Teil 2) Autismus als Frucht der Weltauflösung der Gegenwart
Das heißt, daß die innere Qualität des
Hinausstreckens (Neugierde, Lust auf etwas, Lust auf die Welt usw.) nach
und nach zu einer festen Haltung wird. Was wie bei einem trainierten
Muskel auch im Seelenleben geschieht, wo sich diese Hinausorientierung
als "Haltung" ausformt. Spätestens hier haben wir den Ort, an dem "Gott"
eine Rolle spielt, in dem jenes Urvertrauen gründet, das die Welt als
Speicherkammer von "Gütern" begreifen läßt, auch dort, wo man ein Gut
noch nicht kennt. Hier ist die innere Hinausrichtung, dort aber muß eine
Welt sein, die bereits einen Gürtel an Dingen zureicht, die wie ein
Trittbrett, ein Brückenkopf von festem Terrain aus weiter in die Welt
ausreichen lassen.
Die
also das sind, was man braucht, weil sie ein "Jemand" bedeuten. Und der
Welt begegnen kann man nur als "Jemand", weil sonst jedes
Bewertungskriterium fehlt (es sei denn, man schließt es mit der inneren
Gefühlswelt kurz, der aber genau jene Formung zum Urteil fehlt, die man
eben durch das Weglassen der Trittbretter verweigert). Es gibt keine
unkonkreten Eigenschaften der Welt, das ist der wichtigste Gedanke
dabei, es gibt keine unkonkrete Welt. Und der Mensch ist auf Welt
ausgerichtet, das ist der Grund für seine Neugierde, für seine Energie
ins Außen.
Vielleicht
wird nun allmählich klar, warum Pathologien wie Narzißmus oder
Autismus/Asperger also mit der sozialen, realisierten Verbundenheit und
mit dem Zustand des sozialen Umfeldes zu tun hat. Nun wird auch klar,
warum Liebe darin eine so große Rolle spielt, und warum diese Liebe
nicht von den Sachen zu trennen ist, ja sich nur in Dingen (s.o.)
manifestieren kann, die die Welt eines Kindes bzw. Menschen ausmachen.
In einer aufgelösten Welt finden die menschlichen Energien keinen Halt in der Welt und fallen auf den Menschen zurück
Nehmen
solche Krankheiten zu kann man also mit völliger Sicherheit darauf
schließen, daß ein Mensch diese gesunde Entwicklungsmöglichkeit nicht
hatte oder wahrgenommen hat. Sodaß sich seine Neugierde ziellos nur mit
sich selbst beschäftigt, und damit das "Ich" sich in enge Grenzen
einsperrt, um es einfach zu sagen. Gleichzeitig zeigt sich damit an, daß
die soziale Umgebung über jene institutionalisierten Merkmale verfügt,
die dem Menschen zugesprochen werden.
Nun
nähern wir uns also der Gegenwart. In der eine Art des Umgangs mehr und
mehr etabliert wurde und wird, in der sich nichts
mehr institutionalisiert findet, sondern der Mensch sich täglich neu
aufstellen muß. Wo kein Merkmal anerkannt wurde, sondern jedes Merkmal
mehr oder weniger von Augenblick zu Augenblick aufzurichten ist, während
es anschließend oder über Nacht wieder aufgelöst wird. Wo man (wie in
manchen "Pädagogik-Richtungen") sogar gezielt alles verweigert, was
einen Menschen apriori Konkretion geben könnte, weil man meint, jeder
wäre so individuell, daß er sich von Null an seine eigene Welt schaffen
könnte.
Weil
diesem Menschen aber dann jedes Trittbrett in der Welt fehlt, ihm also
jede Welt fehlt, bleibt ihm nur noch, die Richtlinien für das, was er zu
bilden hat, in sich zu suchen. Er wendet sich also in sich hinein, weil
er von außen keine Anleitung, keinen Hinweis erhält. Dasselbe passiert
- und das ist heute sogar Standard der Schulpädagogik - in der
Gleichheitsideologie, in der die Kinder in die Kindergärten und Schulen
aufgenommen werden und gleichzeitig ihren bisherigen sozialen
Hintergrund ablegen müssen. Und das heißt weiter, daß ein Mensch ohne
ein Gedächtnis aufwächst, bzw. sein Gedächtnis immer nur das trägt, was
ihm kurzfristig einfällt, jedesmal aber Energie braucht, um aktiviert zu
sein.
Die abhanden gekommene oder verweigerte Welt ist eine fehlende Erinnerung
Beim
autistischen Kind bzw. Menschen fehlt also eines: Die Erinnerung. Die
dafür vorgesehene innere Fähigkeit (als Grundfähigkeit der Seele, die
nach Inhalten lechzt, um ihre Aufgabe - Gestalt zu formen - ausüben zu
können) des Erinnerns bleibt leer, bzw. es bleiben nur einige
Gegenstände/Dinge, die es zu erinnern vermag. (Der Autist ist deshalb unter anderem an der monotonen Wiederholung bestimmter Tätigkeiten erkennbar.)
Damit
ist auch klar, daß es in nicht vorhandenen oder wie oben angedeutet
"leeren" sozialen Umfeldern oft kaum noch überhaupt zum Aufbau von
Gedächtnis und Erinnerung kommt. Und eiderdautz: Es mehren sich die
Fälle, wo bereits junge Menschen ... dement sind. Ihnen hat überhaupt
gleich von Anfang an diese feste, manifestierte Einbindung in ein
soziales Umfeld gefehlt. Nichts an der Welt ist ihr "Besitz" geworden,
den man als Persönlichkeit bezeichnen könnte. Oder es war so eng gefaßt,
daß es bei Ausfall eines Faktors diese völlige Leere hinterläßt.
Beim
Demenzkranken ist genau das passiert bzw. passiert genau das, und zwar
eben in einer stetigen Entwicklung, die direkt mit dem Umstand
zusammenhängt, daß er die realen sozialen Verbindungen und
institutionalisierten Merkmale mehr und mehr verliert. Der Mann stirbt,
die Kinder sind nach Australien ausgewandert und damit praktisch
verschwunden, die Freunde sind alle tot, der Beruf wegen der Pension
aufgegeben, die Nachbarschaften verschwunden, jede Gebrauchtheit mangels
institutionalisierter Funktion erloschen ...
Merkmal der Qualität aller Dinge ist ihre Fähigkeit, als sie selbst (und damit Welt) existent zu bleiben
Dem
Demenzkranken fehlt somit die materialisierte Erinnerung, und es fehlt
ihm die persönliche Verflochtenheit, wo aus persönlichen Gefühlen als
Motivation, sich hinauszustrecken und damit "in der Erinnerung zu leben"
(deren wichtigste Motivation die Liebe, meinetwegen aber auch der Haß
sind), die Persönlichkeit aktiv und "präsent", also wach bleibt.
Abgeschnitten von diesem Außen, fehlt ihm zugleich aber die innere
Grundkraft, die das Kind noch hat, und zwar schon rein aus Gründen des
körperlichen Abbaus, die es ihm ermöglichen würde, täglich neu seine Welt zu schaffen oder zu erfinden. Er fällt immer mehr in sich hinein. Der Mensch wird
"altersdement", oder fällt in das, was man als "Alzheimer" bezeichnet, wenn es sich bei ihm leiblich in nicht mehr aufrecht erhaltenen Gehirnsynapsen manifestiert.
*160519*
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