Dieses Blog durchsuchen

Samstag, 20. Juli 2019

Der selbstverschuldete Verlust der Identität (1)

Was ist der Unterschied zwischen Kanada und den USA? Wir können das gleich ausweiten: Was ist der Unterschied zwischen Deutschland, Österreich und den USA? Ein Katholik kann sich in den USA in allen Fragen der Sexualmoral zu Wort melden und die Lehre der Kirche vertreten, und er wird die Bischöfe auf seiner Seite haben (von einzelnen Ausnahmen abgesehen). In unseren Ländern ebenso wie in Kanada (durch die "Winnipeg Statement", gleichbedeutend mit der "Königsteiner Erklärung" und der "Mariatroster Erklärung") aber ist jede katholische Identität zerstört. Denn hier gaben die Bischöfe unisono die Losung aus, daß es in Ordnung ist, Aussagen zu machen (und Lebensformen zu wählen), die gegen den Katholizismus stehen. Ja, wer in diesen Ländern Aussagen speziell zur Sexualmoral macht - Verhütung, Abtreibung, Homosexualität, Genderismus ... - wird es sofort mit den Bischöfen zu tun bekommen, die ihn korrigieren und abschatten.

Wie in Kanada wurde in der Folge dieser Erklärungen die genuine Identität zerstört. Was und wer heute Katholik ist, ist so beliebig wie zu sagen, man sei ein "guter Mensch". Durch kein objektives Kriterium mehr definierbar, sondern bloß subjektives Gehabe, sonst nichts.

Aber das hat weit mächtigere Folgen. Damit hat sich die Kirche so entscheidend geschwächt, daß sie bei uns (wie in Kanada) keine Stimme im Kulturkampf hat. Sie hat sämtliche öffentlichen Schlachten seither auch verloren, sei es in der Pornographie und deren Verbreitung, sei es in der Frage um die "Ehe für alle", sei es in der Frage um die "Sexualerziehung", die heute vom Staat verordnet über unsere Jugend oktroyiert wird und deren Moral zerstört. Wo immer noch katholische Moral vertreten werden will, wird sie zu einer privaten Veranstaltung von ein paar "Spinnern". Und wo immer die katholische Moral noch vertreten wird, hat sie gerade aus katholischen Kreisen eine Opposition zu ertragen, die sie sofort neutralisiert.

Und noch eine Folge hat diese Selbstauslöschung der katholischen Kirche, die von den Bischöfen selbst implementiert wurde. Sie löst das erste Fundament jeder Identität auf. Und das ist die Religion. Die nächste Folge ist, daß die Menschen - deren erste Grundlage Identität ist, die also immer nach Identitätsmerkmalen suchen, wenn sie keine haben, das heißt im sozialen Wechselspiel in der Luft hängen, verunsichert sind, sich irgendwie in Gefahr sehen - nach Merkmalen greifen, die sie definieren, und das heißt: von anderen unterscheiden. Die Folge ist, was man als "Rassismus" bezeichnet. Wo die ethnisch-religiöse Identität aufgelöst wird, bleibt den Menschen bei uns nur noch die Zuflucht zu absurden (weil gar nicht definierbaren, gar nicht relevanten) Kategorien wie "Weiße" zu sein, um einen Lebensraum zu reklamieren, in dem sie leben können wie es ihrer Natur entspricht. Alle anderen Kategorien werden und wurden ihnen bereits genommen. 

Dazu kommt in Deutschland wie in Österreich (und in Kanada) der Umstand, daß ein Merkmal auferlegt wurde, das es in dieser Form nicht gibt, das keine wirkliche Identitätsbasis bildet: Nun sind wir Österreicher, Kanadier oder Deutsche. Aber das sind wir nicht, keiner von uns. Wir sind Sachsen, Hannoveraner, Bayern, Badener oder Allgäuer, Steirer, Kärntner, Wiener oder Vorarlberger, Österreicher nur dort, wo es die beiden heutigen Bundesländer Nieder- und Oberösterreich betrifft, das einzige, was man als Österreich bezeichnen kann. 

