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Mittwoch, 12. Dezember 2012

Begeistert für die Neue Zeit

Die nationalsozialistische Bewegung fand erstaunlich hohe Unterstützung unter den Intellektuellen und Künstlern Deutschlands. Die Anzahl von Nationalsozialisten in den Schwabinger Künstlerkreisen war bekannt hoch, wie Thomas Mann bestätigt. Zwar deklarierten sich nur relativ wenige durch Parteimitgliedschaft, aber gerade die Avantgarde sah in der NSDAP eine Umsetzung ihres ästhetischen Anspruchs, getragen von Gefühlen der Rebellion gegen das Establishment, dem Bruch mit alten Traditionen, der Abenteuerlust der Ereignisse, der Ästhetisierung des Alltags, als die sich letztlich sogar die stets diffus gebliebene Rassentheorie ausdrückte und die alles verwendtete, was brauchbar schien.

Das alles repräsentierte die Nazipartei, die den Rundfunk, den Flugverkehr, das Tempo auf den Straßen wie noch nie nutzte, ja einführte, und damit die konservativeren Bevölkerungsteile überrumpelte. Hitler  mußte sich nicht aufdrängen. Er wurde zur heilsbringenden Identifikationsfigur aus dem Bedürfen der Menschenmassen nach einem Messias. Der nun für alle - über die Medien - direkt erreichbar war. Der über den Volksempfänger zu allen sprach. Der im Film direkt zu einem kam. Den man in riesigen Inszenierungen präsentiert bekam, an denen man teilnehmen konnte, sodaß der Einzelne in die Identität der Masse Geborgenheit erfuhr, von der Last der Selbstwerdung befreit. Er mußte nur noch im Rhythmus der Erlebnisses mitschwingen.
Wen sollte es also verwundern, daß der Anteil von Nationalsozialisten unter den Studenten an deutschen Universitäten beachtlich war: doppelt so hoch, wie in der übrigen Bevölkerung. Und am 3. März 1933 erklärten sich 300 Universitätsprofessoren in einer öffentlichen Erklärung für Hitler - zu einem Zeitpunkt, wo der repressive Druck, wie er mit den Säuberungen im Sommer darauf einsetzte, noch keineswegs offenbar war.

Gerade die ratonale, intellektuelle Elite war am intensivsten eingetaucht in diese Welle der Begeisterung über Fortschritt, Modernität, Technikaffinität, den diese "soziale" Bewegung zum Ausdruck brachte. Die keineswegs eine Erfindung der Nationalsozialisten war - sie war eine Zeiterscheinung, argumentiert Modris Eksteins in "The Rites of Spring", mit der das 20 Jahrhundert begann, und die es seither gekennzeichnet hat.

In diesem neuen narzißtischen, entwurzelten, ortslosen Menschentyp der Propaganda. Der keinen Moment mehr ohne Publikum auskommt, der sich umgeben wissen muß von Ereignis, Event, Geschehen, Bewegung, Medienkonsum, und vor allem Masse, in die er eintauchen kann, die ihm Identität gibt, ihm das Denken abnimmt, ihn bestärkt in seinem Glauben an Mythen und Symbolfiguren. Der nicht mit sich alleine sein kann, weil er die Leere, die ihn dann anblickt, nicht erträgt, und deshalb ein permanentes und kritikresistentes Wortgerüst braucht, das ihn trägt.

Erst nach und nach, mit dem Erkennen der Früchte, begann die Läuterung und Abkehr der Intellektuellen und Künstler, bei den einen früher, bei anderen später. Was den Nationalsozialisten in Wahrheit eine große Erleichterung war, denn dieser Bewegung der Emporkömmlinge, der "Gleichen", der "grassroots", wo es ''jeder von unten nach oben schaffen" konnte, unabhängig von seiner Herkunft und Klasse, war jede in Denktraditionen verwurzelte Geistigkeit zutiefst suspekt. Niemals war es Ziel des Nationalsozialismus, wie die Reaktionäre Konzepte der Vergangenheit anzustreben, im Gegenteil. Er verstand sich immer als Erneuerungsbewegung, als Bewegung der Jugend, der Zukunft, die die Vergangenheit einfach hinter sich ließ. Die war nur Steinbruch für Bilder, die man nützlich fand. Das Neue aber war so wunderbar abstrakt. Goebbels schreibt noch 1945 wörtlich in einem Manuskript für eine Rede, daß mit der Zerstörung Berlins durch die Bomber der Alliierten das revolutionäre Werk der Bewegung seine Vollendung gefunden habe: das Alte, das Bürgerliche, liege in Trümmern. Nun sei Raum für das Neue. Die Bomben haben nur Kerkermauern zertrümmert. Und noch im April schreibt er, daß ihn die Asche Berlins inspiriere, zu einem großartigen Film der Götterdämmerung des Neuen verwenden lasse. Inspiriert zum Kitsch narzißtischen Pathos', in dem der Tod zur höchsten Belohnung für das Leben wurde.




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