2. Kapitel - Teil 2)
Ähnlich
damit
jenem Proletariat, das in Englands Städten entstand, als Heinrich VIII.
im 16. Jahrhundert die Kirche enteignete und sich Kirchengüter wie Land aneignete oder an seine Getreuen verteilte. Er brauchte Geld für Kriege, noch
mehr Geld für seine aufwendige Lebensführung, und er brauchte bedingungslose Gefolgschaft. (Dennoch endete er in
Überschuldung.) Die Kirche hielt damals rund 50 Prozent des Grundbesitzes, der
aber immer als Allgemeinbesitz galt. So wie zuvor auch der Besitz des
Königs, der nur das Recht, nicht aber Eigentum hatte. Der Rest war in
Lehen an den Landadel vergeben, auch also als Recht, nicht als Eigentum.
(Der Eigentumsbegriff wuchs erst, und das ging Hand in Hand mit
Privilegien wie "Erblichkeit" von Titeln und Ansprüchen.)
Die Kirche war aber vor allem Halterin jener Allmenden, jener Landflächen, die freien Zugang zu Weideflächen und Äckern gaben. So daß jeder, unterstützt durch das Wissen der Kleriker, die Möglichkeit hatte, auch ohne Landbesitz sein Leben zumindest zu einem gewissen Mindeststandard zu fristen. Deshalb hatte England den Ruf ein Land zu sein, in dem es jedem gut ging. Es war berühmt für sein Bier, seinen guten Käse, sein feines Brot. Das ging zurück auf die Zeiten König Alfreds, war also viele Jahrhunderte am Werk, der im Kampf gegen die Wikinger das Volk brauchte, und ihm deshalb viele Freiheiten zugestand. (Vor diesem Hintergrund ist auch der aus den USA bekannte Konflikt im Westen verstehbar, als einige Großfarmer begannen "ihr" Land einzuzäunen. Das vorher von vielen Siedlern wie eine Allmende behandelt worden war.)
Daneben gab es durch die Klöster ein Sozialsystem, mit Krankenhäusern, Siechen- oder Altenheimen. Außerdem waren die Klöster Zufluchtsorte, wenn Gefahr für Leib und Leben bestand. Neben allem Geistigen und Schönen, das die Kirche für die Menschen sowieso bot. Eigentum an Menschen war der Kirche natürlich unbekannt weil per se unmöglich. Sie verstand die Welt immer als Lehen, dessen man auch verlustig gehen konnte, wenn man Gottes Recht und Liebesgebot verletzte. Englands Mittelalter war also keineswegs ein "dunkles Zeitalter".
Das änderte sich im 16. Jahrhundert binnen weniger Jahrzehnte. Das erste, was noch unter Heinrich VIII. durch die neuen Besitzer - die königshörige Aristokratie - passierte, war, Zäune aufzustellen und ausschließliches Nutzungsrecht aus erstmals nur vertraglich gesichertem Eigentum zu reklamieren. Henrys Nachfolgerin Elisabeth I. vollendete das Werk. Ab da gab es erstmals eine "Bettlerklasse". Denn die einfache Landbevölkerung konnte nicht mehr existieren, nur wenige konnten sich als Arbeiter an den Adel verdingen. Der Rest suchte die Städte auf, wo er bessere Chancen sah, zu überleben. Und oft genug in Prostitution und Kriminalität endete. Oder in Sklaverei.
Die Kirche war aber vor allem Halterin jener Allmenden, jener Landflächen, die freien Zugang zu Weideflächen und Äckern gaben. So daß jeder, unterstützt durch das Wissen der Kleriker, die Möglichkeit hatte, auch ohne Landbesitz sein Leben zumindest zu einem gewissen Mindeststandard zu fristen. Deshalb hatte England den Ruf ein Land zu sein, in dem es jedem gut ging. Es war berühmt für sein Bier, seinen guten Käse, sein feines Brot. Das ging zurück auf die Zeiten König Alfreds, war also viele Jahrhunderte am Werk, der im Kampf gegen die Wikinger das Volk brauchte, und ihm deshalb viele Freiheiten zugestand. (Vor diesem Hintergrund ist auch der aus den USA bekannte Konflikt im Westen verstehbar, als einige Großfarmer begannen "ihr" Land einzuzäunen. Das vorher von vielen Siedlern wie eine Allmende behandelt worden war.)
Daneben gab es durch die Klöster ein Sozialsystem, mit Krankenhäusern, Siechen- oder Altenheimen. Außerdem waren die Klöster Zufluchtsorte, wenn Gefahr für Leib und Leben bestand. Neben allem Geistigen und Schönen, das die Kirche für die Menschen sowieso bot. Eigentum an Menschen war der Kirche natürlich unbekannt weil per se unmöglich. Sie verstand die Welt immer als Lehen, dessen man auch verlustig gehen konnte, wenn man Gottes Recht und Liebesgebot verletzte. Englands Mittelalter war also keineswegs ein "dunkles Zeitalter".