Wo man uns die Katholizität als Merkmal der Identität nimmt, passiert aber noch etwas Entscheidendes. Man läßt uns im Stich, und fortan sind wir dem social engineering hilflos ausgeliefert, und alles, wo wir (wie in der Identitären Bewegung beobachtbar, die man als Notgriff verstehen muß) noch Halt finden, bewegt sich in schwammigen, gar nicht definierbaren Kunstbegriffen. Solcherart entwurzelt, werden wir hilflos gegenüber jenen Versuchen der Politik, uns eines fest umschriebenen Lebensraumes mit einer lokalen Alltagskultur und Lebensform zu berauben. Durch Zusiedlung von fremden Kulturen, fremden Religionen, durch Auflösung von kulturell geschlossenen Räumen, die aber jede gesunde Lebensentfaltung braucht, weil der Mensch seinem Wesen nach Kulturmensch ist. 

Der Grund der Wehrlosigkeit ist einerseits die Implementierung neuer "Werte", die anderseits beliebig und ideologisch motiviert sind, ohne daß sich unsere genuine Wertebasis - die Katholizität - noch zu helfen wüßte, weil sie uneins und als verbindliche Grundlage unserer Alltagskultur zerstört ist. Und das nahm seinen Anfang, der so weitreichende Folgen hatte, weil er ein Prinzip auflöste, das der Einheit der Kirche in ihrer Lehre, in diesen Erklärungen, die die Lehre der Kirche bezüglich Verhütung ("Humanae Vitae") auflöste. 

Nun, wo alles erlaubt war, wo Sexualität von der Empfängnis getrennt war, war es logische Folge, daß als nächstes die Homosexualität (und in deren Folge die "Diversität") aufkam. Denn nun läßt sich Geschlechtlichkeit nur noch über subjektives Empfinden bestimmen, ist nicht mehr in objektiven Umständen verankerbar. Und das Empfinden von Lust, von "Liebe", das kann jeder "haben". Aber Liebe - auch das uralter katholischer Fels - ist eben von der Natur, von der sachlichen Grundlage der Schöpfung, von Wahrheit und Erkenntnis der Wahrheit nicht zu trennen. Liebe löst objektive Wahrheit nicht auf, sondern sie vertieft sie sogar in die Sachen hinein, ist also ohne Wahrheit der Dinge überhaupt nicht denkbar.

Somit sind wir von der Politik, der Ideologie beliebig manipulierbar. Sie schreibt uns nun vor, was moralisch ist und was nicht. Und sieh da: Plötzlich sind genuine katholische Positionen nicht mehr moralisch! Ja wir befinden uns tatsächlich in der Lage, daß katholische Positionen zu vertreten gegen bestehende Strafgesetze verstößt! Wer in Kanada jemanden als "Herr" oder "Frau" anspricht, sagen wir in Briefen, ohne zuvor zumindest das Einverständnis des Angesprochenen eingeholt zu haben, was öffentliche Äußerung somit ausschließt, macht sich explizit strafbar. Und vom Prinzip her sind wir bei uns bereits genau so weit, nur die Praxis ist zumindest (aber sehr oft gar nicht mehr) noch zurückhaltender. Universitätsarbeiten ohne Genderismus werden fast überall schon abgelehnt, und selbst hierin war die Kirche Vorreiter - sie war die erste Institution in Österreich, die die Inklusivsprache schon zu Anfang der 1990er Jahre eingeführt hat! Das hat die Politik erst später (und nicht zuletzt unter Hinweis auf die "Kirchenpraxis"! es waren vor allem "christich-soziale/demokratische" Politiker, die sich hier besondere "Vorreiter-Lorbeeren" errungen haben!) gewagt.

Das alles hängt direkt zusammen, und viele haben es schon früh gesehen. Die Entscheidungsträger aber leider nicht. Sie haben damit die Menschen in unauflösbare Widersprüche gestoßen. Und tun es munter weiter. Das hat auch dazu geführt, daß jede "Gegenwehr" unter den Zuckermantel einer netten Privatmeinung steht, aber jede Schlagkraft im öffentlichen Disput, jedes Gewicht in der Politik verloren hat. Das Katholische wurde zu einer zweit- oder drittrangigen Angelegenheit.


Morgen Teil 2)