Weil hier bereits einmal über Irland und die derzeitige Abtreibungsdebatte abgehandelt worden war, sollte der Vollständigkeit halber der Fall erwähnt werden, der prompt gegen die Hauptargumentationslinie der Abtreibungsgegner - keiner Frau ist jemals eine Behandlung verweigert worden, Schwangerschaft verhindert also keine Krankheitsbehandlung - wie -befürworter - Schwangere würden durch das strikte Abtreibungsverbot Behandlungsnachteile erleiden - auftrat bzw. zu einem solchen Modellfall aufgeblasen wurden.
Denn das war er nicht. Welcher Fall? Eine Schwangere, Savita Halappananvar, starb an einem Infekt. Abtreibungsbefürworter machten dafür die Ärzte verantwortlich, die eine Abtreibung verweigert hatten.
Eine Obduktion der Toten hat nun ergeben, daß sie an einem Harnweginfekt gestorben war. Diese tritt derzeit vermehrt in Irland und England auf, und wird von einer Virenvariante (coli ESBL) ausgelöst, die gegen bislang bekannte Antibiotika resistent ist. Ein Problem, mit dessen immer häufigerem Auftreten weltweit längst zu rechnen ist, weil die jahrzehntelange Anwendung von Antibiotika eine immer weitergehende Resistenz von Viren (die sich sehr rasch anpassen können) bewirkt hat,m sodaß sie in immer neuen Stämmen auftreten, gegen die kein Antibiotikum mehr wirkt.
Die Frau wäre also höchstwahrscheinlich in jedem Fall daran gestorben. Zumindest hatte ihr Tod mit ihrer Schwangerschaft nichts zu tun. Die Ärzte haben keine Behandlung unterlassen, WEIL sie schwanger war, sie konnten ihr einfach nicht helfen, weil kein Antibiotikum griff. Das scheint mittlerweile nicht nur festzustehen, sondern neue Fragwürdigkeiten tauchten auf, wie Life Institute aus Irland berichtet: eine Abtreibung dürfte überhaupt nie in Diskussion gestanden sein, wie eine der in die Bekanntwerdung (und Instrumentalisierung) des Falles involvierte Journalistin Kitty Holland öffentlich eingestand, Savita Halappananvar könnte überhaupt nie eine Abtreibung verlangt haben, um ihr Leben zu retten. Es könnte also sein, daß der tragische Fall lediglich von den Abtreibungsbefürwortern auf äußerst zynische Weise mißbraucht worden war, um die Hauptlinie der Argumente in Mißkredit zu bringen.
Wie sieht dieser Fall aber ethisch - und unabängig von dieser Frage, ob eine Abtreibung verweigert, oder gar nie verlangt worden war - wirklich aus? Warum würde eine Abtreibung dennoch unethisch (gewesen) sein? Diese Frage umweht im irischen Fall eine besondere Tragik, angesichts deren mehr Schweigen prinzipiell angebracht sehen würde. (Von allen Seiten: den Fall "auszuschlachten", wie es die Abtreibungsbefürworter taten, war also an sich schon höchst geschmacklos.) Noch dazu, weil ja nun AUCH das Kind gestorben ist, das durch das Abtreibungsverbot ja geschützt werden sollte. Dennoch ein vorsichtiger Antwortversuch:
Weil es nicht erlaubt ist, vorsätzlich ein Leben zu beenden, um ein anderes zu retten. Denn das Leben selbst ist in Gottes Hand, es stammt direkt aus ihm, der das Leben IST. Der Mensch hat an ihm nur teil, in Abschließung von Gott gibt es überhaupt kein Leben.
Der Sinn des Lebens liegt deshalb nicht in seiner friktionsfreien innerweltlichen Ablaufgestaltung, sondern in der Erfüllung der Liebe, in der Transzendenz auf Gott, das Leben hin. Nur in ihr wird jenes individuelle Leben zur Gestalt gebracht, das im Ganzen den Sinn der Schöpfung erfüllt: die Ideen Gottes zur Darstellung zu bringen.* Leben außerhalb dieser Ideen, ja überhaupt Seiendes außerhalb seines vorgegebenen Wesens, zur Erfüllung bringen zu wollen, läßt alles ins Nichts fallen. Es gibt keine rein innerweltliche Alternative. Sodaß das Leben als Kernpunkt dieser Erfüllung zu einem Geschenk wird, das an Gott zurückgegeben werden muß, indem man es losläßt - Nur darin erfüllt sich diese Liebe als Lebensgrund, erfüllt sich der Sinn der Welt, in der Präsenz dieser einzigen Kraft, die überhaupt etwas werden und sein läßt.
