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Montag, 24. Dezember 2012

Non timete!

Mindestens genauso erschreckend wie die Ergebnisse, die die Analysen der gegenwärtigen Netzgesellschaft liefert, ist aber die Tatsache, daß es so gut wie keine Analysen gibt, die NICHT von dem Ineinsfall von Substanz und Faktizität ausgehen. Diese klar hegelianische Position (zumindest hat sie sich aus ihm herausgearbeitet) geht davon aus, daß alles was der Fall ist auch Substanz sei, jene Substanz, aus der sich auch Mensch und Identität, Ich und Selbst in Dialektik herausformen.

Es gibt dann auch die Differenz nicht mehr, aus der heraus wir überhaupt absolut beurteilen und bewerten könnten, es gibt nur noch Positionen IN diesem faktischen Netz.

Dadurch baut sich ein Bedrohungspotential auf, das aber nur einer Ebene angehört, die bei weitem nicht alles ist, ja, die nicht einmal die entscheidende Ebene des Menschseins ist. Wir sind nicht hilflos ausgeliefert. Den großen Systemen stehen wir nur innerhalb einer Weltlogik gegenüber, die nicht mehr ist als die Wolke, die über der Menschheit immer schon schwebte: zu meinen, daß die Geschehnisse der Welt aus sich heraus verständlich und motiviert wären.

Aber lassen wir uns nicht ins Bockshorn jagen! Die wirklichen Vorgänge, in denen der Mensch steht, und aus denen heraus sich alleine die Gegenwart wie die Geschichte verstehen lassen, sind metaphysische Grundkonstellationen, in denen sich das Leben in Konflikt mit seinen Abschattungen, zufälligen Gestalten findet, die eine Scheinwelt aufbauen wollen. Die Identitäten, die das Internetzeitalter, als Fortsetzung der pseudologischen Entfremdungsidentität zumindest seit dem 19. Jhd. maßgebliche Erscheinung, sind nur Kasperlefiguren. Das entscheidende ist die Wurzel, das Sein selbst. 

Und aus dieser Sichtweise heraus hat das Leben nicht nur immer seine Chance, sondern aus der heraus wird der Kampf, zu dem das oberflächliche Leben "in der Welt" geworden ist, und der nur eine Funktion hat: Sicherung des Seins im Seienden durch den globalen Solipsismus der Erscheinungswelt, zu einem Schein. Dem die Welt zwar verfallen sein mag, und immer weiter verfällt. 

Aber der nicht der eigentliche Daseinskampf ist. Vergessen wir das nur nicht. Es mag also zwar sein, und es war nie anders, daß diese Weltereignisse, die Lorbeeren, die sie zu vergeben hat, die Anerkennungen und Hierarchien, die Verdammungen und Ausgrenzungen dominieren. Aber es geht nicht um sie. Es geht um das Absolute, es geht um das Leben selbst. Es geht um die Erlösung. Und deren Kriterien sind nicht die der Welt. Es sind aber die einzigen relevanten Kriterien.

Nicht aus fideistischem Glauben, aus verzweifeltem, bloß idealistischem "Dennoch". Sondern aus klarer gedanklicher Präzision heraus begründbar und erkennbar, dem, der guten Willens ist. Es geht um den Kampf des Seins mit dem Nichts. Es geht um die Welt, ja, um die Schöpfung, ja, das alles ist nicht nur nicht unbedeutend, es ist der Ort unserer Selbstwerdung, ihr konkretes Kriterium. Aber nicht in den oberflächlichen Maßstäben, in denen auch die Netzkritik fast immer verbleibt, als würde das Netz selbst Substanz tragen. Es kann abhalten, es kann verhindern, es kann täuschen. Es entfremdet, es entleert die Weltgestalten, die unsere Wirklichung als Mensch so direkt angehen. Aber eben nur das.

Non timete! Fürchtet Euch nicht! In der Nacht der Welt wird das Licht geboren, um zu bleiben. Im Kreuz, dem Tor der Erlösung, das offen zu halten unsere Lebensaufgabe ist. Auch, wenn wir von allen Seiten bedrängt werden. Wenn Manuel Castells schreibt, daß die globalisierte Informationswelt, deren wesentliches Merkmal die Machte der simultanen Ereignisbildung und Lenkung ist, Widerstandsidentitäten heranbildet, so kann darin durchaus der Rückverweis gelesen werden, daß sich an dieser Grundkonstellation nie etwas geändert hat. Nicht, wie der Materialist Castells schließt, daß es darum gehe, diese Macht erobern zu wollen, als Projektidentität, die uns doch nur diesem wesensignoranten Spiel eingliedert. Sondern als Anker, der dem Treiben zusieht, aber um das weiß, was wirklich ist und bleibt. Es ist nur eine weitere historische Scheinmacht, mit der wir es zu tun haben, die vorgibt, die Welt zu besitzen, und dabei um ihre Niederlage immer weiß. Gerade, wenn sie sich heftig gebärdet. Das ist nicht neu.  Das war nie anders. Macht und Mächte haben sich nicht geändert, sie suchen nur andere Wege.

Auch, wenn es nie schmerzlos war, das Leben durchzutragen, durch die Dickichte der Weltnebel hindurch. Aber das Wesen der Weltsubstanz ist Liebe, und diese Liebe ist Gott, wahrer Geist. Und ihr Tor ist das menschliche Opfer, als einzige Selbstlosigkeit, durch die die eine einzige Wirklichkeit, die zu erkennen und in der damit wirklich zu werden personale, nicht nur faktische, rationalistische Aufgabe ist, in die Welt kommt. Als Paradox gegen alle weltimmanente Logik, als Torheit für diese Welt eben. Aber als einziger Weg zur Persönlichkeit, die sich nur aus dem Unsichtbaren nährt - aus der Sohnschaft, in die wir durch die Inkarnation Gottes (wieder) hineingenommen sind.

In diesem Sinn darf der Verfasser dieser Zeilen allen Lesern ein gesegnetes, gnadenreiches, friedvolles Weihnachtsfest wünschen. Christus factus est, pro nobis. Et dedit illi nomen, quod es super omne nomen, super omne nomen. Erst in ihm ist Name, Begriff auch Sein. Logos.







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