Eine ganz gefährlich, falsche, aber darüber hinaus der Wahrheit tief widersprechende Meldung kursierte in Zusammenhang mit einer Ansprache, die Papst Franziskus im September vor französischen Jugendlichen hielt. Wenn auch die meisten Zeitungen "nützlich verkürzten", bleibt doch auch bei Studium der wirklich getätigten Aussagen höchste Bedenklichkeitsstufe.
Denn der Papst hat zu einer Bewertung der Sexualität aufgerufen, die diese - zeitgeistkonform - deutlich falsch gewichtet, und das wird durch seine Bemerkung, man solle sich ihr "ohne Tabus" nähern, noch deutlicher.
Denn das Gegenteil ist richtig. Sexualität muß unter Tabu gestellt sein. Das ist und war in allen Kulturen der Fall. Denn nur so bewahrt sie jene Heiligkeit, die ihr zukommt. Der Zugang zu einem Tabu ist nur über den Ritus möglich. Über sie erst wird von Menschen jene Realisierung von Räumen geschaffen, innerhalb deren - und nur innerhalb deren! - eine "Enttabuisierung" erfolgen darf. Erst und nur das Tabu schützt das Heilige, das sich mit diesen Akten verbindet. Und das Bewußtsein, innerhalb eines Tabus zu agieren - wie es Eheleute tun - hilft, sich im rein "technischen Vollzug" einem Übergeordneten zuzurechnenden Akt (wie es die eheliche Sexualität ist) von der Heiligkeit des Ritus (der der sexuelle Akt ist) nicht zu entfernen. Sich also von einzelnen sinnlichen Reizen nicht aus der geistigen Mitte fortziehen zu lassen.
Dem ist die seltsame päpstliche Aussage, daß Liebe "Leidenschaft" bedeute, gleichfalls zuzuordnen, so ergibt sie im Paket einen gefährlichen, irrtümlichen Sinn. Denn der Mensch hat so viele Herren, sagt schon Augustinus, als er Leidenschaften hat. Sie sind es, die ihn immer wieder aus dem Heiligen fortziehen, die seine Freiheit als Freiheit der Person beschädigen, weil sie einen Teil ermächtigen, die Gesamtführung zu übernehmen. Es sind die Leidenschaften, die also den Menschen seiner Integrität berauben und genau das bewirken, was der Papst - nun muß man es so nennen: scheinheilig! - dazu an "Richtigem" dann noch nachschiebt. Indem er genau diese Fragmentierung des Menschen "anprangert".
Das Richtige, das Gute ist aber keine Frage irgendwelcher Etiketten, die man posthoc einer Sache anhängt. Es ist eine Frage des wirklichen Geschehens, das immer bei der Widmung - im Ritus, letztlich also einem der Archetypen des Menschseins als Weltsein - beginnt. An die Schönheit des sexuellen Aktes zu appellieren, ohne diesen in Tabu und Vernunft eingebettet, in jenen Ritus, den die Ehe an sich darstellt, ja diesen nachgeordnet und als dessen Erfüllung zu sehen, ist nichts als eine Täuschung über diese Wirklichkeit.
Somit ist das Gegenteil des Tabus, der Aufruf zur Tabulosigkeit, der Aufruf zu jener Gestaltlosigkeit und Entstaltung, die man mit "Schamlosigkeit" bezeichnen muß. Denn die Scham bezieht sich in ihrem Gefühl, einem Anspruch nicht gerecht worden zu sein, auf das, was diesen Bezugsmaßstab real macht: Den im Tabu, im Ritus realen, dem einzelnen Tun übergeordneten Sinn. Genau dazu ruft also der Papst die Jugend NICHT auf. Die ohnehin von allen Seiten zu eben dieser Schamlosigkeit, zu dieser Enttabuisierung aufgerufen wird. Nun gibt ihnen der Papst dazu auch noch den kirchlichen Freibrief. Denn es geht ja nur um die 'pöhse' Ökonomie dabei. Das ist aber gar nicht der Knackpunkt bei der Pornographie! Die Ökonomisierung wäre nicht möglich, wenn man nicht zuvor eben genau das macht, wozu der Papst aufruft: Die Sexualität zu enttabuisieren!**
Nein. Spricht man von Sexualität, muß man zuerst von Ehe sprechen, muß man zuerst von Tabu sprechen. Ja muß man nur von Ehe sprechen. Das hat nichts mit Moralismus zu tun, es ist eine ontologische Wahrheit.
Und dann muß man von Sexualität gar nicht mehr sprechen. Zumal schon das Sprechen darüber so gut wie immer bereits ein Verstoß gegen die Heiligkeit des Lebensvollzugs ist - Sache von Mann und Frau im Sonderraum, den das Tabu als Grenze schützt. Weshalb sogar die "Erotik", so sie Erotik und nicht Pornographie ist, genau von dieser Geheimnishaftigkeit wesenhaft lebt. Die im Tabu gründet. Und nur im Tabu.*
Und dann muß man von Sexualität gar nicht mehr sprechen. Zumal schon das Sprechen darüber so gut wie immer bereits ein Verstoß gegen die Heiligkeit des Lebensvollzugs ist - Sache von Mann und Frau im Sonderraum, den das Tabu als Grenze schützt. Weshalb sogar die "Erotik", so sie Erotik und nicht Pornographie ist, genau von dieser Geheimnishaftigkeit wesenhaft lebt. Die im Tabu gründet. Und nur im Tabu.*
Morgen Teil 2) Es ist sogar noch schlimmer
*210918*