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Freitag, 30. November 2018

Ein schlechtes Geschäft - der Euro

Natürlich werden wir laufend überschüttet mit Urteilen, die die "Erfolgsgeschichte Euro" betreffen. Von dem Deutschland ja angeblich so profitiert habe. Und geht es uns nicht gut? Immer noch? Auf Tichys Einblick wird das in einem Auszug aus dem Buch von Daniel Stelter, Das Märchen vom reichen Land,  hinterfragt. Und siehe da. Die Schlüsse, die angesichts der realen Entwicklungen der Jahre seit 2003, der Euro-Einführung, gezogen werden, ergeben ein etwas anderes Bild. 

Denn zwar stimmt, daß Deutschland so viel exportiert wie noch nie. Aber das hat Gründe, die nicht unbedingt positiv zu sehen sind. Zu Zeiten der D-Mark war die deutsche Wirtschaft nämlich angesichts ständig abwertender Auslandswährungen gezwungen ihre Produktivität zu steigern, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Innerhalb des Euro aber war die deutsche Industrie plötzlich mit der Tatsache konfrontiert, daß der Euro durch den Mix aller darin aufgegangenen Volkswirtschaften viel zu billig für Deutschland war. 

Dadurch konnte zwar kräftig exportiert werden, aber zunehmend nur, weil deutsche Produkte plötzlich "billig" waren, nicht mehr wie vorher "gut". Denn natürlich haben auch die Unternehmen aufgehört, vor allem auf die Qualität zu setzen. Die Sektoren, wo es nur um Preise ging, nahmen ja zu. Mit dem Effekt, daß die deutsche Produktivität erstmals in der Nachkriegsgeschichte verglichen mit immer mehr Ländern deutlich weniger stieg, als vor dem Euro. 

Dann kamen die niedrigen Zinsen der EZB, die für die südlichen europäischen Länder fatal waren. Die machten immer rascher immer mehr Schulden, denn das war billiger als manche andere Politik. Für die deutsche Wirtschaft senkte sich damit der Konkurrenzdruck weiter. Mit der Folge, daß die Qualität der Arbeitskraft immer unwichtiger wurde, und es immer weniger technischen Fortschritt gab. 

Für Deutschland waren aber diese Zinsen trotzdem zu hoch. Das dämpfte die Wirtschaft, erhöhte zugleich den Druck, noch mehr zu exportieren. Dabei litt das Land durch den vergleichsweisen zu hohen Wechselkurs schon bei der Einführung der gemeinsamen Währung ohnehin schon. Das hatte zur Folge, daß die Regierung Arbeitsmarktmaßnahmen durchführen mußte, die wiederum senkend auf das Lohnniveau wirkten. Während die Sozialausgaben stiegen. Zum Ausgleich wurden die Ausgaben für Investitionen und Infrastruktur zurückgefahren.

In den Jahren nach 2003 stieg zwar das BIP dennoch (also die Summe aller erzielten Einkommen im Land) weiter, aber langsamer als vor der Euro-Einführung. Und langsamer im Vergleich zu Ländern, mit denen man sich vorher auf einem Niveau sehen konnte. Die Unternehmen konzentrierten sich noch mehr, darauf, billiger zu produzieren, nicht besser, wir früher.  

Für die deutschen Arbeitnehmer verschlechterte sich aber noch mehr. Zehn Jahre lang stagnierten die Einkommen der deutschen Durchschnittsbürger überhaupt. Während die Kaufkraft sogar sank. Denn vor dem Euro waren Importwaren vergleichsweise günstig. Nun nicht mehr, Importware wurde teurer. Gleichzeitig wurden durch die immer niedrigeren Zinsen, die man immer weiter senkte, um den Volkswirtschaften im Süden Europas zu helfen, die Sparer enteignet.

Das gilt auch für Urlaube im Euroraum. Also stiegen die Urlaubsflüge in Länder außerhalb Europas. Türkei und Nordafrika statt Griechenland oder Italien also. Das wiederum half den traditionellen europäischen Urlaubsdestinationen nicht gerade. Die zwar  einen scheinbaren Boom erlebten, der sich aber bald als durch die niedrigen Zinsen bewirkte Kreditblase herausstellte und etliche Länder (Spanien, Portugal, Irland, Griechenland, Italien) spätestens 2008 vor erhebliche Probleme stellte. 

Um das zu beheben, setzte man überall weiter auf Kostensenkungen. Die stagnierenden Löhne brachten aber auch weniger Steuereinnahmen für den Staat. Zugleich stagnierte die Inlandsnachfrage. Der Exportzwang (und damit der Zwang, auf niedrige Preise zu schauen) wurde noch größer - eine Spirale war in Bewegung gekommen. 

Zwar blieb die Nachfrage nach deutschen Waren im Ausland hoch, aber nur durch deren immer weiter steigende Verschuldung. Dadurch fiel in diesen Ländern die Produktivität weiter, denn man konnte ja billig importieren, anstatt die Waren selbst zu produzieren. Und bezog diese vor allem aus Deutschland, wegen der niedrigen Preise. In Deutschland selbst kam es zu einer deckungsgleichen Fokussierung auf diese Exporte. Damit gingen die inlandsorientierten Arbeitsplätze und Unternehmen zurück, weil nur Exportfiemen profitierten. 

Dabei sind die Zahlungen durch die "Target II"-Vereinbarungen geregelt. Für welche Zahlungsart aber auch die Deutschen mithaften. Es ist also recht wahrscheinlich, daß hier auf die Deutschen noch erhebliche Belastungen zukommen, denn an eine "Bezahlung" dieser Schulden durch die Hautschuldner (im Süden) glaubt niemand wirklich.

Fazit? Die Aussage, daß die Deutschen vom Euro profitiert hätten, ist nicht haltbar. In Wahrheit ist er eine Umverteilung "von unten nach oben". Während er die Volkswirtschaften der schwächeren Länder weiter schwächt. Wer bleibt dann noch als Profiteur übrig? In Wahrheit ist der Euro nämlich nichts als ein Subventionsprogramm für die Industrie. Und zwar nicht nur in Europa.

"Ohne den Euro hätte es die Schuldenparty im Süden nicht gegeben, aber auch nicht die großen deutschen Exportüberschüsse. Dafür einen höheren Lebensstandard und bessere Infrastruktur in Deutschland. Zugleich sind unsere Exportüberschüsse vor allem der Schwäche des Euro und der fehlenden Möglichkeit zur Abwertung in den anderen Ländern des Euroraumes geschuldet. Beides funktioniert auf Dauer nicht. Kommt es zur unvermeidlichen Neuordnung des Euroraumes und dem Austritt einzelner Länder – wahrscheinlichster Kandidat ist meines Erachtens Italien –, droht eine heftige Krise bei uns." (Zitat aus Tichys Einblicke)





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