Das änderte sich im 16. Jahrhundert binnen weniger Jahrzehnte. Das erste, was noch unter Heinrich VIII. durch die neuen Besitzer - die königshörige Aristokratie - passierte, war, Zäune aufzustellen und ausschließliches Nutzungsrecht aus erstmals nur vertraglich gesichertem Eigentum zu reklamieren. Henrys Nachfolgerin Elisabeth I. vollendete das Werk. Ab da gab es erstmals eine "Bettlerklasse". Denn die einfache Landbevölkerung konnte nicht mehr existieren, nur wenige konnten sich als Arbeiter an den Adel verdingen. Der Rest suchte die Städte auf, wo er bessere Chancen sah, zu überleben. Und oft genug in Prostitution und Kriminalität endete. Oder in Sklaverei.
Denn
es war der britischen Aristokratie nicht aus ästhetischen Gründen
nicht wohl dabei, daß sich ein auch durch hohe Fortpflanzungsraten immer
zahlreichere Schichten von Armen und Elenden aufbauten, sondern man
fürchtete die Massen als Revolutionspotential. Also begann man, sie
systematisch von England zu entfernen. Und in die Kolonien zu
verfrachten. Wo es tatsächlich Sklaverei gab. Und zwar von und unter
Weißen. Versklavung von Europäern in der Neuzeit ist also weitgehend ident mit der Geschichte der Armut, speziell in der Neuzeit.
Denn
die Geschichte der europäischen Sklaven ist eine Geschichte
der Versklavung von Europäern DURCH Europäer und hat darin mit England (und
Venedig; das Europäer in den Orient verkaufte oder als Galeerensklaven für seine große Flotte nutzte) die maßgeblichen Proponenten. Die Nachfrage im
arabischen, aber auch im anglo-amerikanischen Raum, speziell in den
Kolonien, war groß. Sofern die Araber und Türken nicht ihre
Sklaven so, wie es seit je in der Menschheitsgeschichte üblich war,
durch Kriegszüge als Beute gewannen.* Die Zahl der Europäer, die auf diesen Wegen in
arabisch-türkische Sklaverei fielen, geht Schätzungen zufolge in die
Millionen.**
Morgen 3. Kapitel
Anmerkungen 2. Kapitel - Teil 2)
*Man muß sich aus den Überlegungen
heraus, die sich an das Fazit anschließen, das die Entwicklung der
Kriege seit dem 17. Jahrhundert genommen haben und die Kriege als
"zwischenstaatliche Kriege" erst einführte, aber heute als unzweckmäßig
und überholt betrachten läßt, so daß der Krieg neue Formen (Stichwort "4.
Generation") annimmt, sogar die Frage stellen, ob darin nicht sogar
mehr Logik steht als man annehmen möchte. Wenn man nämlich diese Kriege
unter dem Aspekt sieht, daß ein "Sieg" eines Staates über den anderen
dazu geführt hat, das System des Siegers zu zerstören, dafür neue
"Regierungen" zu etablieren, denen aber die Legitimation im Volk fehlt,
so daß dieses beginnt, aus diesem Legitimationsbedürfnis auf die Stufe
von Stämmen, Clans, Familien, Gruppen zurückzusteigen, um sich wieder zu
verwurzeln, daß also Sieg in zwischenstaatlichen Kriegen immer die
Folge hat, daß der Verliererstaat ins Chaos stürzt, sich quasi auflöst,
ob nicht die Konsequenz daraus weiter zu sehen ist.
Erstens
dürfte es nicht verwundern, wenn sich bald auch neue Formen der
Sklaverei zeigen, und das zeigt sich ja auch. Man weiß es zum Beispiel von der
IS. Aber zweitens erhebt sich die Frage, was mit einem Volk
geschehen soll weil kann, das seine Struktur (weil der neuen Hierarchie
die
Legitimation fehlt) verloren hat. Es zerfällt, es atomisiert sich. Oder
es wird ... zur Gänze versklavt. Und man muß sich speziell nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg fragen, ob nicht das durch die Sieger den Verlierern
gegenüber eingetreten ist.
**Auch
hier ist eine oft zu hörende Facette unter geschichtlicher
Sorgfaltsbrille nicht haltbar: Die Rolle jüdischer Kaufleute im
Sklavenhandel mit dem Orient (vor der Neuzeit, was fast gleichbedeutend
ist mit Kapitalismus) ist marginal. Da waren die Normannen viel viel
schlimmer gewesen. Anders freilich in der Sklaverei der Neuzeit in den
spanischen Kolonien, wo ("konvertierte", am Namenswechsel erkennbare)
Juden eine sehr große Rolle spielten.
*151018*