aus 2007) Die wirklich glänzenden und neue Figuren aufs Tablet hebenden militärischen Erfolge der Jahrhunderte, ja der Menschheitsgeschichte scheinen allesamt auf Brüchen von Konventionen und bisherigen, somit erwarteten Gepflogenheiten zu beruhen. Das Überraschende, das jeweils die Grenzen einer Sache nicht mehr berücksichtigte, an die sich einer der Gegner noch gehalten hatte, siegte. Und wurde so notgedrungen zum Maßstab, der moralische Grenzen verschob, das geringere Übel bestimmend machte.
Die Schweizer besiegten bei Morgarten 1315 massakerartig die habsburgischen Ritter, weil sie in Guerillataktik und hinterrücks die erwartete Aufgabe und Taktik - Schlachtformation von Rittern und ihren Fußheeren - der Feinde völlig aushebelten, eine neue Art Krieg zu führen inventierten: Krieg war nicht mehr nur eine Aufgabe der wenigen Edlen. Die Wege für die Bauern- und Religionskriege waren geebnet.
Prinz Eugen, der wirklich ganz Europa vor sich her prügelte, war so unorthodox in seiner Heeresführung, daß ihm (neidvolle?) Kollegen vorwarfen, seine Schlachtenführung hätte den Charakter von "wilden, ungeordneten Husarenritten". Aber nur so gelang es ihm, jeweils rasch und unerwartet zuzuschlagen, und damit weit überlegene Heere wie jene des Sultans bei Belgrad 1717 vernichtend zu schlagen. Prinz Eugen bewies, daß Logistik ein entscheidender Teil moderner Massenkriegsführung war - die Wirtschaft war in die Kriegsführung hineingehoben.
Friedrich II. von Preußen militarisierte sein Land auf eine nie dagewesene Weise, disziplinierte sein Heer und machte es so schlagkräftig, ordnete sein gesamtes Land den militärischen Aufgaben und fernen politischen Zielen unter. Er baute damit Preußen zu einer Großmacht auf, das seine Gegenwart zugunsten einer Zukunft im totalen Krieg verpfändete.
Napoleon durchbrach sämtliche bisherigen Methoden durch seine Landheere, die starre Ordnungen durch gewaltige persönliche Motivation ersetzten und so eine Kampfkraft aufwiesen, die den übrigen Heeren, die Krieg eher als distanzierte männliche Disziplin ansahen, weit überlegen waren, weil sie methodisch keine menschlichen Mittel mehr scheuten. Dazu kam eine weitgehende Veränderung weg von stehender zu fliegender Logistik, weil Napoleon die "Versorgung aus dem Lande" zum Prinzip machte. Terrorisierung der Bevölkerung war endgültig Methode geworden, der Krieg war ein Volkskrieg geworden.
Ein Quantensprung war die Stärkung der Feuerkraft sowie deren Anonymisierung durch die Einführung des Hinterladers mit Zündnadel, später noch durch die gegossenen Verschlüsse von Hinterladergeschützen, der zum Massaker der Preußen an den Österreichern 1866 bei Königgrätz sowie zum überlegenen Sieg gegen Frankreich 1870/71 führte. Die starre Schlachtordnung war von Moltke nahezu aufgelöst worden weil sie zur Erreichung von Vorteilen - in Abwägung von Feuerkraft zu kalkulierten Ausdünnungen von Linien - nicht mehr notwendig war. Das Material entschied hinünftig die Kriege.
Diese Haltung - der Zweck heilige alle Mittel - brach die europäische Kriegsführung dann endgültig in den Jahren 1914-18 von allen ritterlichen Idealen ab. Und ebnete den Weg zu einer durch einen technischen Quantensprung - das Zusammenwirken aller Waffengattungen zum punktgenauen Sieg - völlig neu durchgedachten Kriegsführung der Deutschen zu Anfang des 2. Weltkrieges. Wo die Not quasi eine Tugend geboren hatte, denn die Aufrüstung Deutschlands war keineswegs quantitativ, sondern eben durch eine neue Methode gekennzeichnet. So war die Deutsche Wehrmacht fast zwei Jahre lang tatsächlich unbesiegbar - bis sich auch der Gegner die neuen Methoden angeeignet hatte. Krieg hatte keine Grenzen mehr, alles war erlaubt und geboten.
Alle diese Haltungen galten jeweils als "modern".
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