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Freitag, 2. November 2018

Phlogiston. Massenneurosen in der Wissenschaft

"Derselbe Geist, welcher zu Ende des vorigen Jahrhunderts in einem hochcivilisierten Volk das wahnsinnige Bestreben erweckte, die Denkmale seines Ruhms und seiner Geschichte zu vernichten, der Göttin der Vernunft Altäre zu erbauen und einen neuen Kalender einzuführen, gab Veranlassung zu dem seltsamen Feste, in welchem Madame Lavoisier im Gewande einer Priesterin das phlogistische System auf einem Altar den Flammen übergab, während eine feierliche Musik ein Requiem spielte. Damals vereinigten sich die französischen Chemiker zu einer Aenderung aller bis dahin gebräuchlichen Namen und Bezeichnungsweisen von chemischen Vorgängen und chemischen Verbindungen, es wurde eine neue Nomenclatur eingeführt, welche im Gefolge eines sich vollendeten neuen Systems sich in allen Ländern die Aufnahme erzwang. Daher denn die scheinbare Kluft zwischen der gegenwärtigen und früheren Chemie."

Das schrieb der deutsche Paradechemiker Justus Liebig, eine der wissenschaftlichen Größen des 19. Jahrhunderts zur mittlerweile überwundenen Diskussion um den angeblich die Verbrennung bewirken sollenden "Stoff" Phlogiston. Den es, wie wir heute wissen, nicht gibt.

Der aber als Phantom zu gewisser Zeit die Fachwelt - die im Konsens war - beherrschte.

Und das ist nur ein Beispiel aus so vielen, so daß man die Wissenschaft als eine einzige Aneinanderreihung von Irrtümern weit mehr als von "Wissen" bezeichnen muß.* Es handelt sich damit in der Diskussion um Phlogiston um eines der wirklich zahlreichen Beispiele von Massenpsychosen in der Wissenschaft, die sich nachträglich gut studieren lassen. In denen sich "die Wissenschaft" völlig täuschte, und einen Unsinn als "Konsens der Wissenschaft" zelebrierte, dem kaum noch jemand entrinnen konnte und wollte. Schließlich "bewies" man es ja laufend.

Der erste, der die Unhaltbarkeit dieser Annahme aufdeckte, die die Wissenschaft in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts für Jahrzehnte in Bann und Fluch gehalten hatte, war der französische Chemiker Antoine Laurent de Lavoisier. Die Thesen über ein angebliches Phlogiston als bei der Verbrennung entstehender neuer Stoff, die alle als gewiß ansetzten, deckten sich seinen Beobachtungen nach nicht mit der Wirklichkeit, mit den Tatsachen. Sie machten auch nichts begreifbarer, erklärten nichts, obwohl sie alles zu erklären vorgaben. Obwohl sie sich in immer verschlungenen, komplizierteren Argumentationswegen zu "beweisen" versuchten.

Lavoisier hätte es besser nicht getan. Denn in dem Moment, wo er die Verbrennung als Oxidationsvorgang beschrieb, daß es so einen Stoff wie "Phlogiston" gar nicht gebe, wurde er von der Fachwelt fertiggemacht und boykottiert, wo immer es ging. Man haßte ihn, man wollte ihn vernichten. Und seine größten Feinde fanden sich ausgerechnet bei den ach so Aufgeklärten, die so wissend waren, daß sie auch die französische Revolution mittrugen, in welchem Wissen, das man nun endlich hatte, überhaupt gleich die Ordnung der Welt neu begründet werden sollte. Wie Jean Paul Marat. Leute, die sich durch Lavoisier in ihrer Ehre als Wissende und Eingeweihte verletzt fühlten. Kein Wissenschaftler hat Lavoisier in seiner Verteidigung unterstützt. Alle waren zu feige, sich der herrschenden Meinung zu widersetzen, daß Wahrheit auch ohne Vernunft möglich wäre. Oder zu dumm.

Das ging so weit, daß er 1794 verhaftet, enteignet, und als Feind der Republik hingerichtet wurde. Denn rational war seiner Überlegenheit in der Sache nicht beizukommen. 

Also machte man ihn zum "bösen, dem Volk schädlichen Menschen". 

