (und es tendenziell immer noch unausrottbar sind, wir, die Kinder Adams und Evas, und zwar über die uns qua Vererbung übermittelte So-Seins-heit, was sich seither zu oft recht komplexen Gebilden und Strukturen entwickelt hat) tragen wir in uns eine Spaltung. Hier ist die sinnliche Gegebenheit, dort ist der menschliche Geist, der im Urteil entscheiden muß (nicht: kann; muß!) was wahr ist und was nicht. 

Dazu muß er frei stehen, dazu muß er Freiheit haben. Denn die ist Wesensmerkmal des Menschen: Freiheit. Als Ähnlichkeit zu Gott ist sie uns eingeschrieben, ohne sie sind wir nicht denkbar. So wie Gott nur "Sinn" ergibt, wenn wir ihn völlig frei denken. Also nur aus sich heraus agierend. 

Agiert aber ein Mensch, der von seinen Anwegungen über die Sinne bewegt wird, frei? So wird es ja behauptet! Nein. Denn unsere Lebenswirklichkeit ist weit weit komplexer. Wir müssen mit unserem Verstand entscheiden, was einerseits wahr, was anderseits richtig (gut) ist, weil es zu einem Sein in der Wahrheit führt. Dazu braucht es das Gegenteil von dem, was uns heute ständig eingeredet wird: Abstand von unseren sinnlichen Eindrücken, um sie in die richtige Ordnung setzen zu können. Die Menschen solcher Zeiten sind getrieben, alles an ihnen ist nur noch darauf ausgerichtet, ihre Begierden befriedigen zu können, und zwar unabhängig von allen Folgen, ohne jeden Gedanken an Zukunft. 

Ach ja, auch das heißt es ja oft: "In der Gegenwart leben." Seltsam, daß das so überhaupt nicht gelingt? Außer man greift zu Drogen und Betäubung. Immer sind diese blöden Gedanken da, die an morgen, an irgendetwas denken lassen, das, geht man ihm nach, immer irgendetwas mit einer Art "Wesen der Dinge" zu tun hat. Als läge darin sogar die Zukunft. Wenn aber die einen sagen, daß das die richtige Art zu leben wäre, dann muß es andere geben, die diese Art unterdrücken!? Denn man selber will es ja, aber - es geht seltsamerweise nicht? Ah ja. Dann ist das die Frucht der Feinde. Das sind dann die Feinde. Die, die ... Vernunft als oberstes Prinzip ins Spiel bringen. Die sind die Unterdrücker, die einen am eigenen Glück hindern.

Denn so etwas wie ein Wesen der Dinge gibt es ja angeblich nicht. Alles ist volatil, wie man sich fühlt, so "ist" man auch. Jetzt und jetzt, hier und hier, dort und dort. Alles fließt, alles zerfließt, alles ist mal so, mal so, und immer "ist" es, man fühlt es ja?! Heute so, morgen so. Und darauf richten wir dann auch alles aus. Bindung, Institution, Einrichtung, Kultur - alles ist nur noch ein unbestimmtes Irgendwas. "Beziehung", das Lieblingswort des VdZ, statt "Ehe", zum Beispiel. Und wenn das nicht reicht, machen wir "Ehe" zur "Beziehung".  

Und die, die von Geist und Idee sprechen, nennen wir dann ... ach, wie hieß das doch noch? Ach ja ... "selbstüberfordernde Idealisten". Wir sind ja Realisten. Wir sind ja ... dem Alltag ausgeliefert. Wir leben eben in der Gegenwart, juchei! In diesem nie faßbaren Moment, der in dem Moment, wo wir seiner gewahr werden, bereits Vergangenheit ist. Irgendwie entspricht also unsere eigene Verfaßtheit nicht dem Anspruch auf ewige Gegenwart? Denn ein Denken gibt es nicht, in dieser Gegenwart. Ach ja, wozu brauchen wir ein Denken. Komisch nur, daß die Menschen so leicht panisch werden, wenn sie sich nicht im Denken verankern können. Ach ja, einfach zu wenig spontan, zu verknöchert, zu überholt? Das wird es sein. Denn denken ist ja nur die Technik der Wortablaufsummmierung, wie in der Technik. Wahr ist nur noch, was technisch perfekt abläuft. Ach, perfekt? Woher wissen wir das? Nicht, weil wir eine Vorstellung haben, was perfekt sei? Woher haben wir die nur? Auch aus Gefühlen?

