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Dienstag, 18. Dezember 2012

Wie es euch gefällt

Eigentlich, eigentlich wollte der Verfasser dieser Zeilen eine Replik auf einige Zeitungsartikel zur "Lüge" verfassen. Aber dabei stieß er immer wieder auf die Tatsache, wie schwer es ist, überhaupt etwas zu sagen, das "wahr" ist. Sodaß sich am ehesten noch in der Gelogenheit einer erfundenen Erzählung, wenigstens ausschnitthaft, etwas, wenigstens etwas Wahres darstellen (und noch immer nicht: sagen) läßt.  Fast so, wie ein Wissenschafter "Wissen" schafft, als künstliches Sandkastenspiel.

Und während er am Abend vermeintlich entspannt einen schwedischen Problemfilm ansah - Sie wissen ja, die Schweden haben nur Problemfilme, das fing bei Bergmann an, und hört bei Knoedelbroed noch lange nicht auf; und dann auch noch dieses eindringliche 3:4 Saab-Format*, in dem sie versuchen, diesem total verkorksten Leben, in dem sich alle Schweden zu befinden scheinen, verzweifelt noch ein wenig Leben abzuquetschen - blätterte er ebenso entspannt in der Presse, um einen bemerkenswerten Artikel zu finden.

In dem der österreichische Sozialminister nämlich - auch ziemlich entspannt - verkündet, daß in den letzten Jahren die Armut in Österreich deutlich zurückgegangen sei. Wie die Fakten - über eine Sozialstudie - belegen. Das ist natürlich interessant, denn noch bis vor wenigen Wochen waren die Medien voll mit der absolut gegenteiligen Meldung. Dem Faktum, daß die Armut so groß wie noch nie sei, das Armutsrisiko weiterhin dramatisch steige. Verkündet von denselben Politikern, die nun also das Gegenteil erzählen.

Nun soll es gar nicht darum gehen, daß dieser interessante Faktenwandel unter dem Eindruck der ersten Vorwehen der 2013 anstehenden Parlamentswahlen in Österreich entstanden sein dürfte. Denn irgendwann dürften auch die verdrehtesten Sozialisten draufgekommen sein, daß andauernde Meldungen über steigende Armut unter ihrer Regierung kontraproduktiv im Hinblick auf zukünftigen Wahlerfolg sein könnten: ausgerechnet unter der Regierung von Sozial-Christlichsozialen steigt die Armut?! Sodaß man wohl beschloß, doch lieber auf Erfolgsmeldungen umzuschalten, ein gefährliches Spiel, weil es doch der antikapitalistischen Kampfpropaganda rasch mal zuwiderläuft. Aber darum soll es eben nicht gehen.

Vielmehr darum, daß solche Aussagen das Papier generell nicht wert sind, auf dem sie stehen. Weil diese Interpretation - was denn Armut sei - von so vielen Faktoren und Fakten abhängt, und als Gesamtaussage aus bloß statistischem Material vermutlich überhaupt unmöglich ist, daß sie gar nie zu treffen sind. Nicht so, und nicht so. Und nicht so läßt sich Politik machen. Gewißheiten kommen auch in der Politik ganz woanders her. Sagen ließe sich höchstens, das diese oder jene Parameter sich verändert haben, die unter diesen und jenen Bedingungen erhoben wurden. Aber das ist politisch nicht zu einer Aussage zu benützen, geht über ein Meinung nie hinaus. Die wiederum ihre Gewißheit von woanders her bezieht, Fakten nur unter bestimmten Thesengesichtspunkten zur Verifizierung aussucht. "Armut" selbst ist aber kein fester Begriff, der dann und dann meßbar vorhanden wäre. Schon gar nicht ist jedes "nicht leisten können" Armut. Oder jede Nichterfüllung von Wünschen. Trotzdem taucht er in Österreich pausenlos auf, und in ganz anderer Form als in Deutschland. Dabei sind die Wohlstandsparameter kaum unterschieden. Unterschieden ist lediglich die Bereitschaft, wie in Österreich Wortwolken zu benützen. Wäre der Begriff definiert, würde wirklich Armut in diesem Ausmaß als Gewißheit bestehen, würden nicht alle zwei Monate andere Interpretationen auftauchen. Mal sind wir unwahrscheinlich reich, mal arm. Mal ist Armut bedrohlich, mal ist sie kaum vorhanden.

Deshalb wird mit solchen Fakten gelogen. Immer. Weil auch das Lüge ist, wenn etwas gesagt wird, das man gar nicht sagen kann. Aber gerne wollte, weil es einem nützt. Und was einem nützt, ist praktisch immer "der guten Sache" willen. Als die man sich sieht. Auch das übrigens: eine Lüge.

Ach ja, der Artikel schließt mit einer Pointe. Die herauszufinden sei dem geneigten Leser überlassen. Er möge selbst entscheiden, ob in ihr nicht auch eine Lüge versteckt liegt.

Die Studienautoren sind dennoch überzeugt, dass die Alterung das heimische Sozialsystem vor keine unlösbaren Probleme stellt. Auch 2030 könne die Sozialquote um die 30 Prozent liegen, schreiben sie – Wirtschaftswachstum und Reformen vorausgesetzt.






*Da verwundert es auch nicht weiter, daß in schwedischen Filmen Abtreibungen häufiger vorkommen, als Semmelschimmel in Schnellbahnmistkübeln.


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