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Dienstag, 20. November 2018

Warum es keine geförderten Künstler geben darf

Es gibt einen klaren Grund, warum man einen jungen Künstler, der am Anfang steht, nicht "fördern" darf. Oder nur mit der allergrößten Behutsamkeit, weshalb solche "Förderung" nur durch Personen, Mäzene geschehen darf, die selber letztlich Künstler oder Philosophen sind, weil sie das verstehen müssen. Man muß nämlich verhindern, daß er nicht erkennt, daß er nur durch sein Material (also sein künstlerisches Tun darin) lebt! Daß nur darin sein Existieren gründen kann. Und zwar gerade - gerade! - bei den begabtesten, talentiertesten.  Also muß er strikt ans Material gepreßt sein, und begreifen lernen, als Haltung, daß nur darin seine Rettung liegt, er nur daraus als Mensch erstehen wird.

Das ist der wahre Hintergrund hinter der Tatsache, daß die allermeisten Künstler einen sehr harten Weg gegangen sind, handfest hart. Daraus stammt der Spruch, daß Kunst erhungert worden sein muß. Erhungert, erstritten, erkämpft. Und deshalb darf in den allermeisten Fällen die existentielle, rein materielle Situation nicht von der des künstlerischen Tuns abgetrennt sein. Denn im Künstlertum vereinen sich im Idealfall später auch diese beiden Seiten. Sie müssen auch am Beginn geeint bleiben.

Bis er in seiner innersten Haltung losgeeist aus dem gesellschaftlichen Gefüge aus Nutzdenken und Funktion ist. Indem er lernt, daß nur er wissen kann, und das muß sich auch ständig prüfen und reinigen, ob er zu einem solchen Weg berufen ist. Und sich stählen muß in diesem Kampf des sich selbst Versagens dessen, was alle übrigen Leben ausmacht. Die auf die Mitwelt ausgerichtet sind! Wo es im Wesentlichen und als Lebensweg sogar darum geht, die Beziehung zu den Menschen zu gestalten. 

Im Künstler ist es aber genau umgekehrt. Er muß lernen, daß er KEINE materiale Beziehung zur Mitwelt hat. Er ist der pure Asket und Einsiedler. Denn was er FÜR die anderen sein kann, erwächst erst aus dieser Zurückgezogenheit und Einsamkeit. Weil das der Mitwelt aber diametral entgegensteht, wird sie es auch nie verstehen, bestenfalls respektieren. Also wird das, was sie fördert, immer auf das ausgerichtet sein, was ihrem eigenen Wesen gemäß ist, und damit den Künstler sogar verhindern.* Es verführt diesen ungemein, sich nicht auf Entwicklung, sondern auf "Interessantheit", Verblüffung, Irrationalität (Simulation von poetischem Geheimnis) etc. zu beschränken. Was ein Verrat an der eigentlichen Berufung ist.

In den allermeisten (wenn auch nicht in allen) Fällen verhindert also eine zu rasche (weil nachgeworfene, also geförderte, also nicht aus dem Werk Gestalt gewordene) "Identität als Künstler" deren innere Konstituierung und Festigung. Die künstlerische Existenz wird deshalb (gerade beim besonders Materialaffinen, Begabten) ganz leicht zu einem Leben der Taschenspielereien und -tricks, der oberflächlichen Effekte aus "Gekonntem", aus "Virtuosität", aus "Nachfrage und Beliebtheiten", die man mit leichter Hand hervorrufen und an denen man sich scheinbar nähren kann. Deshalb ist z. B. viele Literatur nur Sophistik, Rhetorik. Viel Musik nur "gefällig". Viel Malerei nur "beeindruckend gemacht". Damit wird das Publikum, die Umwelt, die Mitmenschen "Material", nicht das eigentliche Material. Und er entwickelt sich nicht oder uneigentlich weiter. Gerade wegen der "Förderung".

Das ändert sich erst, wenn der Künstler durch diesen Knochengang gegangen ist, und gereift ist. Sich also nur im Material zu erhalten gelernt hat, als Haltung. Dann also, wenn er wirklich seine Existenz im Tun, im Material hat, darf auch die weltliche Existenz folgen. Das ist der Grund, warum es gerecht ist, Künstler zu ehren, wenn sie älter sind und ein gereiftes Werk vorweisen. In dem immer das letzte das einzige ist, das gültig sein kann. Er selbst jedenfalls wird das so sehen, und das Vorherige immer verwerfen. 

Denn der Künstler arbeitet sein Leben lang nur an einem einzigen Werk. Wenn er es zur Vollendung bringt, zur Vollkommenheit, dann ist er tatsächlich auch am Ende seines Lebensweges angelangt. Er ist buchstäblich zur Ruhe gekommen. Sein aktualer Aussagewille, der daraus erstiegen ist, daß er sich in einer Existenz (die zwar nicht materiell zu verstehen, aber doch damit verknüpft ist) versiegt. Er ist durch sein Werk in dieser Welt ersetzt, verschwindet hinter ihm.

Kunst braucht also nicht Förderung der Künstler, unabhängig von ihrem Werk! Sie braucht lediglich Auftrag. Aber den braucht sie absolut notwendig. So daß das auch die einzig legitime Form der Förderung ist. Deshalb hat jede Kultur die Künstler, die sie verdient, weil sie diese beauftragt, und die Lieferung erhält, die sie bestellt. Deshalb wird eine Kultur im Hochstand nur hohen, eine im Niedergang nur niederen Stand der Künste, weil der Entwicklung der Künstler haben, und wenn sie noch so viel Geld hineinsteckt und sich einen "Kunstapparat" hält, um sich etwas vorzumachen. Der aber wie das Blut in einem Aortenaneurysma mit dem wirklichen lebendigen Kreislauf nichts mehr zu tun hat und thrombosiert, bis es platzt.





*So nebenbei: Das ist der Grund, warum aus Künstlerfamilien sehr häufig wieder Künstler hervorgehen. Denn hier besteht eine gewisse Identität bereits, neben der Sachkenntnis, die sich die allermeisten Künstler erst mühsam schaffen müssen. Die aber eigentlich der Beginn eines Schaffens wäre. Aber auch hier: Identität kann man nicht jemandem einfach "zusprechen". Er muß diesem Standesfach auch vor- und zugeformt, von Geburt an amorph eingeschrieben sein. Künstler wird man nicht als "Karriere" wie beim Bankfachmann. Erfolg, Ansehen, Ruhm sind beim Künstler nie von seinem Werkschicksal und damit von seinem Schaffensauftrag zu trennen, sind selbst Teil seines Wirkschicksals, haben direkt mit ihm und den Anforderungen an sein Wirken zu tun. Haben mit "Können" aber so gut wie nichts zu tun. Wer etwas kann, sagte der legendäre Schauspieler +Fritz Muliar einmal, soll in den Zirkus gehen, nicht in die Kunst. 

In diesem Sinne kann man zum Künstler auch nicht "ausbilden", sondern höchstens durch Kritik zu richtigen Haltungen anleiten, darin Fehler bewußt machen, und Handwerkliches zeigen. Weil das heute aber meist nicht mehr verstanden wird, haben es Künstler noch schwerer, von ihrem Tun auch zu leben, sich durch Auftragsdichte gedeihlich zu entwickeln. Weil es viel zu viele Scharlatane und Narzißten (und viel zu wenig Kunstverständige) gibt, die die Künstler noch dazu bestehlen, indem sie imitieren, was jene sich mühsam erlebt, entwickelt, erarbeitet haben, bei ihnen aber bloße Simulation bleibt.





*191018*