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Montag, 3. Dezember 2012

Statistik und Fakten

Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hat. Denn Statistik ist keine Frage der Fakten, sondern deren Interpretation. Man kann mit Statistik also vor allem belegen, was man zuvor behauptet, und: was man behaupten will, weil man es als nützlich einstuft und deshalb rechtfertigt*, Verhalten zu manipulieren. 

Was man mit statistischen Fakten alles machen kann, demonstriert eine Meldung im Manager-Magazin online. In einer Erfolgsmeldung heißt es dort, daß Deutschland so viel Strom exportiere wie noch nie. Das sei dem Umstieg auf erneuerbare Energien zu verdanken. Und das wird mit einigen Graphiken unterlegt.



Was sie belegen sollen, ist allerdings ein Rätsel, denn diese Entwicklung war ja vorhergesagt, niemand hat das was sich jetzt zeigt je bestritten: Deutschland wird durch seine Wind- und Solarkraftwerke nicht nur mehr exportieren, sondern den europäischen Strommarkt mit Strom überschwemmen. Nur: genau dann, wenn ihn niemand braucht. Aber sogar das wird noch mit der Überschrift zur energiepolitischen Großtat europäischer Dimension umgefärbt. Daß nämlich die deutsche Stromproduktion dazu führe, daß die fossile Stromerzeugung in den Nachbarländern, v. a. Niederlande, zurückgehe. Es sei billiger, deutschen Strom zu kaufen, als ihn in einem Gaskraftwerk selbst zu produzieren. Ein Narrenhaus, war an anderer Stelle zu lesen: Strom, der im Inland für 20 Cent und mehr gehandelt wird, wird nämlich an der Börse um 5 Cent angeboten, und das sei ein Exporterfolg?

Auch ein Bericht über dasselbe Thema in der FAZ schraubt diese Fakten weiter auf die Realität zurück: Weil diese Energieerzeugung so unberechenbar und kurzfristig funktioniert, wird bei hoher Einspeisung von Erneuerbarer Energie kein einziges Atom- oder Gaskraftwerk zurückgefahren, das Risiko ist zu hoch, es lohnt nicht. Wobei eingeräumt wird, daß die Mittagsverbrauchsspitze - und da ist Solarenergie am ehesten berechenbar vorhanden - tatsächlich durch diese Überproduktion mit ausgeglichen wird.



Das Manager Magazin führt auch die Gründe an. Der Preis wird durch Überangebot gedrückt. Und dann wird es richtig grotesk: Weil die Produktion deutschen Stromes so BILLIG sei. Die europäischen Strommärkte würden sich zukünftig auf jeden Fall engstens zusammenschließen.

Welche Aussagen einen seltsamen Beigeschmack hinterlassen. Denn es ist ja bekannt, daß deutscher Wind- und Solarstrom keineswegs billig, sondern extrem teuer ist, finanziert von der Energieabgabe der Haushalte (nicht der Industrie, im übrigen). Ohne die überhöhten Einspeisetarife wären diese "nachhaltigen Energiequellen" gar nicht zu betreiben. In den USA zeigt sich an tausenden Windkraftwerksruinen, was passiert, wenn die staatlichen Stützungen ausfallen. Sie werden unrentabel, und stillgelegt. Aber gut, die haben ja Wüsten. Wir schaffen sie erst.



Die Stromflußdaten zeigen ebenfalls nur, was immer vorhergesagt wurde: Der Stromimport vor allem aus jenen Ländern steigt enorm, die auf Atomkraft (!) setzen. (Welch weitere Groteske, und wie typisch für diese Art von menschlichem Handeln: Fukujima war der Auslöser für die Energiewende, die zugleich im internationalen Maßstab einen regelrechten Atomkraftwerksboom auslöste, weil auch für Deutschland notwendig machte ... man hat das Problem also nur verlagert, hierzulande unsichtbar gemacht!)

Um die Grundversorgung mit Strom zu sichern braucht man längst und noch mehr denn je Atomkraft lebensnotwendig. Das kann nicht mit den "erneuerbaren Energien" passieren - und aus jenen, die Speicherkraftwerke besitzen, wie Österreich und die Schweiz. Um jenen Strom, der in noch höherem Ausmaß notwendig ist, den Spitzenlaststrom, Strom der binnen weniger Minuten ins Netz gespeist werden kann, zu liefern. 

