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Montag, 26. November 2018

Zum Wesen des Internet als Wesensmerkmal einer Zeit (1)

Der VdZ nimmt dieses Video eines Engländers - das man vielleicht nicht in allen Punkten ganz ernst nehmen muß, vieles aber ist richtig beobachtet (wenn auch recht eigen gedeutet) - um auf die vielen Artikel zu verweisen, die er schon vor etlichen Jahren an dieser Stelle veröffentlicht hat. Und die sich mit dem Internet und den social media auseinandersetzen. Sie sind nach wie vor gültig und aktuell.

Darin bezieht er sich auf die Tatsache, daß der Idee des Internet hegelianische, der Aufklärung und dem Nominalismus entstammende Begriffe zugrunde liegen. Die von einer rationalen Weltvernunft ausgehen, die als bloß summarisch verstandene "Wahrheit" (als Rationalität, die von jedem metaphysischen, religiösen Grund befreien zu müssen weil zu können behauptet - "Göttin Vernunft") auch einer bloßen Technik überantwortet werden kann. Im Gegenteil, diese Technik wäre dann sogar die Erfüllung dieses Traumes einer absolut perfekten Ratio, also der Wahrheit.

Daß das aus rationalen Gründen nicht möglich ist hat Gödel bewiesen, auch dazu haben wir längst geschrieben. Aber im Internet haben wir es tatsächlich mit dieser Vorstellung zu tun. Weshalb David Icke gar nicht so verkehrt liegt, wenn er behauptet, daß die Zielvorstellung hinter dem Internet, dieser weltweiten Verknüpfung von Menschen und damit Verstand, der Anschluß an eine zentrale Künstliche Intelligenz (KI oder AI, Artificial Intelligence) ist.  Die damit sämtliche Vorgänge und Menschen der Welt ins Paradies führt, weil sie alles "total vernünftig" zu regeln vermag. Damit ist das irdische Paradies verwirklicht, das hinter dem Rationalismus als treibende Utopie steckt.

Das Internet ist aus diesem Geist der Utopie geboren. Sämtliche maßgebliche Gründerfiguren, denen wir diese Sache verdanken, kommen aus der New Age Bewegung der 1968er. Die vom Anbruch des Wassermannzeitalters träumten, und dies als Zeitalter verwirklichter vollkommener Menschlichkeit sahen. Darin gründet auch der Trieb, alles Vorhandene, alles Traditionelle abzustreifen und zu zerstören, auf dem sich dann Philosophien wie die von Foucault entwickeln und durchsetzen konnten. Denn es gab nun einen Schuldigen für alle Lebensprobleme, die vor allem seelische Probleme waren, mit denen man sonst mühsam zu kämpfen hatte. 

Das alte Konzept der Sittlichkeit und Tugend wurde zum feindlichen Unterdrückungsmuster, seine Vertreter zu Diktatoren erklärt, die nur aus Machtphantasien heraus handelten. Zum Gegenteil verhieß der neue Leitstern der grenzenlosen Freiheit auch im Kopf (wie durch Drogen und grenzenlose "Offenheit" als Aufgabe aller übernommenen Verhaltensregeln und Standes- wie Identitätsmerkmale verstärkt), daß der Mensch aus sich heraus gut wäre, und daß auch alles gut würde, wenn er sich völlig unbeeinflußt seinen Antrieben, Trieben, Wünschen und Begierden ausliefere, sich aber von allen als behindernd empfundenen Vernunftrelikten befreie. Damit wird auch eine Gemeinschaft von Gleichen geschaffen, die miteinander in ungehemmtem, durch nichts als persönliche Wünsche und Ziele bestimmtem Verkehr stehen. Natürlich auch sexuell.

Identität wird zur Erfüllung von Wunschvorstellungen, die auch täglich wechseln können. Dem kommt ein Medium entgegen, das an sich ein Medium der Flüchtigkeit ist. Denn elektrische Zustände - und auch alle Denkvorgänge, Gefühle, Triebe etc. etc. werden als solche verstanden, auch das eine alte aufklärerische Vorstellung - sind eben flüchtig. Bleiben nur, wenn sie mit Energie versorgt werden, um sich dann in Nichts aufzulösen. Endlich also war man von den Folgen der eigenen Identität befreit, denn ohne Erinnerung zerrinnt tatsächlich alles ins Nichts.* 

Aber damit haben wir uns einer Gefahr ausgesetzt, an die der Einzelne nie wirklich gedacht hat.  In dieser totalen Vernetzung, die an ein Zentralgehirn angeschlossen ist (egal ob Maschine oder Mensch), wurden wir so manipulierbar und täuschbar wie noch nie. Und noch nie von so wenigen! Nicht nur untereinander. Und wir werden erpreßbar, weil wir uns einem unbekannten Speicher gegenüber öffnen, oft extrem öffnen, von dem wir nicht wissen, was er damit macht. Wir sind nur angreifbar, und im Ganzen gesehen: Angreifbar, ja zerstörbar wie noch nie. 

