Es gebe zu wenige Ärzte, wird seit geraumer Zeit öffentlich erklärt. Das Seltsame ist: Der "Ausstoß" an Ärzten entspricht rein statistisch keinem Mangel! Warum aber gibt es dennoch im Alltag zu wenige Ärzte?
Nun, es gibt einmal nicht zu wenige Ärzte, sondern zu wenige Ärzte, die sich dem Diktat der Krankenkassen unterwerfen. Die mittlerweile sogar mitten in die Behandlungen hinein vorschreibt, was verordnet werden darf und was nicht. Der VdZ hat es erst in diesen Tagen direkt erlebt, daß ein Arzt ein Medikament nicht verschreiben konnte, weil am Bildschirm, als er das Rezept ausschreiben wollte, aufschien, daß für dieses Monat der zulässige Bedarf an diesem Medikament bereits erreicht sei. Die Ärztin hat das so begründet, daß sie nicht das erste Mal erlebe, daß sich jemand an einem gegenüberliegenden 'Bildschirm in der Kasse' direkt in eine Behandlung einmische.
Nimmt man dazu noch die lächerlich geringe Tarifentlohnung, die ein Arzt für ein Quartal Behandlung eines Patienten erhält, zeigt sich, daß ein immer größerer, mittlerweile dramatisch großer Anteil von Ärzten keinen sogenannten Kassenvertrag mehr unterschreibt, also nur noch gegen Privathonorar Patienten behandelt. Diese müssen nun das Honorar bezahlen, und erhalten dann von der Kasse, wenn sie das begehren, den offiziellen Tarif zurückerstattet. Auf diese Weise baut sich schon seit Jahren und mit zunehmendem Tempo ein zweites System auf, bei dem man tatsächlich von Zweiklassenmedizin sprechen muß, geteilt in die, die es sich leisten, und die, die es sich nicht leisten können, die bestmögliche Behandlung zu erhalten.
Einen weiteren Aufschluß gewann der VdZ aber aus einem Interview, das eine Zeitung mit dem Direktor der Allgemeinen Gesundheitskasse (wie seit kurzem der neue Leviathan heißt, der durch Zusammenlegung einiger kleinerer Kassen entstanden war) führte. Denn dieser führte nun genauer aus, wo es tatsächlich Ärztemangel gebe. Der bereits dramatische Ausmaße annehme. Betroffen seien vor allem die großen Städte. Warum? Weil sich dort bestimmte Bevölkerungsschichten in bestimmten Bezirken und Stadtgebieten konzentrierten. Dort aber gebe es zu wenige Ärzte, und die noch vorhandenen würden den Standort wechseln.
Von welchem Charakter ist diese Umstrukturierung? Das wird klar, wenn wir beachten, welche Bezirke in Wien von Ärztemangel bereits massiv betroffen sind. Es sind dies die Bezirke 10, 11, 15 und 20. Was ist an diesen Bezirken auffällig? Es sind "zufällig" jene Bezirke, in denen sich Bewohner "mit Migrationshintergrund" so geballt ansiedeln, daß selbst in der Wolle gefärbte Linke davon sprechen, daß dies ein anderes Wien sei, das sich dort aufbaue. Ein fremdes Wien, ein Wien mit einer anderen Lebenskultur.
Und - mit einer anderen Sprache. Denn nach wie vor (und "seltsamerweise") gibt es nicht viele Ärzte, die afghanisch oder eine afrikanische oder arabische Sprache beherrschten. Aus diesen Bezirken fliehen deshalb die Ärzte, oder siedeln sich nicht an, ein brennendes Problem. Denn innerhalb der nächsten fünf Jahre wird die Hälfte der derzeit in Wien ansässigen Kassenärzte (wir sprechen hier von rund 1.600, insgesamt sind es in Wien etwas über 3.000) in Pension gehen.
Wie will man diese Lücke stopfen? Der Direktor der Kassen wirkt ein wenig hilflos, als er die Maßnahmen vorstellt. Man bietet schon derzeit, so der Mann, Videokonferenzen an. Das heißt, ein Dolmetscher der Kassa kann bei Bedarf und daraufhin folgender Videozuschaltung angefordert werden. Dazu kommen Dolmetscher, die direkt angeboten werden.
Freilich derzeit mit recht bescheidenem Erfolg. Der Ärztemangel (im Beispiel: in Wien) wird also tatsächlich dramatische Ausmaße annehmen. Denn seltsamerweise haben Ärzte irgendetwas mit Kultur zu tun. Was aber nur?
*050320*