In dieser Selbstüberschreitung wird aber die Gestalt des Zukünftigen Gott selbst überlassen, dem Geheimnis seines Planes anvertraut. Wer sein Leben so erfüllt, hat seinen Sinn erfüllt, ohne ihn im voraus zu kennen, ihn im nachhinein aber zu sehen. Nicht der, der es um jeden Preis erhalten will, und sich damit an Bestehendes klammert, das aus sich selbst heraus aber nichts ist. Schon gar nicht also um den Preis, ein anderes Leben auszulöschen.** Auch, wenn dieses Leben als Folge, aber ohne Intention und damit ohne Schuldbefleckung, die eine Trennung von diesem göttlichen Leben bedeutete, mit erlischt. Das mag in diesem Fall zynisch klingen, für Ohren, denen diese Grundwahrheit fremd geworden ist. Aber man hilft niemandem, wenn man diese Wahrheit verleugnet oder umdeutet.
Menschen aber, die sich hier so offenbar um ein Leben - das der Frau - besorgt zeigen, zögern nicht, das Leben unzähliger Ungeborener zur Tötung freizugeben. Aus dieser Antinomie wird aber mehr klar, als aus allem anderen. Denn es macht keinen Unterschied, in welchem Reifegrad sich dieses menschliche Leben befindet, die Mutter "zählt" nicht mehr als das Kind, der Mensch darf da niemals werten. Nicht, wenn es um andere geht, denn natürlich, sein Leben freiwillig für andere zu opfern, ist sogar die höchste, reinste Form der Liebe. Auch die "Unabhängigkeit" ist kein Argument, wie bei Ungeborenen oft eingewandt wird, um "Schutzbedürftigkeit" zu definieren. Wobei im übrigen schon die Eizelle im ersten Moment ihrer Befruchtung alle Merkmale eigenständigen Lebens trägt, sich "aus sich" heraus - im Dialog mit dem Begegnenden - entwickelt.***
*Davon ist die Rede, wenn man von "Kirche" spricht, dem Himmlischen Jerusalem, die aus dem Himmel kam, und in ihrer realen Form die Schöpfungswirklichkeit Gottes - als Ideengefüge - darstellt. Mehr soll dazu aber hier nicht gesagt werden, denn dieser schwierig zu erfassende Gedanke - der jeder Bildhaftigkeit widersteht, weil er "ens realiores" ist, zugleich vor wie erst nach dem Weltenlauf zu denken - ist Ursache vieler (u. a. gnostischer) Mißverständnisse, in jeder Richtung (auch innerhalb der Katholischen Kirche selbst). Er ist aber der Weg um zu verstehen, wenn es heißt, daß es außerhalb der Kirche, außerhalb der göttlichen Seinsordnung, kein Heil, ja nicht einmal Sein und Leben "gibt". Die faktische Welt zeigt also ein aus dem Dunkel sich mehr oder weniger erhebendes Licht, das aber nicht aus ihr, sondern von Gott stammt. Der Sinn unseres Daseins besteht also darin, diesem "Turm Kirche" (in ihrem historischen Aspekt) als Stein eingefügt zu werden.