Das öffnet das Internet aber auch Kräften, mit denen wir nicht gerechnet haben. Weshalb es gar nicht so verwegen sein muß davon auszugehen, wie Icke es im Video macht, daß hinter der raschen Verbreitung des Internet (und wenn, dann war es dieses Internet, das sich vor 25 Jahren fast explosionsartig ausgebreitet und zu einer enormen Bedeutung entfaltet hat) Geheimdienste stehen. So daß das Internet zwar von Einzelnen entwickelt und ausgedacht, aber von Mächten verbreitet und kontrolliert wird, die selbst kaum kontrollierbar sind. (Das CIA etwa kann man als "Staat im Staat" bezeichnen. Es unterliegt keiner wirklichen Kontrollmöglichkeit des Washingtoner Kongresses, also der Volksvertreter.) 

Um das so zu sehen muß man kein Verschwörungstheoretiker sein. Wer nämlich die Menschen kennt, weiß umso mehr, daß der Mensch so handeln kann und mit großer Wahrscheinlichkeit auch tun wird, wenn es ihm möglich ist. Weil aber diese Dinge im Geheimen bleiben, im Verborgenen (und davon auszugehen ist ebenfalls nur vernünftig), liegt die Gefahr am Fensterbänkchen, daß die eigenen Mutmaßungen, die durch Realitäten nie ganz geformt und eingegrenzt werden (können), über jedes Ziel schießen und eine Form von Paranoia bewirken. (Das meint man in Wirklichkeit, wenn man von Verschwörungstheoretikern spricht.)

Viele Indizien sprechen dafür, das solch eine Theorie zumindest im Wesentlichen der Realität entspricht, also wahr ist. Eingrenzbar, von einer pathologischen Paranoia abgrenzbar ist solch eine Annahme nur, wenn es gelingt, alle Welt- und Lebenserfahrung, alle Menschenkenntnis, alles Wissen, alle Bildung zu mobilisieren, um eine These auf ihren Wirklichkeitsgehalt, also auf Wahrheit zu prüfen.

Das ist nicht immer leicht. Denn noch dazu ist leider aber unsere Zeit nicht gerade angelegt, die es verstanden hat und versteht, die Menschen immer mehr von der Wirklichkeit zu trennen. Und sei es durch den Sozialstaat, der Ursache und Wirkung trennt. Nur daraus aber läßt sich ein Gedankenbild testieren: Entspricht die Annahme über einen Vorgang in der Welt meiner Vorstellung davon? Das hat zur Folge, daß die Meinung "vieler", also der Allgemeinheit, oft schrecklich falsch ist. Allgemeinheit aber hat eine wesentliche Aufgabe in der Frage des Bezugspunktes "Wahrheit". Denn wenn es eine Wahrheit gibt, so muß sie alles und alle gleichermaßen umgeben. Also hat Wahrheit auch eine natürliche Position "im Allgemeinen" - man nennt deshalb die Vernunft (die nur auf der Wahrheit gründen kann) auch "Hausverstand" oder "gesunder Menschenverstand", "common sense", usw. usf. Wir stehen hier übrigens mitten in einer der Grundfesten des katholischen Glaubens.


Morgen Teil 2) Warum es nicht unvernünftig ist, so zu denken



*Schon das ist ein schwerer Irrtum. Denn wie sich ja herausstellt, erinnert sich oft GERADE das Internet.  Tut es aber zumindest tendenziell, weil auf das, was man ins Netz eingibt, weniger Gewicht legt, als Notizbuch der schwachen Stunden, der Stunden des Versagens.  Es ist damit ein ideales Medium, um jemanden später zu erpressen. Denn wie sich im Leben herausstellt, braucht jeder denn doch eine "feste", über die Zeit kontinuierliche, von aller Geschichte unabhängigen, aber doch geschichtlichen weil fleischlichen, festen, konkreten, mit Merkmalen ausgestatteten Identität. Das beweisen sogar GERADE Plattformen wie Facebook und wie sie alle heißen. Die getragen sind von dem Wunsch, ein festes, dauerhaftes Bild von sich gestalthaft in der Welt zu errichten. Das freilich unter dem Mangel leidet, daß es nur besteht, solange der Strom der Nachrichten und Worte und Bilder reihum fließt. 

Dabei aber bedeutet Person in erster Linie ... Intimität, Geheimnis! Denn das Wesentliche im Menschen ist in seinem Handeln immanent, nicht explizit. Persönlichkeit heißt damit selbstverständliches "Geheimhalten". Denn im Tun, in der Gestalt also, wird ohnehin alles sichtbar, was für die Welt von Relevanz ist. Über die Wirklichkeit der Tatsache, daß heute pausenlos "aufgedeckt" wird, möge der Leser sich also selbst eine Meinung bilden. Ist Snowden oder Wikileaks wirklich Heldentum?





*211018*