Der Richter, der ihm den Zutritt aufs Schafott - das Lavoisier Berichten zufolge in absolut aufrechter Haltung betreten haben soll - ebnete, soll gesagt haben: „Die Republik braucht weder Wissenschaftler noch Chemiker. Der Lauf der Justiz darf nicht aufgehalten werden.“  Die Hinrichtung verlief unüblich rasch. Kaum 35 Minuten brauchte der Scharfrichter, um die insgesamt fünf Verurteilten (darunter der Schwiegervater des Chemikers und Präsidenten der französischen Akademie der Wissenschaften) einen Kopf kürzer zu machen. Normalerweise waren solche Hinrichtungen zur Liturgie ausgewalzte Volksereignisse voller Schmähungen und Demütigungen für die Opfer.

Aufs Schafott gebracht hatte Lavoisier, daß er ein strenger Verfechter von Logik und Gedankenstringenz war. Er richtete sich darin gegen eine Chemie, die aus Vermutungen und Spekulationen lebte, in vielem sogar aus politisch Gesolltem ihre Prämissen bezog. 

Dabei erkannte er zuerst und vor allem die Rolle einer falschen (weil verfälschten, umgedeuteten wie neu geschaffenen, aber unvernünftigen, propagandistischen, manipulativen) Begrifflichkeit, in der bereits Prämissen einzementiert sind, denen man im weiteren Diskurs kaum noch entkommen kann. Weil die Begriffe auch das Denken formieren. So daß man also erst einmal die Begriffe klären muß, ehe man "denken" kann. Somit war eines seiner ersten Werke eine Enzyklopädie der Chemie, in der er sich einer rationalen Begriffsdefinition widmete. Die sich in der Beobachtung und durch das wiederholbare Experiment bestätigen mußte. Nur dann konnte von einer Chemie als Wissenschaft gesprochen werden.

„Alles was man über die Anzahl und Natur der Elemente sagen kann, ist meiner Meinung nach rein metaphysisch: Dies sind unlösbare Probleme, für die es unendlich viele Lösungen gibt, von denen sehr wahrscheinlich keine mit der Natur übereinstimmt. Ich begnüge mich deshalb damit zu sagen, dass wenn wir mit dem Namen Elemente die einfachen und unteilbaren Moleküle meinen, die die Körper bilden, wir sie wahrscheinlich nicht kennen. Wenn wir dagegen mit dem Namen Element oder den Prinzipien der Körper die Idee des letzten Punktes verbinden, bis zu dem wir Stoffe analysieren können, so sind alle Substanzen, die wir nicht weiter mit welchen Mitteln auch immer zerlegen können, die Elemente. Wir können zwar nicht garantieren, dass diese Körper, die wir als einfach betrachten, nicht selbst aus zwei oder einer viel größeren Anzahl von Prinzipien zusammengesetzt sind, aber da sie bisher nicht getrennt wurden oder für die wir bisher kein Mittel haben, sie zu trennen, müssen wir sie aus unserer Sicht wie einfache Körper behandeln und erst als zusammengesetzt, wenn Erfahrung und Beobachtung uns einen Beweis liefern.“ 

Lavoisier entdeckte nicht nur die Bedeutung des Sauerstoffs in allen natürlichen Prozessen, in der Verbrennung ebenso wie in der Atmung (ALS Verbrennungsprozeß), sondern sogar das Massenerhaltungsgesetz bei chemischen Prozessen.

Nichts wird bei den Operationen künstlicher oder natürlicher Art geschaffen, und es kann als Prinzip angesehen werden, dass bei jeder Operation eine gleiche Quantität Materie vor und nach der Operation existiert.

Ähnlichkeiten mit Vorgängen in der Gegenwart sind selbstredend völlig auszuschließen. Wer dennoch Parallelen sieht, muß selbst ein Schädling für die Gesellschaft sein.






*Heute ist auch das natürlich völlig anders. Was die sogenannte Wissenschaft heute sagt, in einem Zeitalter, in dem wir endlich alles wissen, frei sind von Vorurteilen etc. etc., ist nun endlich auch alles und für immer wahr und richtig. Heute schafft es die Erde - wissenschaftlich bewiesen! - sogar, sich aus sich selbst zu erwärmen. Der erste Stoff, das erste Ding, das das kann. Wie das Phlogiston, das den Dingen auf wunderbare Weise etwas hinzufügte.







*101018*