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Sonntag, 14. Oktober 2018

Splitter zum Tag (2)

Das ist die Crux des Redens von "männlichen und weiblichen" Polen im Menschen.  Diesen Fehler findet man sogar bei Otto Weininger. Wo ihn wohl ein wenig der Mut verlassen hat. Denn das ist dann fatal und hat enorme Auswirkungen im Denken, indem es zur Fehleinschätzung führt, daß Mannsein und Frausein "graduell" auf ein und derselben Skala verliefe. In Wirklichkeit ist jeder Mann ganz Mann, und jede Frau ganz Frau, vom ersten Moment der Zeugung an, nur in unterschiedlicher Ausgestaltung und (meinetwegen) Vollkommenheit weil Aktualisierung. Aber das Menschsein beginnt und ist grundgelegt in der geistigen Seele, die ontologisch der Physis vorangeht.  Darin liegt die unbedingte Würde des Menschen verankert, ja NUR darin kann sie gründen, nicht im Grad der Aktualisierung.

Letztere wird nach ersterer geformt - wenn sie das kann! Sonst bleibt der Wesensdruck in der Unerfülltheit stecken und wird nie Ruhe geben. Und Unerfülltheit ist das Prinzip des Menschen, der nur in Aktualisierung lebt, also in jeweiliger Wesens-Realisierung, die sich in einem ununterbrochenen Wechselspiel mit der Umgebung als ständig ändernde Historie jeweils neu durchsetzen muß.

Hier kommt die Bedeutung der sozialen Welt in der Identität als Mann und Frau zum Tragen. Denn die Umwelt ist für die Aktualisierung der Geschlechtsidentität von äußerster (wenn auch ontologisch gesehen nicht gründender) Bedeutung. Kultur ist also kein Zuckerguß, der dann und wann aufs Leben draufgegossen wird, sondern ist untrennbar mit dem Menschsein verbunden, ist die Art des Menschseins einerseits, aber auch maßgebend für dessen Höhe, also des "Menschseins selbst".* Wo immer der Mensch sündigt, sich verfehlt, ist er nämlich (noch) nicht Mensch. Und für diese Verfehlung gibt es vielerlei Ursachen, wenn auch nie "Ausreden", die eine Realisierung endgültig verhindern. Nicht, wenn sie kultureller Natur sind. Denn Kultur ist die Art, wie eine Menschengemeinschaft zu dem Menschen wird, wie man ihn als Ziel und Bestimmung erkennt.

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Der Fehler des Genderismus liegt genau hier: In der Vorstellung, Mannsein und Frausein läge auf ein- und derselben Skala eines gewissermaßen (ontologisch) "sonst in allem gleichen" Menschen. Eine Gleichheit der Menschen, die es gibt, liegt aber auf einem völlig anderen Gebiet - in der strukturellen und weitgehend abstrakten Sittlichkeit, nicht in der Realisierung, nicht also im ergriffenen "Material". Ja, sie wird erst dadurch real, indem genau diese Differenzierung als der "Ort" des Menschseins (als Menschwerden) ernst und als jene Aufgabe genommen wird, die jedem auf gleiche Weise gestellt ist.²

Umgekehrt liegt der Fehler im Anti-Genderismus oft dort, diese sozialen Komponenten einseitig weg- und auf "biologische Tatsachen" hinzureden. Real wird Geschlecht erst durch das Soziale! Und damit auch oft erst eindeutiger, als es manche rein biologische Seltsamkeit ("Hermaphroditen" werden geboren und sind Fehler im physisch-materiellen Vererbungsvorgang) nahelegen könnte.** Gerade "konservative Gutmeinende" geraten hier (aus an sich berechtigtem Abwehrimpuls des Genderismus als Subjektivismus und Relativismus)*** leicht in die Gefahr, die wahre Rolle der Kultur zu verkennen. Sie machen damit Kultur ohne es zu wissen zu einer "kleinbürgerlichen Veranstaltung".

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Die jeweiligen anderen Anteile - weiblichere Neigungen im Buben, männlichere im Mädchen - sind nicht innerhalb derselben Skala, sondern auf je andere Weise im Gesamtcharakter (und hier spricht man von Charakter) eingefügt. Sie können auch bewirken, daß z. B. ein Bub später eine scheinbar völlig andere Frau sucht, als es seine Mutter war. Reziprok für Mädchen. Was einem wohl psychisch bedingten stärker ausgeprägten, notwendigen Ablöseprozeß gleichkommt. 

Der auch viel mit der Gesamtstruktur einer Familie zu tun haben kann. Denn was man ist - Ort, Identität - ist komplex und immer nur aus dem Gesamtfeld besser begreifbar, in diesem Fall: Das Feld der gesamten Familie, aus deren realer Charakteristik heraus aber manchmal auch noch weiter. 






*Insofern hat also der weithin beobachtbare Umstand, daß Menschen eines Kulturraumes Menschen eines anderen solchen Raumes nicht als "Menschen" sehen, durchaus sein fundamentum in re, wird zumindest verständlich. Es ist mehr als "Rassismus" etc. Es braucht schon eine gewisse Abstraktionsfähigkeit, um über das faktische "So-sein" auch in einem "Anders-sein" das Humanum zu erblicken. Ansonsten gibt es keinen Grund davon auszugehen, daß auch andere Formen des Menschseins als in der eigenen Kultur gegebene (und das ist in jedem Fall hoch zu schätzen, ja muß unbedingt geschützt werden, es ist ein Auftrag Gottes) zum Menschsein an sich führen. Oder wo sie das aus bestimmten kulturellen Gegebenheiten auch nicht können, denn es gibt durchaus versagende Kultur.

