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Freitag, 26. Oktober 2018

Kollateralschäden (1)

Jedes achte europäische Mittel- und Großunternehmen, also 12 Prozent, das mindestens zehn Jahre besteht (also kein Gründungsunternehmen ist, das natürlich anders gesehen werden muß) ist so hoch verschuldet, daß es nicht in der Lage ist, seine Zinslast zu bedienen. Deshalb verschuldet es sich immer mehr. Ermöglicht wird dies durch Banken, die so schwach kapitalisiert sind, daß sie ein Kreditausfall selbst in Gefahr bringen würde. Also müssen sie das Spiel mitspielen und weitere Kredite vergeben, um den Kreditnehmer (und sich) am Leben zu halten. Das berichtet die Basler Zeitung.  unter Berufung auf eine Untersuchung der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). 

Noch in den 1980er Jahren stand diese Zahl bei zwei Prozent. Die Situation hat sich also seither stark verschlechtert. Selbst von den 600 börsennotierten Unternehmen sind neun Prozent bereits von dieser Schwäche befallen. Die durch das niedrige Zinsniveau kaschiert wird. Stiegen also die Zinsen, würden diese Unternehmen rasch zusperren müssen. Das sei, so die BIZ, auch wünschenswert, weil diese Unternehmensleichen viel gesunde Wirtschaftskraft binden und gesündere Unternehmen blockieren. Nicht zuletzt, weil gar nicht mehr überlebensfähige Firmen qualifizierte Arbeitskräfte binden und ihnen damit wegnehmen, die angesichts der demographischen Entwicklungen zu einer knappen Ressource werden.

Es ist aber vorschnell, vermutlich (detailliertere Ergebnisse werden nicht genannt, um das sicher sagen zu können) überhaupt falsch, wenn das BIZ die Unternehmen (und die Banken) dafür verantwortlich macht. Genauso könnte nämlich vermutet werden, daß diese Entwicklung eine Hauptursache hat - zu geringe Margen wegen zu niedriger Verkaufspreise (also Deflation). Diese wiederum sind eine Folge der (mit den Zwischenschritten der EU-isierung) verhängten Globalisierung der Wirtschaft in einem liberalisierten Weltmarkt. Die zu einer immer weiteren Konzentrierung großer, global agierender und nur auf Kapital und Kapitalrendite basierender Unternehmen führt. Denn diese Konzerne, um die es da in erster Linie geht, haben Möglichkeiten, die Mittelbetriebe niemals haben werden. Es sei denn, sie würden die Art ihres Wirtschaftens ändern, sich ihrer selbst entfremden weil "anpassen". Und darauf läuft es eben hinaus. 

Das Argument "höhere Effizienz" (also höhere "Produktivität") ist aber ein Scheinargument. Ein Unternehmen, das länger als zehn Jahre besteht, hat längst bewiesen, daß es etwas von seinem Geschäft versteht. Ein Unternehmer, der eine Firma gründet, die nicht kompetent und effizient ist, übersteht kaum die Ein-, auf praktisch keinen Fall die Drei-Jahres-Grenze.* Mit gesteigerter Produktivität wird also etwas anderes gemeint. Nämlich das Herunterbrechen von Wirtschaftstätigkeit auf höhere Technisierung und Mechanisierung der Abläufe, also auf Verlust an eigentlicher "Arbeit" als menschlichem Vollzug. Damit verliert Wirtschaften aber seinen Sinn, wird zur bloßen Geldproduktion und zum Zweck an sich, nicht ein Mittel. Das als Maschine zu verstehen ist, die ihre Gesetze allen Menschen aufzwingt, die in ihr Getriebe eingebunden sind.

Derzeit wird diese Tatsache, die einer der Kollateralschäden des globalen Liberalismus ist, weil dieser zuläßt, daß Wirtschaftsräume mit völlig unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen (v. a. niedrigere Löhne, rücksichtsloserer Umgang mit natürlichen Ressourcen, zentralistische, also freiheitsvernichtende Gesellschaftsorganisation) noch kaum offen diskutiert. Denn dann würde das wahre Antlitz der Globalisierung in der heutigen Form erkennbarer werden. 

Wo politische Entscheidungen (wie der Verzicht der Politik, seine Bürger zu schützen) den Menschen Lebensweisen aufzwingen, die sie freiwillig nicht gewählt hätten. Wo der Bürger, der immer ein "eher unterdurchschnittlicher Bürger" mit oft recht moderaten Tugenden und Temperamenten und Fähigkeiten ist, mit ungeheurem Zynismus ausgemerzt werden soll, weil er "der Zeit nicht gewachsen" ist und deshalb das Feld für andere räumen soll.


Morgen Teil 2)





*101018*