Überall in Osteuropa werden deshalb derzeit Atomkraftwerke gebaut. In diesen Tagen erst hat auch die Tschechei verkündet, daß es seine Atomkraftwerke ausbauen will. Daß in Rußland, Ukraine und Polen dutzende Kernkraftwerke in Bau sind, ist längst bekannt. Mit einem großen Vorteil: Hierzulande wird es niemand "sehen". Das ist alles weit weit weg.

Daß diese Energiepolitik zugleich nur funktioniert, wenn die Staaten ihre Strombewirtschaftung entnationalisieren, an eine europäische (und bald interglobale) Netzverwaltung abgeben, ist auch nicht neu. Es ist die logische Folge, und zugleich eines der größten Probleme. Weil das Stromnetz selbst damit noch mehr zu einem kritischen System zusammengeschlossen wird. Das heißt, zu einem Netz, wo schon kleine Störereignisse einen Totalkollaps bewirken können. Was die Notwendigkeit der Kontrolle genau dieser kleinsten Ereignisse nach sich zieht. Je größer, umfassender dieses Netz also wird, desto neuralgischer wird jeder einzelne Knotenpunkt darin.

Ein Paradox, aber aus der Kybernetik eindeutig belegbar: Je komplexer, je zentralistischer ein System (mit Rückkoppelung, d. h., wo die Teile auch untereinander in Wirkverhältnissen stehen) wird, desto entscheidender für das Ganze wird die Funktion schon kleinster Teile. Zentralisierung bringt also nicht die Freisetzung und Autonomisierung der Individuen, sondern im Gegenteil, es marginalisiert sie zu Teilen eines Ganzen, nimmt ihnen ihre Autonomie als Organismus. Je zentralistischer ein Gesamtsystem ist, desto mehr müssen die Teile ihr Organismus-Sein, ihre Selbstregulierungskraft aufgeben, weil das Ganze gleichfalls vom Kleinsten immer abhängiger wird.

Es ist bei Erdbeben - Urmuster solcher kritischer Systeme in der Natur - bekannt, daß Monsterbeben nicht passieren, weil Monsterereignisse geschehen, sondern die Ereignisse an sich bleiben immer gleich klein und an sich unbedeutend. Ähnliches Systemverhalten wurde bei Waldbränden festgestellt. Doch die Gesamtlabilität, die Unbeherrschbarkeit und Unvorhersagbarkeit des Ganzen, wächst mit jedem dieser eigentlich unbedeutenden Ereignisse. Zukünftige Stromausfälle werden, übertragen, immer weniger lokal begrenzbar sein. Teilausfälle werden vielleicht seltener, aber mit dem Aussteuern kleiner Störungen wächst (!) das Risiko eines Gesamtkollaps, er wird also immer wahrscheinlicher, weil das Gesamte immer fragiler. (Dasselbe gilt natürlich für Finanzsysteme.)

Deshalb muß jede Stromverbrauchs- und -produktionseinheit zum totalen Teil des Ganzen werden. Bereits 2012 war ein heißer Kandidat für den "Big brother-Award" in Österreich deshalb der neue Stromzähler, der in den nächsten Jahren systematisch in alle Haushalte verpflichtend eingebaut werden wird. Der alles andere bereits ist als ein Stromzähler. Er liefert vielschichtige Energieverbrauchsdaten, die für die Gesamtsteuerung immer wichtiger werden. Um dann genau den Verbrauch zu steuern.

Faßt man zusammen, zeigen sich, von denselben Graphiken untermauert, in der Stromversorgung einige Merkmale bereits deutlich herausgearbeitet: Atomstrom wird wie noch nie die Grundversorgung unseres Strombedarfs liefern. Die Abhängigkeit von Atomkraftwerken wird aber bis zur Unkenntlichkeit verschleiert.

In den erneuerbaren Energien leisten wir uns in einem wahren Schildbürgerstreich nicht nur ein doppeltes Produktionsnetz (denn auch die konventionellen Kraftwerke müssen bestehen bleiben; derzeit werden in Deutschland sogar noch zahlreiche weitere Kohle- und Gaskraftwerke errichtet; die gesamte Produktionskapazität Deutschlands wird sich in den nächsten Jahren fast verdoppeln, das steht bereits fest) sondern wir produzieren Strom im Übermaß dann, wenn ihn niemand braucht. Dafür bezahlen wir aber hohe Preise im Einkauf. Um ihn zu niedrigen Marktpreisen weiterverkaufen. (Was die Folge sein wird, daß der Strompreis, weil ohnehin bereits ein Politikum,  zentral in der EU festgesetzt werden wird, jede Wette, denn er muß ja die staatliche Ausgaben dafür decken, sprich: Strom wird immer wesentlicher zu einer Quelle, die eine Politik finanzieren muß.)