²Versuchen wir es durch eine Illustrierung verstehbarer zu machen: Gleich sind der Bahnschrankenwärter und der Generaldirektor und der König in der Sittlichkeit, IN DER sie ihr jeweiliges Amt ergreifen und ausfüllen. Und darin MÜSSEN sie die Unterschiede zum jeweiligen Anderen so realisieren, als wären diese absolut. Erst in dieser Hinsicht sind sie tatsächlich (vor Gott) gleich und können im Himmel dieselbe "Höhe" erlangen. Weil sie das Konkrete geliebt haben, also sein Eigensein (zu dem vor allem auch dessen Ort im sozialen Gefüge gehört, denn alles Eigensein ist ja wesentlich konkrete, reale Beziehung) wollten und bejahten. Man kann ja nur "etwas" (bzw. an etwas) lieben. Erst so wird die gesamte Schöpfung zum Lobpreis Gottes geführt. Durch den Menschen, der (kraft Taufe und Gnade, also Sittlichkeit) "in Christo" und "ex Christo" lebt. Hierin gründet übrigens der wahre, der einzig richtige "Individualismus" des Christentums.

**Der VdZ sieht hier auch die sehr sehr seltenen Fälle eingeschlossen, wo durch Vererbungsdefekte ein Mann oder eine Frau ihre je eigene, immer und unvermeidbar durch die (Vernunft-/Geist-)Seele klar geschlechtlich definierte Seite der Körper diese ontologische Wahrheit fast vollständig verbirgt. Die Rede ist von den wie gesagt sehr seltenen Fällen von wirklichem Transsexualismus, der mit einer charakterlichen Störung wie "Transvestitentum" etc. nichts zu tun hat. Der VdZ hält aus der Begegnung mit Betroffenen heraus, die er für glaubwürdig hält, für möglich, daß so gravierende Fehler in den rein physischen Vererbungsprozessen möglich sind.

***Hier liegt der leider weithin zu beobachtende Fehler begründet, wie er uns in der "Flüchtlingsfrage" heute begegnet und der Kirche jede Glaubwürdigkeit genommen hat, ja sie als Feind der eigenen Kultur verstehen läßt. Was sogar zu guten Teilen stimmt. Aber nur im Faktischen, nicht in dem, was Kirche eigentlich ist. Wenn es nämlich heißt, man müsse sich um den Armen (Flüchtling, in Not Befindlichen, was auch immer) kümmern und dabei die Unterschiedlichkeit ausblenden. Nein! Denn Liebe zielt ja nur auf Unterschiedlichkeit ab, diese ist der Ort an dem sich Liebe erfüllt! Und das kann auch heißen, den anderen aus der eigenen Gemeinschaft auszuschließen, ihn zugleich aber in seinem Eigensein zu stärken, wo dieses ihm dient, oder aber von ihm Änderung verlangen, wo es ihm dienlicher wäre, um "Mensch zu werden". Und das heißt in der Regel auch: In seiner eigenen Kultur als ihm gegebener Ort, seine Sittlichkeit zu verlebendigen. Nächstenliebe heißt aber nicht und niemals, das Eigensein über Bord zu werfen! 

Daß das im ganz Persönlichen für einen "Figurlosen" (wie es Priester sind, die schon durch ihre Kleidung "neutral", also sopra-kulturell sind, wenn das auch nicht für die Liturgie gilt, die eben wiederum nur kulturelle Gestalt haben kann, weil sie Teilhabe der Menschen an einer Gestalt bedeutet, die prinzipiell immer in eine Kultur gekleidet ist) eine andere Form hat oder haben kann steht auf einem ganz anderen Blatt. Und ist doch nicht so einfach zu generalisieren, denn für einen Pfarrer, der ja das Ortsprinzip zu seinem eigenen gemacht hat, ist Kulturverflochtenheit in gewisser Hinsicht Liebes-Pflicht: Er muß den Menschen in ihrer jeweiligen Kultur begegnen, darin quasi als Neutraler "schwimmen", die ihm als Seelsorger aufgegeben sind. 

Um das Gesagte vorstellbarer zu machen, möge der Leser nur an die ungeheuren und weltweiten Erfolge der Jesuiten-Mission denken, die bis ins 18. Jahrhundert andauerten, ehe man sie auf politischen Druck hin verbot, weil sie dem Kapitalismus im Wege standen. Sie haben dieses Prinzip der Kulturbezogenheit verstanden, sind aber auch sehr vorsichtig damit umgegangen. Kein Jesuit hat einfach eigenmächtig Kulturformen adaptiert, immer hat er Rücksprache mit den theologischen Konsilien gehalten. Aber an sich haben sie das Leben der Kultur gelebt, in die sie gegangen waren, dabei aber aussortiert, was in dieser Kultur NICHT zum Menschsein führte, und höhergeführt, was dort dem Sein, dem Ziel des Menschen zuarbeitete. Beliebtes Beispiel: Die Chöre der Indios in Paraguay, die nämlich auch sonst so gerne und schön sangen. Oder den fälschlich als "Sozialismus" mißdeuteten Umgang mit Kollektivgütern, weil diese Menschen einen individuell kaum ausgeprägten Begriff von Verantwortung und damit Besitz hatten. Heute sind dieselben Jesuiten freilich zu den Vorreitern einer kulturrelativistischen, auflösenden und damit häretischen, tatsächlich sozialistisch-nihilistischen Haltung geworden, die eine Gefahr darstellt und dringend zu einem Verbot der Ordensorganisation führen müßte.





*120918*