**Es gibt Untersuchungsreihen in der Psychologie, die herausfinden sollten, wie Menschen in schwierigen ethischen Fällen entscheiden, für die keine Musterentscheidungen vorliegen. Wieweit also ethische Entscheidungen tiefere Wurzeln haben, als zivilisatorische Geprägtheiten. Ob sie also gewissermaßen in der Natur des Menschen liegen, und damit allgemein sind, ohne definitive, explizite Ausgesprochenheit. Das Ergebnis war insofern erstaunlich, als sich bestimmte Grundmuster erkennen ließen, die die Entscheidungen im einzelnen prägten. So, daß die deutliche Mehrheit der Probanden die bewußte, willentliche Opferung eines Lebens, um den Tod anderer (mehrerer) zu verhindern, nicht für gut hießen. Während sie den Tod dieses einen eher akzeptierten, wenn er "zufällig" als Folge eines nicht weiter beeinflußbaren Geschehens, also als maß der "Möglichkeit", eintrat. Die Menschen wissen also zutiefst um dieses Geheimnis des Lebens, über das zu entscheiden nicht in ihrer Hand liegt. Die Abtreibung lebt also vor allem davon, daß das Abgetriebene nicht gesehen wird, es wird in einer "Black Box" belassen. Sie widerspricht aber menschlichem Grundempfinden. Gesellschaften, die die Abtreigung erlauben, werden so wie bei jedem Verstoß gegen das Natürliche fortan von sehr tiefen Schuldbewältigungsstrategien - in den Einzelnen, aber auch institutionalisiert - bestimmt. Am häufigste, und am einfachsten zu erkennen, sind Strategien der "Ersatzschuldigen", der stellvertretenden Moralverfestigung, und vor allem der Schaffung von Allgemeinheit, um dadurch die Schuld "absolut und wahr" zu machen. Weshalb gerade heute das öffentliche Klima in unseren Gesellschaften so sehr auf die willentliche Schaffung von "Normalität" abzielt. Normalität aber muß nie geschaffen werden, im Gegenteil, man kann sie nur hören und beobachten.
**Es gibt Untersuchungsreihen in der Psychologie, die herausfinden sollten, wie Menschen in schwierigen ethischen Fällen entscheiden, für die keine Musterentscheidungen vorliegen. Wieweit also ethische Entscheidungen tiefere Wurzeln haben, als zivilisatorische Geprägtheiten. Ob sie also gewissermaßen in der Natur des Menschen liegen, und damit allgemein sind, ohne definitive, explizite Ausgesprochenheit. Das Ergebnis war insofern erstaunlich, als sich bestimmte Grundmuster erkennen ließen, die die Entscheidungen im einzelnen prägten. So, daß die deutliche Mehrheit der Probanden die bewußte, willentliche Opferung eines Lebens, um den Tod anderer (mehrerer) zu verhindern, nicht für gut hießen. Während sie den Tod dieses einen eher akzeptierten, wenn er "zufällig" als Folge eines nicht weiter beeinflußbaren Geschehens, also als maß der "Möglichkeit", eintrat. Die Menschen wissen also zutiefst um dieses Geheimnis des Lebens, über das zu entscheiden nicht in ihrer Hand liegt. Die Abtreibung lebt also vor allem davon, daß das Abgetriebene nicht gesehen wird, es wird in einer "Black Box" belassen. Sie widerspricht aber menschlichem Grundempfinden. Gesellschaften, die die Abtreigung erlauben, werden so wie bei jedem Verstoß gegen das Natürliche fortan von sehr tiefen Schuldbewältigungsstrategien - in den Einzelnen, aber auch institutionalisiert - bestimmt. Am häufigste, und am einfachsten zu erkennen, sind Strategien der "Ersatzschuldigen", der stellvertretenden Moralverfestigung, und vor allem der Schaffung von Allgemeinheit, um dadurch die Schuld "absolut und wahr" zu machen. Weshalb gerade heute das öffentliche Klima in unseren Gesellschaften so sehr auf die willentliche Schaffung von "Normalität" abzielt. Normalität aber muß nie geschaffen werden, im Gegenteil, man kann sie nur hören und beobachten.
***Denn diese Unterscheidung entreißt ja
selbst der Achtung Behinderter oder Schwerkranker oder Pflegebedürftiger
ihrem einzigen Grund. Abtreibung und Euthanasie haben dieselbe Wurzel, so wie überhaupt jede Verfügbarmachung des Lebens. Das macht den oft kritisierten Spruch sehr wahr, der besagt, daß Verhütungsmentalität in einer Linie mit diesen lediglich sichtbareren Problemen zu sehen ist.
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