2. Teil - Die Stimme Gottes im Netz
Man schämt sich als Katholik, wenn man auf Flohmärkten auf schmuddelige Paperbackausgaben des Neuen Testaments stößt, wie sie massenhaft aus Grastis-Schulbuchaktionen übrigblieben, in gräßlichem Grün oder Orange, als wäre es das Kursbuch der Bundesbahnen, später völlig logisch achtlos auf Altpapierniveau gedrückt, und niemandem auch nur mehr einen Euro wert. Ein Indiz, daß hier die Verkündigung gescheitert ist, nicht primär die Schulbuchaktion, die sozial Schwachen helfen sollte. Man darf sich ruhig fragen, ob nicht der Umstand, daß heutige Schulabgänger ein Religionswissen haben, das früher jeder Erstkommunionkandidat meilenweit überboten hätte, auch und gar nicht zuletzt damit zusammenhängt.
Das
Aufnehmen der Heiligen Botschaft ist abhängig vom Herzen, das sich ihm
zuwendet. Denn es ist letztlich Gott selbst, durch den wir erkennen.
Sein Inhalt klebt nicht einfach an plumpen Buchstaben, gleichgültig auf
welchem Papier, in welcher Situation, in welcher Lage sie einem
begegnen. Daß wir dies glauben, ist selbst bereits eine Frucht der
Entwicklung der Medien in unserer Kultur, das läßt sich überzeugend
aufzeigen.
Das
Medium ist die Botschaft. Und sie ist es nicht als einfach
abzuziehendes Extra eines nominellen Wortinhaltes. Wort ist von seinem
Träger nicht trennbar, Kommunikation ist nicht einfach das nominelle
Wortgerüst. Was Johannes Paul II. vor etlichen Jahren einmal verkündet
hat, daß Medien neutral seien, sich jedes Medium deshalb gleichermaßen
für die Verkündigung und das Apostolat eigne, ist einfach nicht richtig.
Man
könne den Papst nicht von Tür zu Tür schicken, ließ sich beim
Bloggertreffen im Vatikan 2011 noch eine besonnene Stimme vernehmen. Was
immer man sich nun verspricht davon, den Papst auf Twittertour zu
schicken - es zeigt, daß diese Besonnenheit nicht gesiegt hat.
Was
heißt es, zu glauben? Annahme der Verkündigung heißt letztlich immer:
Aufruf zur Bekehrung. Aber wie soll dieser Aufruf vonstatten gehen?
Durch neutrale Botschaften, um nur ja das Wesentliche der Bekehrung -
die Begegnung mit dem Anderen, mit Christus - aufzuheben? Um sich nur ja
das Wesentliche der Evangelisierung zu ersparen: die Heiligkeit des
Verkünders!? Oder hat Franz Xaver Zehntausende bekehrt, weil er eine
neue Trommelform erfand, in der er noch mehr erreichte? Oder war es
nicht immer, in der ganzen Missionsgeschichte, die Person der
Missionare? Man zeige dem Verfasser dieser Zeilen doch die
Missionserfolge aufgrund verteilter Bibeln, oder verbreiteter
Internetbotschaften! Man vergleiche dieses Geschehen mit dem, was
Berufenere zum Wesen der Verkündigung sagen. Es ist untrennbar mit der
Heiligkeit Gottes verbunden, ein geheimnisvolles Geschehen der
göttlichen Tätigkeit selbst, alles andere ist Vermessenheit.
Was ist die Stimme Gottes, das Säuseln des Windes, in dem der Geist ist? Der Tweed im Twitterwald? Die Sprache selbst, in ihrem Nominalwert?*
Stattdessen
begibt man sich auf das Niveau und die Inhaltlichkeit der
Überzeugungstiraden von Sekten. Die schwer zu tun haben, ihren Kopf
verbal möglichst dicht argumentativ einzuweben, damit nur ja keine
wirkliche Wirklichkeit durchdringt, und wenn dies doch der Fall ist,
rasch mit ein paar Argumenten den Riß zu stopfen. Damit das Herz tief
drinnen - die Berufung eines jeden zur Individualität, zum Selbststand,
zu einer kaum zu fassenden Würde des Selbstbesitzes in Christo - das nur
auf die wirkliche Wirklichkeit reagiert, nur diese anzeigt, nur ja
nicht gehört werden möge. Um jene Gewißheit zu verkünden, die doch
überhaupt erst die Wahrheit hören läßt. Und nur aus diesem Herzen heraus
kann auch die Heilige Schrift verstanden werden.
Morgen Teil 3 - Gott ist nicht nur im Internet, er wird es. Durch den Papst.
*Die Sprache, schreibt Rolf Kühn einmal, ist nur der Raum der reinen Außenheit, in der jedes auf alles bezogen werden kann, sodaß prinzipiell mit ihr Lüge und Irrtum möglich sind. Es geht aber um die Onta, die sich in ihr zeigen, auf die sie Bezug nimmt, und die sie nicht "binden" kann. Dazu müßte das Wort auch die Wahrheit selbst sein. Der Inhalt der Sprache spricht also nicht aus sich selbst, sondern im Maß des Herzens (bzw. Bezugsrahmens) des Hörenden. Damit kommt es beim Inhalt des Gesagten auf die Bedingungen der Begegnung an. Und daraus folgt, daß der Zugang zu einem Gesprochenen, seine Art der Aufnahme, das entscheidende Momentum des Inhalts, des Gehörten ist. Damit beginnt das Problem der "Ortslosigkeit" des Teilnehmers an social media schlagend zu werden, mit der Kernfrage: wo ihr Moment der Selbstüberschreitung bei einem prinzipiell - als Daseinsbedingung - verorteten (!) Menschen liegt. Denn nur in diesem Herzensakt ist Wahrheit überhaupt hörbar - weil nur das in der Wahrheit sein die Wahrheit hört.
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