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Samstag, 8. Dezember 2012

Vom Geiste (1)

Im alltäglichsten Erkenntnisvorgang offenbart sich uns das Wesen des Erkennens selbst. Denn keineswegs gehen unsere Gedanken einfach mit dem Erkannten, dem Objekt, mit. In der Zeit, in der Weltlichkeit, entfaltet sich alles Dinghafte ja als Nacheinander, das wiederum als Folge des Zueinander. Hier sprechen wir mit Recht von der Logik der Welt. Aber sie würde in sich bleiben, und das wissen wir. Denn was wir in uns selbst beobachten können ist ein Heraustreten aus dieser Zeit, indem wir im Nachdenken die Dinge überzeitlich zusammenfassen, zueinanderstimmen, in Harmonie bringen, "erklären". So lange denken wir nach, bis wir wieder "ruhig" werden, uns "etwas erklären" können, es verstehen. Dabei trennen wir uns von der bloßen innerweltlichen Zeitlichkeit, dem nacheinander. In uns werden die Dinge der sinnlichen Erkenntnis auf höhere Ebenen gehoben, miteinander in Vereinung gebracht. Bis zum höchsten, dem Grundweltbild, ob bewußt oder unbewußt, auch damit muß es übereinstimmen.

In diesem Prozeß, den jeder an sich beobachten kann, wird deutlich, was Geistigkeit überhaupt bedeutet. Denn hier beginnen sich die Spuren des bloß logischen Denkens mehr und mehr zu verlieren. Nicht, daß sie einfach aufgegeben werden dürften - das wäre eine Zustimmung zur Irrationalität, hier begönne das Feld der Dämonie. Vielmehr werden die harmonisierenden Elemente mehr und mehr eine Gleichzeitigkeit, eine coincidentia oppositorum, die sich nur noch in einem persönlichen Akt zusammenfassen lassen, ja aus diesem selbst stammen. Und nur noch ausgehalten werden können, denn in diesem Akt beginnt unsere Teilnahme an einem objektiven Geist an sich. So wird unser Vernunftakt, und darum handelt es sich hier, in einem Zusammenfluß von reinem Denken und persönlicher Haltung, zu einem Akt der Teilhabe an "der" Vernunft, als der Weisheit Gottes. Die so, in Rückwirkung, zur Darstellung der Weisheit Gottes in der Welt wird. So wird zum einen die Welt, die Natur, als Ordnung (und nicht nur als fragmentiere Ursache-Wirkungskonstellation) erkannt, und zum anderen in der Handlung des Erkennenden, zur gestalteten Ordnung, der Kultur, ja eigentlich - der Kirche.

Wo die rein weltliche Logik bereits verletzt ist, kann die Erkenntnis der Dinge nicht zu Gott führen. Aber wo man nur in ihr verharrt, wird ebenfalls das Erkennen verhindert. Denn der eigentliche Erkenntnisakt, das Reich des Sinnes selbst, ist nur noch im Maß unserer Geistigkeit, im Maß unserer persönlichen Teilhabe an der Vernunft an sich gegeben. Deshalb bewirkt zum anderen die Teilhabe an der Göttlichen Vernunft, deren Akt ein Akt der Annahme ist, eine Logizität in die Welt hinein. Die aber aus ihrem erfaßten Sinn diese Logik in ein Ganzes zurückführt.

Florenski spricht hier sogar von der "vierten Person", wenn natürlich nur im mittelbarsten Sinn, denn die Übervernunft hat eine weltliche Gestalt, in der "Weisheit", der "Sophia", die im Menschen sichtbar werden kann. Die sich bereits aber nur noch durch das Tor der Offenbarung finden läßt, die der Einzelne nicht mehr "aus sich heraus" alleine finden kann. Und in ihr, in dieser Sophia, zeigt sich sein eigentliches Wesen - es ist die Schönheit, die in der Jungfräulichkeit am vollkommensten "Welt" wird. Die Gottesmutter Maria - sedes sapientiae, Sitz der Weisheit ist einer ihrer Ehrennamen - ist also das Ur- und Vorbild des vollkommenen Geschöpflichen.


Morgen 2. Teil) Von Unlogik und Ungeist



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