Mit der Atomkraft, und sogar noch mehr, wird die Speicherkraft strategisch immer bedeutsamer, das heißt: daß Länder mit hohem Speicherkraftanteil - Österreich ist da an vorderster Stelle zu nennen - über diese auf keinen Fall mehr selbst verfügen werden können. Sie sind die Achillesfersen des schon jetzt gesamteuropäischen Systems, und gerät damit auch in den Fokus militärischer Macht.

Freilich wird sich diese Macht zuerst auf die unsichtbaren Mittel konzentrieren, wie die Propaganda. Daß Österreich zugleich viel Strom aus Deutschland importiert ist ja insofern eine Propagandalüge, als dieser Strom, über einen enormen Wirkungsgradverlust (40 %**), nur dazu dient, die Speicherseen in den Alpen wieder aufzufüllen. Dieser Strom zu niedrigsten Kosten wird zum Hinaufpumpen des Wassers verwendet. Gleichzeitig muß Österreich Strom importieren, weil es den selbst produzierten Strom, weil anderer Natur im Netz, exportieren MUSZ.

Fazit: Im europäischen Stromnetz, in hohem Maß ausgehend von Deutschland, haben wir es mit einem dem Finanzsystem analogen Gesamtnetz zu tun. Das zunehmend nicht von Überlegungen der Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit bestimmt wird, sondern wo das Handeln von bloßen Gesichtspunkten des "geringeren Übels" bestimmt wird, weil vor allem eines nie passieren darf: Daß die Liquidität (der Stromfluß) abreißt. Kein Mensch bzw. Politiker hat bei den Finanzhilfen für schwache Länder über Sinnhaftigkeit diskutiert. Es war und ist "alternativlos", weil ein Gesamtkollaps abzuwenden ist.

Das sind genau die Systeme, die die Zukunft immer rascher in die Gegenwart holen, das sind genau die Systeme, die die Beherrschung immer mehr ins Einzelne gehender Faktoren notwendig machen. Und die sich seit Beginn des Kapitalismus heutiger Prägung als gesamtgesellschaftliche Erscheinung mehr und mehr, und immer rascher etabliert haben. Alle Einzelteile, die in Summe ein Ganzes bilden, werden ent-autonomisiert, zu bloßen Teilen einer Gesamtmaschine. Die Energiewende in Deutschland zwingt dem Stromnetz in ganz Europa diese weiter verschärfte Logik in Höchsttempo auf. Deutschland ZWINGT (und: provoziert) also die übrigen Länder Europas, noch mehr auf Atomenergie zu setzen. Es hat sein Problem aus simplen populistischen Gründen einfach auf andere Länder abgeschoben.

Die Veränderung der Erfahrung des In-der-Welt-seins
Weil Energie aber die Grundlage unseres Wirtschaftens wurde (vor allem aber wird Energie damit die Grundlage staatlicher Politik überhaupt, die vor allem eines braucht: Geld; bereits heute werden in Österreich je nach Berechnung bis zu 80 % des Staatshaushalts für gesellschaftspolitische, "soziale" Zwecke verwendet, Infrastrukturmaßnahmen noch gar nicht eingerechnet), dessen Entwicklung sich noch weiter - alleine die Elektronisierung der Kommunikation, der Nervenbahnen der Information möge man bedenken - auf Energie stützt, wird sie strategisch von einer derartigen Bedeutung sein, daß sie reale und überstaatliche Macht und Gewalt auf sich ziehen wird. Mit Kontrolle und Sanktionierung von Verstößen. Die deutsche Außenpolitik hat also gar keine andere Wahl als die Zentralisierung dieser Netze, vor allem aber die Kontrolle dieser Zentralisierung mit allen Mitteln zu fordern. Weil es selbst in höchstem Maß von diesem Netz abhängt, fordert es von allen Ländern die selbe Abhängigkeit.Das heißt daß während auf der einen Seite die Staaten regelrecht abgeschafft, ausgehebelt werden, steigt die Machtausübung einer europäischen Zentrale.

