Still und leise hat sich eine nächste Krisenbranche zu Wort gemeldet - die Stahlindustrie. Der Generaldirektor der Linzer voestalpine-Stahlwerke (früher: VÖESt, noch früher: Hermann Göring-Werke) hat zu Bedenken gegeben, daß der Branche in ganz Europa starke Einschnitte bevorstehen. Grund? Überkapazitäten von bis zu 25 %. Knapp 210 Mio Tonnen können und müßten produziert, nur 145 Mio Tonnen aber verbraucht bzw. abgesetzt werden.
Warum diese Meldung hier? Weil sich an ihr ein Regelkreis aufweisen läßt, als einer der Mosaiksteine eines aufgrund der Kapitallastigkeit völlig aus den Fugen geratenen Wirtschaftslebens.
Eine Wirtschaft, die nur noch über das nominelle BIP* - für den Staat, und über ihn auf die von ihm abhängigen Bereiche - interessant ist, steht im Druck der Effizienzsteigerung. Und das bedeutet gerade bei Massenprodukten: höhere Investitionen (durch billige Kredite), effizientere, neuere Maschinen, und das heißt wiederum fast ausnahmslos: höhere Mengen. Schon Marx hat gezeigt, daß sich auf diese Weise Investitionen in Maschinen selbst aushebeln. Indem sie die Gewinnmargen pro Stück drücken. Stückkosten ist ja ohnehin ein volkswirtschaftliches Zauberwort im Vergleich der Qualität von Volkswirtschaften. Dazu kommt der Weltmarkt, in seiner Konkurrenz mit Ländern mit deutlich niedrigeren Lohnkosten - der nächste Faktor, der die Effizienz preßt und quetscht: Schneller, billiger, vor allem aber: mehr.
Und die Verlagerung von Produktion in Maschinenvorgänge, in Kapitalvorgänge, bewirkt den Verlust von Flexibilität, Wirtschaften wird zum starren Zahlenkorsett, dessen einzige flexible Teile ... die Menschen sind. Die müssen das ausgleichen. Menschen werden zu Gummi-Ausgleichsdichtungen, eingeklemmt zwischen starren Maschinenblöcken.
Investiertes Kapital, das nur einer abstrakten Zahlenlogik folgt, MUSZ sich verzinsen, muß Erträge erwirtschaften, denn Kredite müssen getilgt, Zinsen müssen bedient werden. Sonst erhöht sich der Druck progressiv, über Zinseszinsen, über zusätzliche Liquiditätskapitalien. Kapazitäten können heute kaum mehr elastisch verändert werden, die Kalkulation geht zwangsläufig von Maximal- bzw. Minimalkapazität aus.
Gleichzeitig beginnt eine weitere fatale Logik zu greifen: der Verlust der Flexibilität, die Verringerung der Stückgewinne (weil mehr vom Geringeren das große Ganze wieder auffüllen soll), macht die Unternehmen noch sensibler für Marktschwankungen. Kleine Krisen werden sehr rasch zu Liquiditätskrisen. Und diese wirken sich am schnellsten und unmittelbarsten auf Produkt- und Kreditpolitik aus. Neue Kalkulationstechniken beginnen zu greifen (die nach Grenzkosten orientiert sind - wie: Surrogatprodukte), die fast ausschließlich davon ausgehen, die (eigene) Produktmenge am Markt noch weiter zu erhöhen.
Gleichzeitig beginnt eine weitere fatale Logik zu greifen: der Verlust der Flexibilität, die Verringerung der Stückgewinne (weil mehr vom Geringeren das große Ganze wieder auffüllen soll), macht die Unternehmen noch sensibler für Marktschwankungen. Kleine Krisen werden sehr rasch zu Liquiditätskrisen. Und diese wirken sich am schnellsten und unmittelbarsten auf Produkt- und Kreditpolitik aus. Neue Kalkulationstechniken beginnen zu greifen (die nach Grenzkosten orientiert sind - wie: Surrogatprodukte), die fast ausschließlich davon ausgehen, die (eigene) Produktmenge am Markt noch weiter zu erhöhen.
