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Mittwoch, 24. Oktober 2018

Eine Frage, wie wir leben wollen (1)

Es ist Hauptergebnis bzw. durch Belege gestützte These der Befassung mit historischen Gesellschaften, die Karl Wittfogel in seiner wohlbekannten Studie über die Zusammenhänge zwischen Totalitarismus und Groß- und Megaprojekten angestellt hat. Daß nämlich Megaprojekte (wie die Seidenstraße, in früheren Kulturen waren es vor allem Bewässerungsprojekte) nur möglich sind, wenn sich Gesellschaften totalitär und zentralistisch organisieren bzw. durch "entschlossene, nicht gerade macht- und vor allem gewaltscheue Hände" so organisiert werden.

In einer Welt, in der alles miteinander im Kampf ist, ist das der entscheidende Vorteil, zumindest kurzfristig. Ja, kurzfristig, in historischen Dimensionen betrachtet. Denn alle diese zentralistischen Staaten sind über einige Generationen hin in einem recht gut schematisch ordnenbaren, fast dialektisch zu nennenden (These - Antithese) Entwicklungsprozeß wieder zerfallen. Das geht auch gar nicht anders. Weil Zentralismus der Natur des Menschen entgegensteht.

Aber eigentlich ist genau solch ein Zentralismus auch das klare Fazit dieses am Ende des Beitrags eingefügten Interviews mit dem China- und Asienkenner Marcus Hernig. Das von Tichys Einblick (einem prononciert liberalen Organ) übernommen wurde: Die rasante Entwicklung Chinas hat nämlich ebenfalls ihren Grund im Zentralismus der kommunistischen Führung. Der in den letzten Jahren auch ganz gezielt weiter ausgebaut und verstärkt wurde. Freiheit ist für den Einzelnen dann nicht mehr eine Frage der Freiheit weil Wahrheit, sondern der Wahl zwischen vorgegebenen, vom Zentrum bestimmten Alternativen.

Nur so können rasche Entscheidungen möglich gemacht (und durch eine starke, mächtige und zentral steuerbare Bürokratie umgesetzt) werden, die auch regionale Sonderinteressen berühren und ins Große auflösen. Weil das Zentrum entscheidet, was von nationaler Bedeutung ist, wo also Regionalität und Individualität sich unterzuordnen haben. Dabei wird Wirtschaft, Volk, Gesellschaft als Mechanismus und Maschine begriffen, die nicht Ausfluß der Lebensweise als Kultur der Menschen (also immanent, wenn auch konkret gestalthaft gemacht) sind, sondern diese begründen und formieren sollen. 

Und das ist letztlich ... alles. Das darf man nicht übersehen. Die Frage um die zukünftige Rolle Chinas in Europa, die sich über das Projekt einer neuen Seidenstraße als leistungsstarker Transportachse zu Land, von Peking nach Duisburg in einem Aufwaschen, sozusagen, symbolhaft darstellt, in Wirklichkeit sehr klug und von langer Hand bereits vorbereitet ist (u. a. über die Verschuldung bei China), ist aber vor allem eine Frage um Leben und Sinn. Sie auf rein technologische Entwicklung und eine als reine Güterversorgung verstandene Wirtschaft zu beschränken, ist deshalb eine tiefgreifende Vorentscheidung über unsere Kultur.

Deshalb ist es in einem Land wie China, ja für ganz Asien vollkommen logisch, daß sie in einem Zeitalter des Globalismus, wo also das Begreifen von Leben und Gesellschaft auf das Verstehen von mechanistischen Vorgängen geruht, damit auch Wirtschaft nur noch als Technik gesehen wird, der sich alles Leben letztlich ein- und unterzuordnen hat, wirtschaftlich reüssieren. Diese Länder, Kulturen, Völker haben - grundgelegt in den dort vorzufindenden Religionen, die im Grunde allesamt Wege der Auslöschung individueller Freiheit anbieten, und sei es durch Auslöschung ins "Nirvana" - eben eine lange Tradition der Vermassung. Und waren seit Jahrhunderten, Jahrtausenden in ein Primat des Zentrums (zumindest durch Eliminierung von Teilinteressen, wie im Buddhismus) eingeformt. Es war aber immer und ist bis heute das Gegenteil des abendländischen, des christlichen Weges des Menschseins.

Es mag sein, daß die europäische Kultur, die dabei ist seine Grundlage, das Christentum, auszuspeien, bereits so schwach ist, daß sie ohnehin keine Chancen mehr hat, sich noch einmal zu regenerieren. Daß man deshalb nur darauf achten muß, daß sich die Wirtschaft - und zwar eine bestimmte Art von globalisierter Wirtschaft, das dürfen wir nicht vergessen - entwickelt. 

Aber ist das wirklich die Art, wie wir leben wollen? Ist das die Art, die das Gemeinwohl entwickelt? Oder ist es nicht einfach die Wegbereitung zu einem Liberalismus, der über kurz oder lang in einer zentralistischen Diktatur endet weil enden muß, mit Totalitarismus weit mehr zu tun hat als Freiheit? Ist Freiheit verzichtbar, wenn es um Wohlstand geht? Kommt wirklich erst das Fressen, dann die Moral?


 Morgen Teil 2) Die Trennung von Staat und Religion läuft 
auf eine Trennung von Leben und Kultur hinaus





*081018*