Ebenfalls dem The European ist ein Interview mit der Sprecherin für Wissenschaftspolitik der Grünen Deutschlands, Krista Sager, zu entnehmen, mit einigen bemerkenswerten Aussagen.
Sager beklagt die üblich gewordene falsche gesellschaftliche Bewertung des Doktorgrades. Der mittlerweile eine generelle Würde und Weihe verheißt, die nur noch dem Adelstitel vergleichbar ist. (Und wohl genau in der mit deren Abschaffung fehlenden gesellschaftlichen Funktion des Adeligen - als Elite, als Edlen - zu tun hat, schon gar weil er nun für jeden erleist- und greifbar wird, als völlige Verschiebung der Paradigmen des Edlen überhaupt, weg vom Persönlichen, hin zur objektivierten technischen Leistung im Rahmen der Karriereplanung; Anm. d. Verf.) Das könne, so Sager, "schwache Seelen verführen." Dabei ist die eigentliche Aussage akademischer Weihen ganz anders gelagert, eine diesbezügliche gesellschaftliche Relevanz aus dem Wesen der Wissenschaft heraus gar nicht gegeben.
Das ist aber nicht weniger, sondern mehr geworden. Ihr falle auf, daß selbst schon bei den Grünen junge Kandidaten den Doktorgrad schon auf ihr Wahlplakat drucken lassen.*
Er ist aber nicht einmal (in Deutschland; anders in Österreich) Bestandteil des Namens, und gehe es nach den Grünen, würde auch sein Festhalten in Personalpapieren abgeschafft. Damit würde auch so manchem Schindluder - Plagiate, gekaufte Titel, Täuschungsabsichten in der Erstellung von Doktorarbeiten generell - Abhilfe leisten. Wobei eine fallweise Schludrigkeit in der Bewertung von Dissertationen mit beitrug, den Doktorgrad in seiner eigentlichen Aussage zu entwerten. Drauf weise auch die Inflation der Höchstbewertungen hin, die vielfach auf unzulässige Nähe von Doktoranden und Doktorvätern schließen läßt, die ihre Doktoranden einfach für eigene Forschungsaufgaben verwendeten und damit gewisse Verbindlichkeiten schufen. Wie sie sich aus Praxis und Realität des heutigen Hochschulbetriebs ohnehin vielfach ergebe.
*Der Verfasser dieser Zeilen erlaubt sich den Hinweis auf zahlreiche Repliken im Rahmen dieses Blog, aus denen hervorgehen sollte, daß der heutige Stellengrad akademischer Grade fast zwangsläufige Folge einer entstrukturierten, im Grunde ihrer natürlichen Hierarchien beraubten Gesellschaft ist, die fehlende Substanz durch Technizismus, unter bestimmten Ablaufkriterien definierte Funktionalität ersetzt. Heutige akademische Titel, v. a. niedrigeren Grades, bedeuten für ihre Träger in erschreckendem Ausmaß oft die Initiation in eine Adelung ihres gesamten Denkens überhaupt, den Eintritt in den Kreis der "immer Rechthabenden". Und das muß als Stufe einer jahrhundertelangen Verfallsgeschichte des Universitären selbst gelesen werden. Schon Goethe wies darauf hin, daß akademische Würdenträger vor allem als Folge der Spezialisierung des eigentlichen Bodens menschlicher Erkenntnis oder gar Weisheit ermangelten, während sie aus ihrem Studium heraus ja logischerweise nur in einem zunehmend eingeschränkten, spezifischen, bedingt realitätsbezogenen Gebiet etwas zu sagen hätten. Ja, daß der überwiegende Anteil ihrer Ansichten zu Welt und Kultur das Niveau populärer Klatschebenen oft gar nicht übersteige.
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