Und dann tauchen Widersprüche auf, noch und nöcher. Nein, das hat nichts mit der Welt zu tun. Das ist nur menschlich, nein: kulturell verirrt. Also lassen wir es. Leben wir doch mit Widersprüchen, und damit prinzipieller Urteilslosigkeit. Woher wir dann noch Anleitungen zum Handeln bekommen? Gibt es da nicht ... naja ... Anstandsbücher? Offenbarungen? UFO-Sichtungen, irgendwelche Nachrichten über Geheimwissen aus "weit weit entfernten Zeiten", also Hoffnungen auf eine letztliche Vernunft, die wir nur noch nicht kennen, aber irgendwann kennen werden? Oder gibt es nicht den Koran, also die Selbstoffenbarung Gottes, durch den Text unfehlbar erkennbar? Oder Ron Hubbard und seine Bibel? Oder überhaupt die Bibel, wortwörtlich ausgelegt und damit die Schrift auf einen technischen Sinn reduziert, und damit, ja genau damit ... wieder dem Drogenrausch übergeben? Nein, es waren die überlegenen Zivilisationen, die sich unter der Erdkruste verbergen und heimlich alles steuern.

Oder verlassen wir uns lieber auf Schamanen und ihre nach jahrtausendealter Geheimlehre in Wochenendseminaren aber wieder erlernbaren "direkten Anbindungen ans Universum" (oder Götter oder was weiß der Deibel noch alles, Hauptsache, es ist verborgen, unergründlich, und autoritativ). Woran wir dann mit Yoga oder Zen oder dieser jüngst erst wiederentdeckten Munailing-Meditation aus dem 4. Jahrhundert andocken und so alles wissen, uns "im Einklang mit dem Universum" befinden, das dann durch uns spricht. Oder wäre eine Reinkarnationstherapie nützlicher? Ach, die Liste ist wirklich unendlich. Hauptsache, das Klima wird gerettet. Und alles Gift vermieden. Daneben das Ozonloch geschlossen. Und das omnipräsente Plastik entschärft.

Wo eine Zeit den Abstand zu den sinnlichen Eindrücken nicht mehr hat, wo sie nur noch mit sinnlichen Eindrücken arbeitet, diese gar verherrlicht und "neutralisiert" (als wäre es für ein menschliches Leben - ganz real, rein faktisch betrachtet - gleichgültig, ob er hier oder dort herumfickt, verhütet, abtreibt, betrügt, stiehlt, quält, tötet ...) widerspricht sie jeder realen Erfahrung. Jeder. Und jeder erlebt es. Denn das Zeichen für Wahrheit ist Geglücktheit, ja ist: Glück. Nicht Wohlgefühl, das ist nicht Glück. Sondern Wahrheit, das ist Glück. Auch wenn es mal wehtut. Jeder erlebt das in seinem Leben. Solch eine Zeit hat kein Instrumentarium mehr, wie es Kultur bedeutet, in dem auch das einfache Empfinden wenigstens noch näherungsweise der Wahrheit entspricht.

Und das alles geht, ohne daß wir auch nur einen Moment an unserer Sittlichkeit arbeiten müssen. Wir müssen nur Übungen machen, bestenfalls.

Solch eine Zeit wird mit absoluter Sicherheit vernunftlos.

Solch eine Welt wird zur Hölle.







*120918*