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Mittwoch, 5. Dezember 2012

Wesen des Wirklichen ist Vorhandensein (2)

Teil 2) Oder läßt sich da nicht etwas ganz Anderes erblicken?



Dafür taucht ein Argument auf, das seit rund zwanzig Jahren vor allem in der Kirche enorme Schlagkraft hat: Jaaaa, sachlich-inhaltlich läßt sich nichts einwenden. Aaaaber ... die ART, in der das vorgebracht wird ... Oh, wie man das kennt! Gerne wird sogar das gesamte 2. Vatikanische Konzil als bloße "Freundlichmachung" interpretiert, als Ausdemwegräumen aller Anstößigkeiten. Und es ist auch keinesfalls unorthodox, dies als Weg in den Niedergang zu sehen, in das Verschwinden der Kirche in unseren Breiten, wie es sich heute sehr real vollzieht.

Es ist deshalb das alte Lied, seit Jahrzehnten bekannt, wenn Bischöfe nun lauthals verkünden - darunter solche, die bekannt dafür sind, daß sie jeden Konflikt scheuen, alles tolerieren, da und dort mal versetzen, vielleicht - daß es ernsthafte disziplinäre Konsequenzen haben würde, würden diese Personen im kirchlichen Bereich beschäftigt sein. Oh ja, so geht es seit Jahrzehnten: Es ist dann "die Art", die stört. (Man erinnere sich dazu an den Essay "Conservative bishops - liberal results" aus 1995, er ist nach wie vor gültig.) Sachlich, mein Gott, da kann man nicht so sein. Hauptsache, lieb sein ... Nicht die Häretiker sind es seit langem, die den Kirchenrock nutzen, um sachlich das Bild der Kirche zu entstellen, nein. Es sind die unliebsamen, denen sachlich nichts vorzuwerfen ist, aber "deren Art" stört.

Da fehlt keine Keule, mit der  man sie totschlägt. Man schiebt sie ab, man wirft sie raus, man macht sie mundtot. Während wirklichen Ungehorsamen, und zwar gegen die Lehre Ungehorsamen, die zum Ungehorsam gar aufrufen, vielleicht mal, nach langen Jahren, die roten Kokarden vom Rock genestelt werden, ansonsten läßt man sie aber nicht nur weiterwirken, sondern ihr Wirken weltweit entfalten. Oder schiebt sie auf andere Versorgungsposten. Mit kirchlicher Autorität weiterhin ausgestattet, mit kirchlichem Geld, mit dem man sich die Probleme vom Leib kauften möchte. Welche Liebe ist das?Wer die innerkirchlichen Vorgänge wirklich kennt, der weiß, warum sich kreuz.net-Autoren anonymisieren, sich vor Zugriffen schützen. Sie wissen, daß SIE etwas zu befürchten haben, und zwar wirkliche Konsequenzen. Häretiker aber nie, so gerne sie das von sich oft behaupten, sich selbst zu Opfern erklären. Die zahlreichen wirklichen Opfer kircheninterner Personalkonsequenzen schweigen so gut wie immer. Weil sie ihr Opfer für die Kirche fruchtbar machen.

Seltsam. Sollte man nicht gerade in der Art eher das vernehmen oder suchen, was den Sinn menschlichen Daseins überhaupt ausmacht - Individualität? Kairos? Individuelle Art der Antwort? Da ist es, das Wort: "Art". heißt Liebe nicht, mit der Art des anderen zurechtzukommen, aber eben sachlich (!) nicht abzuweichen? Das wird nun umgedreht? Weil eben - nur Sachlichkeit wehtut!? Sachlichkeit bewirkt? Sachlichkeit ... heiligt? Eben nicht die Virtualität freundlicher Nasenlöcher, während man das Messer in den Rücken des anderen stößt?

