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Samstag, 6. Juli 2019

Über das, was den Mythen vorausgeht (1)

Anders als gemeiniglich dargestellt, sind die Mythen nicht die erste Wahrnehmung des Transzendenten, also auch nicht die eigentlichen Archetypen, wie C. G. Jung sie deutet. Der christliche Glaube, die göttliche Offenbarung ist nicht "später" als die Mythen, sondern lediglich ihre Einbettung in die Wahrheit (der Sprache) folgte historisch später, erfüllte aber alle Mythen der Menschheit. Und zwar insofern, als es deren Irrtümlichkeit aufzeigt, indem sich die Grammatik der Schöpfung (weil die Struktur der Wirklichkeit) eine Beziehung ist, die sich im Ersten auf die innere Struktur der Dreifaltigkeit zurückführt. 

Die Inkarnation Gottes in seinem Sohn Jesus Christus ist also der Korrekturpunkt, auf den die Menschen seit je gewartet haben und an dem sich sämtliche überlieferten Bilder in die Wahrheit holen lassen, weil nun scheidbar wird, was daran falsch war und was prinzipiell richtig. Denn die ersten Bilder, die sogenannten "Archetypen", die in Mythen und Märchen gezeigt sind, sind historisch notwendig durch menschliche Fehlung zumindest wahrscheinlich verfälscht und verbildet. Sie müssen an der göttlichen Offenbarung zurück-geeicht werden. Beziehungsweise lassen sie sich sogar nur aus dieser göttlichen Selbstaussage erst verstehen. Auch in dem, wo sie sich verrannt haben oder verbogen wurden. Deshalb haben Mythen (ebenso wie Märchen) immer eine einem Volk, einer Kultur zugehörige Gestalt.

Daß sich die Mythologien aber im Letzten auf wirklich wirkliche göttliche Grammatik beziehen liegt darin, daß natürlich die Erfahrungswelt des Menschen von Anfang an durch die Repräsentanzen der wirklichen Wirklichkeit (die wahren und einzigen Archetypen, also die Grammatik der Welt und Schöpfung) geprägt wird. Und das sind allem voran die Mutter, in ihrem bestimmenden Gegenüber, dem Vater, das sind die Figuren die einen umgeben, das sind die Landschaften und deren Prägung durch ihre Tektonik.  

Insofern sind alle diese ersten Erfahrungskonstellationen auch "heilig". Denn in diesem Heiligkeitsnimbus drückt sich noch am unmittelbarsten das Transzendente (als unsichtbares, aber einzig wirkliches Wirkliches, als göttliche Grammatik sozusagen) aus.

Es gibt eben ein Universales, das allen Mythen zugrunde liegt weil vorausgeht - die Grammatik Gottes des Dreieinen, die für die gesamte Schöpfung gilt.
In ihrer ersten Wirklichkeit aber sind die "Archetypen" Beziehungsdynamiken. Und deren Gestalthaftigkeit eine Übersetzung dieser Dynamiken (am ehesten noch als Erfahrungsqualitäten durch die Welt identifizierbar) in geschöpfliche Dinge der Umgebungswelt, die zu diesen Erfahrungen Analogien aufweisen. Denn tatsächlich, das sind sie ja auch. Letztlich ist in allem Gott auf diese Weise und als Analogie (Ähnlichkeit zu seinen Eigenschaften) erfahrbar.

Auf die Wahrheit selbst ist nicht anwendbar, was für alle möglichen Religionen gelten kann oder sogar muß, aber nicht auf das Katholische anwendbar ist. Denn während die Psychoanalyse und das symbolische Denken - auch wie es Jordan Peterson oder Jonathan Pageau praktizieren - von einer Religion als "zweites" ausgehen, also als etwas, das dem psychischen Erleben FOLGT, ist das Katholische in Wahrheit das diese Erfahrung erst begreifbar machende. Weil es sich auf jene Wirklichkeit bezieht, die diese Erfahrung begründet. Sie versetzen damit die wirkende Kraft des Wirklichen selbst in die Welt, machen sie zu einem der in ihr autonom enthaltenen Ding und schließen auf die eine oder andere Weise, mehr oder weniger, die Gnade aus. So werden die Mythen, die Archetypen wirklich zu einem rein psychischen und psychogenen Ding der Welt. Und das ist letztlich erschreckend blanker Atheismus.

Dennoch kann gesagt werden, daß zumindest in den Märchen auch ein Abbild der menschlichen Wirklichkeit dieser (wirklichen, ersten) Archetypen, die sich je nach Weltwerdung in der konkreten Realisierung steigern, konkretisieren, in Dingen oder Personen als Repräsentanten gerinnen, auf uns gekommen ist. Das bereits in unsere volkseigene, also historisch auf uns bezogene Erfahrungs- und historische Welt übersetzt, in der Gegenwart vorhanden ist. Und sei es eben durch ihr durch die Tradition weitergegebenes Erbe von Gestalten.

Sie verdienen also größten Respekt, ja in etwas abgemilderter Form den Nimbus des Heiligen, dem nur mit Scheu und Ehrfurcht zu begegnen ist. Als jenes Blätterdach, das von einem Wind bewegt wird, aus dem die wirkliche Wirklichkeit zu uns spricht und in einer Zeit als Geschichte geborgen wurde, in der die Geschichte sie noch als weit unmittelbarere Erinnerung an das, was bei der Vertreibung aus dem Paradies verloren wurde.

Aber das wertvolle Leben beginnt sich erst in dem Moment zu begreifen und damit durch die Erschütterung handfest zu werden, wo es sich als Wandeln im Hain begreift, in dessen Blätterrauschen der Geist Gottes des Seins selbst weht. Der in der Kirche, deren Bauten genau diese Haine abbilden, in die Gott als die Mitte von allem herabkommt, zur realen Erfahrungswelt als real gewordene Neue weil Erneuerte Schöpfung wurde. Noch anfanghaft, noch fragil, noch zerbrechlich, aber im Ausharren auf den Jüngsten Tag, den Tag der Wiederkunft Christi. Ab dem befreit von aller Spreu und allen Dornen die Schöpfung wieder zum realen Paradies wird, aus dem alles Seinswidrige ausgeschlossen ist.

Was also allen diesen Symboldeutern von C. G. Jung bis zu Jordan Peterson fehlt, ist die historische Realisierbarkeit eines Lebens in archetypischer Reinheit. Und das macht alles, was sie tun und sagen, nicht nur zu einem vergeblichen, sondern sogar zu einem letztlich ideologischen Programm. Das auf eine Utopie abzielt, die nicht realisierbar ist. Denn es ist die menschliche Schuld, die wieder und wieder, die täglich sieben mal siebzig mal, diese Welt zu einem so trüben Wasser macht. Aus dem nur ein Ast herausragt, der noch von der Tiefe und dem letzthinnigen Ziel kündet: Der Kult, und die Kunst.


Morgen Teil 2) Die lange Fußnote zu Peterson, Jung und Aristokratie