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Montag, 23. März 2020

Erfahrung von Macht und Staat

Ob die nun da und dort aufplatzende, neue soziale Verantwortung dem Nachbarn und Nächsten gegenüber von Dauer ist, kann man bezweifeln. V. a. wenn die so extrem einschränkenden Maßnahmen länger dauern als ein paar Tage, eine Woche, zwei. "Dann wird's eng." Dann kommen subjektive Bedrängnisse, die noch nicht absehbar sind, und die viele nicht abführen können. Sodaß man davon ausgehen kann, daß die dann aufkommenden Bewältigungsmechanismen gesundheitliche Folgen haben könnten - etwa durch vermehrtes Essen und Trinken als Ersatzhandlungen - die jeden möglichen Corona-Schaden blaß ausschauen lassen. 

Auch das Verhalten von Ärzten ist teilweise paradox. Ärzte, die bislang mit Infektionssituationen gelebt haben, die jede Coronagefährdung ums Vielfache übersteigen, tun jetzt so, als stünden sie in einer absoluten Todes-Situation. Dringend notwendige Operationen werden verschoben, Behandlungen ausgesetzt. Was daraus an gefährlichen Lagen erwächst, kann man momentan noch gar nicht abschätzen.

Eines wird recht sicher länger bleiben: Die Erfahrung des Staates, die die Menschen derzeit in Österreich beeindruckt. 
Man erlebt einen Staat, der funktioniert! Man erlebt eine Bevölkerung, die sich klaglos und sofort fügt. Die sogar im Eindruck eines von diesen Generationen noch nie erfahrenen Gemeinschaftserlebens steht. Wo sogar jedes Hinterfragen von Sinnhaftigkeit politischen Handelns zum Generaldelikt wird, nur Nuancen kritisiert werden können. Angesichts einer zum gigantischen Schwarzen Mann aufgeblasenen Coronaangst WOLLEN die Menschen starke Führung. Das überrascht die Politik, der Spielräume geöffnet werden, die sie nicht geahnt hätte. 
Und das zu einem historischen Moment, in dem man noch vor wenigen Wochen gemeiniglich der Auffassung war, daß der Staat tot sei. Daß deshalb die Bevölkerungen des Westens sogar an der Sinnhaftigkeit vieler traditioneller gesellschaftlicher Mechanismen zweifeln. Wo der Staat angeblich sogar in private Hände zurückgegeben wird und sich von unten heraus zu neuen gesellschaftlichen Formen aufstellt.

Das wird nun ausgeräumt, wie es aussieht. Es findet ein neues Erleben von Macht und Staat statt. Auf der einen Seite das einer Macht, die über einen in nie geahnter Totalitarität verfügt (geht sie doch auf Gesetze zurück, die von 1913 stammen, also völlig andere Strukturen zur Grundlage hatten). Und dann ist da das Erleben der Macht durch die Politik, die einen regelrechten Macht-Schock ausgelöst hat. Noch nie haben die österreichischen Politiker erlebt, wieviel konkrete Macht sie haben.
Ist das nicht eine erstaunliche Koinzidenz? Wie reagiert man auf eine allzu offensichtlich unnotwendige, hysterisch-überzogene, medial hochgezogene Totalkrise, wenn alles, was diese Krise bewirkt, in einer Linie mit den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte (genau genommen: Jahrhunderte) steht, die auf Totalitarismus, Gemeinwohlverdunstung und Freiheitsverlust hinauslaufen? Wer glaubt an ein historisches Ereignis außergewöhnlicher Dimensionen, wenn alles ... gewöhnlich bleibt? Wer glaubt an das Überraschende, Unvorhergesehene eines Einschnitts, der besser nicht hätte inszeniert werden können? Wer glaubt da an göttlichen und nicht an dämonischen Rückenwind der Coronakrise?
Interessante Aspekte, die Servus TV am 19. März 2020 dazu einbringt. Auch "Talk im Hangar-7" ist, wie man immer wieder sieht, einer jener Fast-Narrenräume der Vernunftkonstituierung, von denen dieser Tage die Rede war.




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*200320*