Aber lassen wir uns nicht täuschen. Das ist selbst wiederum nur eine Sekundärerscheinung, eine Folge***. Eine Folge aus einer unfaßbar ignorierten weiteren Marginalisierung des Menschen. Die jedes Landschaftserleben - die Grundlage des In-der-Weltseins des Menschen! Der Boden! - brutal verändernden Windräder und Stromautobahnen, die Solarflächen, die unmittelbarste Umfelder zu Nicht-Orten****, zu Teilen einer Maschine  machen, drücken ja vor allem eines aus: wie unbedeutend und klein der Mensch und seine unmittelbare Lebensumwelt sind.***** Winzige, rechtlose Faktoren eines großen Gesamten, das alles zu bestimmen alle Rechte hat.****** Weil es immer ausschließlicher in allem, selbst dem Kleinsten, um das Ganze geht. Die Propagandamaschinerie, die das zum Mythos ausformt, ist längst in vollem Gang. Graphiken und Nachrichten wie die obigen belegen es nur.






*Das Problem des Technizismus läßt sich ja auf diesen Kernsatz reduzieren: Das Funktionieren eines Mechanismus wird zur Leitmaxime der Ethik. Anstatt daß umgekehrt die Ethik die Maximen des Handelns bestimmt, wird Handeln zur Ablaufoptimierung.

**Das heißt nicht weniger als daß jede Kilowattstunde, die von Österreich aus nach Deutschland geliefert wird - für diesen Winter ist es neuerlich offiziell angekündigt, bald wird man darüber kein Wort mehr verlieren - zuvor 40 % dieser Menge an Importen notwendig macht. Womit sich der Überhang von Stromexporten NACH Österreich im Vergleich zu Importen erklärt: Er ist einerseits Ersatz der in Österreich nicht selbst zu verwendende, zwangsweise zu exportierende Energie, und zusätzlich die notwendige Lieferung jener Strommengen, die für die Speicherkraftwerke notwendig sind.


***Die in einer durchgängigen, nachvollziehbaren Linie mit einem Zentralproblem deutschen Geistes (und deutscher Politik) seit 150 Jahren zu tun hat: der Marginalisierung des Menschen, der zu einem funktionalen Teil eines Ganzen degradiert wird. Deutschland ist seit dem späten 19. Jhd. der modernste Staat Europas, und hat diese Modernität dem Kontinent aufgedrückt. Dort liegen die Wurzeln der Konflikte des 20., dort liegen die für das 21. Jhd. - als Konflikt mit dem Leben. 

****Deutschland hat sich über weite Strecken bereits seit 150 Jahren in behauste Wüsten verwandelt. Damit ist nicht nur das Ruhrgebiet gemeint. Und ist dabei das weiter ungebremst zu tun. Es ist alles andere als Zufall, daß man weltweit die buchstäblichen Wüsten als geeignetste Orte für Energiegewinnung ansieht.


*****Wer sich ernsthaft mit Architektur beschäftigt wird erkennen, in welchem Ausmaß die Atmosphäre des Raumes (es sei hier gestattet zu vereinfachen) die Lebenshaltung des Menschen nicht  nur beeinflußt, sondern schafft. Weil sie das Grundinitium des Lebens, die Antwort auf Begegnendes, hervorruft: Lebenswerk, Lebensgestaltung ist Antwort! Und weil das erste Grunderfahren des Menschen, das ihm buchstäblich Grund legt, der Boden (wer kennt nicht was es heißt, "den Boden unter den Füßen" zu verlieren), die Umgebung und Landschaft (die den Charakter prägen), die Architektur ist, durchdringt die Architektur - der Antike nicht zufällig die erste, alles umfassende Kunst - als Quellkunst die fundamentalste Lebenshaltung der Menschen.

******Es geht also in der Gegenwehr gegen diese Energienetze und Windräder nicht primär darum, ein paar Bäume, oder ein schönes Tal mehr zu zerstören. Oder um ein wenig mehr oder weniger ästhetisches Empfinden. Auch das sind nur Sekundärfolgen, Auswirkungen, Symptomatik eines viel tieferliegenden, alles weitere erst auslösenden Problems. Und es ist das Problem, das viele weitere Probleme nach sich zieht, weil sie das ganze Selbstwirklichen der Menschen betrifft.





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