Es wird in kapitalgetriebenem Wirtschaften nämlich NICHT mehr nach Bedarf produziert, die eigentliche Marktlogik ist längst ausgehebelt. Sondern Taktgeber ist die eigene Produktionskapazität, die eigene Kostenstruktur, die eigene Wirtschaftlichkeitsnotwendigkeit, die die Menge der produzierten Güter vorgibt.* Und es bleibt tatsächlich ausweglos, man MUSZ unter dem Druck der monetären Wirtschaftlichkeitsnotwendigkeit von sich selbst ausgehen, in der Hoffnung, im absehbaren mörderischen Verdrängungswettbewerb der Produzenten - den sogenannten Marktbereinigungsvorgängen - überstehen zu können.
Bis, ja bis zu einem Punkt, an den weltweit eine Branche nach der anderen - man wüßte gar nicht, wo anfangen, wo aufhören, diese Gesetze haben sich überall durchgesetzt - gelangt: Wo Märkte einfach nicht mehr aufnehmen können, die Stückkosten zwar niedrig sind, die rechnerische Rentabilität gewahrt, aber die Lager voller und voller werden, weil die Produkte nicht mehr "am Markt unterzubringen" sind. Die Folgen sind Arbeitslosigkeit, Betriebsstillegungen, Kapitalvernichtung. Eder spricht von Werksstillegungen mit 100.000 Entlassungen, die Europa bevorstünden, derzeit seien nur Werksauslastungen von 75 % gegeben. Die Balance zwischen Angebot und Nachfrage aber müsse wiederhergestellt werden.
Und mit einem mal befinden wir uns mitten im größten Schreckgespenst der Volkswirtschaftslehre, wie es seit den 1920er Jahren bekannt ist - der Stagflation, wo jedes politische Steuerungsmittel versagt. Wo die Wirtschaftsleistung sinkt, Arbeitslosigkeit entsteht, Unternehmer keine Gewinne mehr machen und schließen, und dennoch Inflation auftritt. (Die man derzeit ja mit allen Mitteln niedrig zu halten versucht. Die Rezession selbst haben wir bereits, auch wenn sie die Politik "Minuswachstum" nennt.) Weil einerseits viel Geld am Markt ist, aber anderseits die Produktion sinkt. Ob die Produktion sinkt, weil zuvor Überkapazität herrschte - wie in den 1920ern, übrigens - ist da irrelevant. Wie bei so vielen gesellschaftlichen Erscheinungen, kommt es auch in Volkswirtschaften maßgeblich auf das historisch-faktische Zueinander an.
*Es wäre interessant, aus den schrumpfenden BIPs der Länder herauszurechnen, wieviel davon rein auf aus dem rückläufigen Kapitalverkehr entstandenen Zins- und Ertragsrückgängen zurückzuführen ist, wie hoch der Anteil der sekundären und tärtiären Geldproduktion - die über Gewinne ja nominelle Einkommen generiert haben - am BIP generell war. Auch dies ist nämlich ein fataler Regelkreis: Um die Inflation bei hohen Geldmengenausweitungen in Volkswirtschaften (wie es passiert ist, um die Staaten und Volkswirtschaften liquid zu halten) wurden die Zinsen bis zur Marginalie gesenkt. Das wirkt sich aber auch auf die BIPs und die Nachfrage senkend aus. Während die zusätzlichen Geldmengen nicht nachfragesteigernd, sondern höchstens nachfragestabilisierend weil auf das alte Niveau bezogen wirkten, in hohem Maß nur entstandene Verluste ausgleichen oder (wie am Beispiel Griechenland deutlich) verhindern sollten. Solange wir also nicht bereit sind, reale Senkungen des nominellen Wohlstands hinzunehmen, wirklich zurückzusteigen, das dünne Eis zu verlassen, das wir schon lange betreten haben, gibt es da keinen Ausweg, riskieren wir etwas, bei dem wir gar nicht mehr wissen können, was wir alles riskieren. Die Politik befindet sich dabei längst auf irrationalem Gebiet. Die Zeit des diktierten Mythos ist angebrochen.
**Auch hier: siehe Marx, der diese Regelautomatismen als wesentliche Faktoren der Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit als Lebensvollzug weil maßgeblicher Weg der Selbsterkenntnis sieht.
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