Tja, es ist eben nach wie vor vielen lieber, sich ihre Bestätigung mit jeder Zeile, die sie ins Netz stellen, gleich auch noch vatikanisch bestätigen zu lassen, wie lieb und kuschelweich-problemlos sie sind. Die sich ihre Heiligkeit per Zertifikat abholen. Da kann nichts schiefgehen. Denn so kann man vermeiden, was das Wesen des Lebens überhaupt ist, ja nur worin es sich wirklich äußert, wo es zu sich kommt: ohne Netz zu agieren, in eine ungewisse Zukunft hinein, in die "insecuritas", in der erst Glaube überhaupt relevant wird, weil er zum Akt, nicht zum Lippenbekenntnis wird. Braucht unsere zeit noch mehr Bekenntnisse? Erstickte sie nicht genau daran? Fehlt es nicht genau daran - an der Art? Dem Mut, auch gehaßt zu werden? Ist nicht der Haß jene Seite der Waage, auf deren anderen die Liebe steht? Ist Gleichgültigkeit der Nichtsichtbarkeit weil Problemlosigkeit - nach heutigen Kriterien! - also besser?

Wird Glaube nicht auch erst da lebendig, wo er zum Fundament des Eigenseins wird? Wie viele der "katholischen" Internetszene vermeiden ja gerade das, aus Furcht, aus welchen Gründen auch immer, und meinen es sei schon ausreichend, offizielle Stellungnahmen zu zitieren, aus Furcht eigenes Weiterdenken, eigenes Umsetzen des Prinzipiellen in die Zeit hinein könnte an einem anderen Ärmel herausführen, als sie gerne hätten? An einem, wo es plötzlich wehtut, weil man in Scherben greift? Wie viele dogmatische Probleme lassen sich doch oft gerade bei "Wohlmeinenden" feststellen? Wiegen sie gar nicht mehr, weil sie "gut gemeint", in einer "netten Art" kommen, an der sich garantiert niemand stößt? Vielleicht, weil es eben an Wirklichkeit fehlt?

Erst ab da aber beginnt die wirkliche Reaktion auf das Ärgernis der Kirche. Die in ihrem Wesen "anarchisch" ist, das vergißt man schon mal gerne: gegen die (inner)weltlich-menschliche Ordnung der Wohleingerichtetheit steht. Da, wo sie wirklich ist, ist Bereitschaft zum Blut, zum Gehaßtwerden. Nicht dort, wo sie sich selbst nur verbal behauptet und meint, im reinen Netzgeschehen läge schon ihre Relevanz. Kreuz.net hat sich in ihrer meist kritisierten Art kaum an die "Katholiken unter sich" gewandt. Es hat die Finger auf Wunden gelegt, unaufhörlich, penetrant, widerlich, alles keine Frage. Warum vertraut man nicht auf die Wahrheit, daß etwas, das keine Substanz hat, nicht an Gott teilhat, auch irgendwann zerfällt? Vielleicht war (bzw. ist) kreuz.net eben nur ein grober Keil auf einem ganz gewiß groben Keil? Vielleicht darin einfach Antwort auf Kairos, zeitgebunden, irgendwann wieder vergänglich, zumindest ... in dieser "Art"?

So erhebt sich die Frage, warum es trotzdem scheinbar so viel gerade von diesen - in der "Art" angenehmeren - Katholiken gelesen wurde. Wäre es nicht viel natürlicher zu meiden, was einem als "widerlich" aufstößt, einen nicht anspricht? Gerade im Netz, wo jeder zu wählen hat, was er sieht, sonst sieht er es gar nicht? Ist der, der eine widerliche Seite wählt, nicht zumindest ein klein wenig selbst widerlich?

Bei den selbsterklärten, offiziellen Feinden Kirche ist es ja so gar nicht rätselhaft. Aber bei jenen, die sich als innerhalb der Kirche stehend bezeichnen? Ist es gar Neid? Ärger über die eigene, tiefe Bewunderung ob der Wirklichkeit, weil kreuz.net nicht behauptet, sondern IST, repräsentiert, auch ohne davon zu sprechen? Weil kreuz.net einen Spiegel der eigenen Widerlichkeit vorhält, die nur saubere Kleider gesucht hat, um die aussätzige Haut zu verbergen? Ist es Haß? Angst? Innere Unruhe? Dienen die neuen Mediengesetze nicht hiemit nachweislich tatkräftig bloß der Ausschaltung unliebsamer Unruhestifter? Dann aber, dann dürfen wir noch ganz andere Dinge erwarten. Die Kirche, feige und mutlos nach dem Zeitgeist schielend, um nur ja nicht anzuecken, wo "die Art" (als Schielen auf eine erwartete Reaktion des Wohlwollens) den Inhalt ersetzt hat, war auch hier vielleicht einmal mehr nur beschämender Vorreiter.  

Man kann kreuz.net hassen, es widerlich finden, es ablehnen, es wertlos oder sonst was finden. Aber wieviele Seiten gibt es wohl, auf die das zutrifft? Warum also ignoriert man es nicht einfach, so wie jene Seiten? Muß man daraus vielleicht aber sogar etwas ganz anderes folgern, daß es nämlich in dieselbe Kategorie fällt, wie jene, die es auslöschen wollen? Daß deren Haß sich aus denselben Quellen nährt?

Was aber, bitte schön, ließe sich daraus erst schließen? Wie logisch würde dann ein Großinquisitor, der erst in dem Moment vom Paulus zum Saulus wurde, als man ihn auf kreuz.net angriff, und damit aus dem Arkanumskreis ausschloß? Vielleicht gibt es kreuz.net also gar nicht wirklich, sondern nur in den Köpfen mancher, weil alles Wirkliche sich ja zeigt? Liegt die Wirklichkeit von kreuz.net nicht vielleicht dort, wo die Wirklichkeit des Netzes liegt? Und zeigt sein Rang, die Bedeutung, die man ihm beimißt, nicht ganz etwas anderes an? Nämlich die Entwirklichung jener, die diesem Mythos Internet so viel Bedeutung beimessen? Und: warum?

Freilich, es wäre ein gründliches Mißverständnis, diese Replik als Verteidigung von kreuz.net und der oft so deutlichen Ideologisierung des Katholischen zu interpretieren, was aber beileibe nicht auf kreuz.net beschränkt bleibt. Das mögen andere tun, oder lassen. Aber da war auch viel Heiliger Zorn. Und diesen Zorn können vielleicht deshalb so manche nicht nachempfinden, weil ihnen in Wahrheit der Zustand unserer Kultur und der Kirche ein Freizeitspaß virtueller Welten ist, in denen sie die Scheinidentität des Heiligen XY annehmen können. Mit dem innigen Wunsch, daß nur ja nichts von alledem wirklich werde, denn Leiden um Christi Willen - das tut weh. Echt. Überraschend. Nicht vorgestellt. Eine Zehntelsekunde am glühenden Eisenrost genügt so vielen schon, um zu fragen: ist das notwendig? Geht es nicht ... auf eine andere Art auch? Sind nicht alles doch nur leere Worte? Eine Situation, in die die meisten der Beifallklatscher gar nie kommen werden. Denn niemand wird sie jemals ernst nehmen. Sie haben keine Wirklichkeit.

Angesichts des seit längerem zu beobachtenden Haberfeldtreibens bleibt also ein seltsamer Nachgeschmack. Weil Fragen aufstehen, die mit einem Ausschalten von kreuz.net nicht so einfach zu beantworten scheinen. Und DASS sie so ans Licht kommen, ist immerhin bemerkenswert. 

Denn wenn sich durchaus zahlreiche verteidigende Stimmen im Netz bemerken lasse, und sei es im Namen der Meinungsfreiheit, so scheinen das gerade jene zu sein, die NICHT täglich mit brennenden Augen am News-Reader gehangen sind, um zu sehen, was da schon wieder ins Netz gerotzt wurde. Um damit, in täglicher Empörung über das Falsche das kreuz.net wieder einmal getan habe, die eigene Identität noch irgendwie wirklich zu halten. Weil manche begriffen haben, oder wenigstens ahnen, daß der Kirche damit ein wahrer Bärendienst geleistet wurde: indem man wieder einmal am Gängelband geführt hat, und sie auf Zuruf bereitwillig herbeieilte, sich noch mehr in den letzten Facetten streichelweich und genießbar zu machen. Mit Signalwirkung, soviel steht fest.

Denn den Mut, die Dinge beim Namen zu nennen, ja das Gesicht dieses Namens zu suchen, inmitten des Schutts der Zeit, den hat doch längst niemand mehr. Wer aneckt, hat bekanntlich die falsche Art. [...]




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